Kennt noch jemand SHUTDOWN? Die Hardcore-Band aus New York veröffentlichte in den Jahren 1998 und 2000 mit „Against All Odds“ und „Few And Far Between“ zwei richtig starke Alben. Danach war lange Ruhe, bis die Band 2019 wieder begann, Shows zu spielen. Charakteristisch für ihren Sound ist die hohe Stimme von Frontmann Mark Scondotto, den wir einige Tage nach ihrem Auftritt auf dem niederländischen The Sound Of Revolution Festival trafen.
Mark, es ist lange her, dass du mit SHUTDOWN aktiv warst. Das The Sound Of Revolution in Eindhoven war eure erste Show hier in Europa nach 21 Jahren. Wie kam es dazu?
Vor ungefähr einem Jahr hatte ich mich an Martijn von NO TURNING BACK gewandt, der das Festival veranstaltet, und ihn gefragt, ob er Interesse an uns hat. Er antwortete sofort und sagte, er würde uns gerne auf dem TSOR 2019 haben. Ich kann ehrlich sagen, dass wir dort eine tolle Zeit hatten und begeistert waren, wie viele Hardcore-Kids sich nach fast zwanzig Jahren noch an uns erinnerten und die Songs mitsangen. Es war auf jeden Fall eine fantastische Show!
Was habt ihr in der Zeit davor gemacht?
Wir haben Ende 2001 aufgehört, regelmäßig zu touren. Seitdem haben wir insgesamt vielleicht zehn Shows im Nordosten der USA gespielt, einschließlich des Raybeez-Tribute-Konzerts im Jahr 2017 in NYC, das unsere letzte Show vor dieser war. Nach dem TSOR-Fest haben wir noch einige Gigs an der Ostküste gespielt.
Wohnst du noch in New York?
Nein. Ich lebe in der Gegend von Coral Springs in Südflorida und bin hierher gezogen, nachdem wir im Oktober 2001 aufgehört hatten. Ursprünglich wollte ich nur sechs Monate mit meiner Familie dort bleiben, um mich neu zu finden, vor allem nachdem ich so viele Jahre auf Tour gewesen war. Wie gesagt, bin ich verheiratet und habe drei Kinder. Ich arbeite als Leiter der Personalabteilung bei einem Kreditkartenunternehmen. Mit meinem Gehalt wäre es schwer, in meiner Heimatstadt eine geeignete Wohnung für uns alle zu finden. Es ist unverschämt teuer in NYC.
Genau das habe ich schon öfter gehört. Einige alte Hasen der NY-Brotherhood sagen, dass der Gentrifizierungsprozess die alte Atmosphäre der Stadt getötet hat. Siehst du das auch so? Was mit deinem alten Viertel passiert?
Ja, das ist definitiv so. Brooklyn ist heute ein ganz anderer Ort als früher. Alle gefährlichen Bereiche, die ich als Kind nicht lebend wieder verlassen hätte, sind jetzt komplett verschönert und nicht wiederzuerkennen. Wo früher Menschen auf der offenen Straße abgestochen wurden, schlürfen jetzt die jungen Muttis ihren Latte für fünf Dollar. Es ist verrückt, aber ich erinnere mich noch an Menschen, die genau diese Entwicklung vor zwanzig Jahren vorausgesagt haben. Als ich später nach South Brooklyn in den Bezirk Sheepshead Bay gezogen bin, war es kriminalitätstechnisch nicht mehr ganz so schlimm, weil die meisten Hipster damals in der Nähe von Manhattan leben wollten. Da ging das also schon los. Als Jugendlicher merkte ich es daran, dass dort immer weniger Familien mit Kindern in die Viertel zogen. Das alte New York, wo man Tür an Tür mit Familien aus verschiedensten ethnischen Gruppen zusammengelebt hat, ist leider verschwunden und es gibt wenig, was man dagegen tun kann. Die Hipster-Invasion scheint noch nicht so bald zu Ende zu sein. Auch die ganze Hardcore-Szene ist ja so gut wie verschwunden, denn alle Clubs, in denen die Bands aufgetreten sind, sind ja mittlerweile dicht. Wir hatten damals noch eine richtige Szene.
Wenn du schon in Erinnerung schwelgst, erzähl doch mal, was du am meisten an NYC vermisst.
Obwohl es abgedroschen klingt, ich vermisse am meisten die Clubs, vor allem das CBGBs, da dort Geschichte geschrieben wurde und ich viele meiner Freunde gefunden habe. Ich war verrückt nach diesem Club, bin fast ein Jahrzehnt meines Lebens jede Woche dorthin gegangen, um Shows zu sehen oder selber zu spielen. Es war ein besonderer Ort und ich bin froh und dankbar, in irgendeiner Weise ein Teil seiner Geschichte gewesen zu sein. Allerdings gab es noch andere, wie das L’Amour Cabaret in meinem Viertel Brooklyn. Dort habe ich die erste Hardcore-Show meines Lebens gesehen. CONFUSION, die Band meines Bruders Mike, spielten im Vorprogramm von MADBALL und CROWN OF THORNZ. Das muss so 1993 gewesen sein. Ich habe mich reingeschlichen, denn ich war gerade 14 geworden und unter 16 kam keiner rein. Ich kann mich so gut daran erinnern, weil diese Show mich dazu brachte, Hardcore-Musik zu spielen und zu schreiben und eine eigene Band zu gründen. Ein anderer großartiger Club ist das Irving Plaza, in dem heute immer noch Shows stattfinden, allerdings weniger mit Hardcore-Bands. Mitte der Neunziger habe ich dort SICK OF IT ALL gesehen, die den ausverkauften Laden komplett zerstörten. Das war mit Abstand die beste Hardcore-Show, die ich je gesehen habe.
Welche NYHC-Platten magst du besonders?
Viele der älteren NYHC-Platten, die ich liebe, kamen vor meiner Zeit heraus, aber in dem Genre gab es in den Neunzigern einige großartige Platten, deren Entstehen ich selbst miterlebt habe. „Set It Off“ von MADBALL ist einer meiner Favoriten sowie „Set Your Goals“ von CIV. Ich war auch sehr angetan von WARZONE und liebe vor allem die „Sound Of Revolution“-Platte. Auch weil Raybeez immer ein großer Unterstützer von uns war. Ohne ihn hätten wir nie den Deal mit Victory Records bekommen. 1997 half er uns, indem wir mehrere WARZONE-Shows an der Ostküste als Supportband eröffnen durften. Da haben wir schon einige Kontakte knüpfen können. Nachdem er im gleichen Jahr im September unerwartet starb, wurden wir gebeten, eine Benefizshow für ihn im CBGB’s mit SICK OF IT ALL, GORILLA BISCUITS und anderen zu spielen. Die Show war sofort ausverkauft und absolut verrückt. Danach trafen wir einige Vertreter von Victory Records, die uns ihre Karte gaben und uns in der nächsten Woche kontaktierten. Im Januar 1998 waren wir bei ihnen im Studio und nahmen unsere erste Platte mit dem Titel „Against All Odds“ auf.
Diese Platte endet ja mit dem Song „We won’t forget“, euer Tribut an den WARZONE-Frontmann. Auf dem The Sound Of Revolution Festival habt ihr euer Set damit begonnen. In deiner Ansage dazu hast du es Onno Cromag gewidmet, der vor einigen Jahren gestorben ist. Warum?
Wir haben Onno zum ersten Mal getroffen, als wir die Unity Tour 2000 in Europa mit AGNOSTIC FRONT, IGNITE und DISCIPLINE gemacht haben. Er kam mir vom ersten Moment an wie ein großer Teddybär vor. Er machte allerlei Späße und knuddelte einen ständig. Zudem war er immer ein großer Hardcore-Fan und hat viel für SHUTDOWN in Europa getan. Er kannte auch meinen Bruder Mike gut und auf seinem Label Strength Records ist unser Album „Few And Far Between“ später als Reissue erschienen.
„Few And Far Between“ ist für mich eines der unterbewertesten Alben des späteren NYHC. Da passt alles, fette Songs und ein unglaublich einprägsames Cover.
Der Titelsong ist mein persönliches Highlight unserer Bandgeschichte, weil Freddy Madball da singt. Vom ersten Tag an, als ich in diese Musik eingestiegen bin, war er jemand, den ich bewunderte und zu dem ich aufschaute. Dass er dann Vocals beisteuerte und den Kontakt zu seinem Bruder Roger Miret vermittelte, der das Album produzierte, war dann das Sahnehäubchen. Das Layout und Design des Albums übernahm ein Freund von uns, Mike Ski, der Sänger von BROTHER’S KEEPER. Victory Records hatten uns damals mit ihm zusammengebracht, da er auch andere Albumartworks für sie entworfen hatte. Wir sagten ihm, wir wollten irgendwie unsere Heimat Brooklyn auf dem Cover mit einbauen. Er schlug vor, unsere Fingerabdrücke auf ein Foto von den Haltestellen der Brooklyner U-Bahn aufzudrücken. Das Ergebnis war überwältigend und ich liebe es, weil wir so unserer Neighborhood huldigen konnten, wo wir übrigens alle geboren und aufgewachsen sind, und jeder, der dieses Album sieht, erkennt das auf den ersten Blick.
Gibt es Pläne für ein neues Album oder eine Europatournee?
Ein neues Album – wir reden immer wieder darüber – wird es wahrscheinlich in Kürze nicht geben, aber wir möchten auf jeden Fall einige neue Songs in Form einer 7“ oder einer EP veröffentlichen. Letztere dann vielleicht aufgepeppt mit neueren Interpretationen älterer SHUTDOWN-Klassiker. Auf jeden Fall werden wir Ende 2020 nach Europa kommen, um eine richtige Tour zu spielen. Wir arbeiten jetzt gerade alles mit einer Agentur aus und sollten sehr bald einige Termine präsentieren können. Wir planen, in Europa in mindestens vier bis fünf Ländern zu spielen.
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