Das Ox ist immer wieder eine Plattform und ein Sprachrohr für Bands, die im Musikbereich nicht immer die ganz klassischen Wege gehen. So auch SHANTALLICA, eine bunte Truppe aus Bielefeld, die als ein Hybrid aus klassischem Shantychor und Rockband durchgehen kann. Bei ihrem Auftritt zum zwölfjährigen Bandjubiläum schnappten wir uns Käpt’n Rolf Henrichsmeyer (bereits in #158 in der Rubrik „Unsere Leser:innen 40+“ vorgestellt), um Näheres über diese außergewöhnliche Band zu erfahren.
Rolf, hättest du dir 2009 vorstellen können, dass ihr es schafft, zu eurem 12-jährigen Bandjubiläum den Bielefelder Lokschuppen zu füllen?
Quatsch! Ich hätte jeden damals sofort für total bescheuert erklärt. SHANTALLICA sind ja aus einer Schnapsidee heraus entstanden. Der vierzigste Geburtstag meiner Frau stand an und ich hab mir den Kopf wegen eines Geschenks zermartert, weil ich ihr etwas schenken wollte, was sie sich selbst nicht kaufen konnte. Und da meine Frau aus Hamburg kommt, haben wir dann hier in Bielefeld einen „Hamburger Hafen-Geburtstag“ organisiert, auf dem natürlich ein Seemannschor nicht fehlen durfte. Da die richtigen Shantychöre aber alle ausgebucht waren, habe ich selbst was auf die Beine gestellt. Mit einigen alten Freunden haben wir dann ein paar Mal geprobt, um auf der Feier aufzutreten. Die Idee kam ziemlich gut an und SHANTALLICA waren geboren. Der Rest war dann ein Selbstläufer. Wenn ich dies erzähle, kann ich immer noch hinzufügen dass ich meiner Frau 30 Männer zum 40. geschenkt habe, hahaha.
Einige deiner Freunde und Bandmember sind alte Bekannte aus der Bielefelder Punkszene, oder?
Ja, Kussi ist sowohl Gründungsmitglied von SHANTALLICA als auch von ZZZ HACKER. Viele unserer Mitglieder sind alte Punkrocker oder in die Jahre gekommene Metalheads, die einfach Bock auf Musik haben. Im Laufe der Jahre gab es natürlich einige, die aufgehört haben, und es sind auch neue Gesichter dazugekommen. Uns war es in der Band immer wichtig, dass sich die Leute untereinander gut verstehen. Was nützt uns ein begnadeter Sänger, der aber für sich genommen ein Egoplayer ist? Für uns stand immer das Motto „Der Mensch steht über der Note“. So haben wir es in den letzten zwölf Jahren sehr gut geschafft, eine schlagkräftige Truppe zusammenzuhalten. Wir sind alle keine Sangeskünstler und mir graut es immer vor den Soloparts. Aber so geht es allen und das vereint dann wieder. Neben den Sängern, die zahlenmäßig den größten Teil ausmachen, haben wir aber auch noch die klassischen Bandinstrumente Bass, Schlagzeug und Gitarre sowie ein Akkordeon. Bei diversen Auftritten wurden wir auch schon von Seemann Loschi auf seinem Schifferklavier begleitet, einem echten Seemann aus Warnemünde. Da kommen schon ein paar Handvoll zusammen.
Da stellt sich natürlich die Frage, wo man mit einer solchen Masse an Leuten probt?
Das ist auch eine witzige Geschichte, denn unser Probehaus hat schon eine große Chorvergangenheit. In Bielefeld gab es bis vor einigen Jahren einen sehr bekannten Kinderchor. Seine Geschichte geht bis in die frühen 1930er Jahre zurück und er war international bekannt. Irgendwann gab es da aber Probleme und der Kinderchor schraubte seine Aktivitäten gegen Null zurück. Dieser Chor probte in einer Villa nahe der Sparrenburg, welche aber seit dieser Zeit leer stand. Durch irgendwelche Umwege haben wir von diesem leerstehenden Haus erfahren, mit dem Vermieter Kontakt aufgenommen und es kurze Zeit später dann gemietet. Mittlerweile haben wir sogar eine kleine Kneipe mit Theke, Kicker und Fernseher dort eingerichtet. Da ist genügend Platz zum Proben.
Haben METALLICA schon mal wegen des Logoklaus angerufen?
Zum Glück noch nicht, haha! Den Namen SHANTALLICA haben wir sogar gerichtlich eintragen lassen, aber bislang haben James Hetfield und Co. noch nichts von sich hören lassen, so dass wir uns weiterhin an ihrer Schriftart bedienen werden. Außerdem leihen wir uns bei jedem Auftritt das Riffing von „Enter sandman“ aus, das wir zu dem Text von „What shall we do with the drunken sailor“ spielen. Dies war übrigens der erste Song, den wir gesungen und aufgeführt haben. Wir nehmen einfach das, was gerade passt. Den Anfang von „My butterfly“ haben wir von meiner Lieblingsband THE RAMONES geklaut. Ansonsten stammen viele unserer Stücke aus dem Repertoire eines klassischen Shantychores wie „Einmal noch nach Bombay“ von Hans Albers, „The wild rover“ oder auch „Junge, komm bald wieder“ von Freddy Quinn.
Diese Mixtur scheint bei den Leuten anzukommen, ihr habt euch in Ostwestfalen schon eine große Fanbase aufgebaut. Mir ist vor dem Lockschuppen ein altes schwarzes Taxi aus London aufgefallen, das mit eurem Logo verziert war.
Das ist mein Wagen! Aber auch hierzu gibt es wieder eine Geschichte, bei der SHANTALLICA eine Rolle spielen. Das Auto habe ich nämlich von meinen Bandmates zum fünfzigsten Geburtstag bekommen. Da ich früher einige Zeit in London gelebt habe, war ich immer scharf auf so eine Karre. Ein paar Leute aus der Band haben dann dieses Auto in London gekauft und es nach Bielefeld gefahren. Das muss ziemlich abenteuerlich gewesen sein, denn das gute Stück hat schon über 500.000 km auf dem Buckel. Der damalige Zustand des Gefährts war dementsprechend. So konnte man beispielsweise durch Löcher im Bodenblech beim Fahren die Straße sehen, hahaha. Aber mit der Hilfe einiger geschickter Hände haben meine Jungs dann in vielen Stunden die Karre wieder richtig gut in Schuss bekommen. Leider kann es aufgrund unserer Bandgröße nicht als Tourbus genutzt werden, haha.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #160 Februar/März 2022 und Benjamin Korf
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #148 Februar/März 2020 und Lars "Abel" Gebhardt