Es gibt einige Bands in Deutschland, deren Existenz irgendwie vielen Konzertgängern verborgen bleibt. Eine dieser Bands will ich im folgenden Interview vorstellen, die SCUMBAG ROADS aus Günzburg bei Ulm. Seit Anfang der 90er Jahre treiben sie gelegentlich auf Konzertbühnen und in Studios ihr Unwesen und kürzlich erschien ihr großartiges neues Album "Bad Girl Attraction", ein guter Grund also, sich mit Sänger/Gitarrist Andi und Chris, dem neuen Bassisten, ein wenig länger zu unterhalten.
Wie hat sich die Senkung des Altersdurchschnitts durch Chris bei euch bemerkbar gemacht?
Andi: Ich wusste, dass diese Frage kommt. Die Band hat neue Lebensenergie geschöpft, die wir dem Chris jetzt systematisch aus dem Leib ziehen. Wir werden die Warnungen der Älteren in den Wind schreiben, so wie wir es mit Asti schon gemacht haben. Man sieht das an den alten Bassern, die müssen irgendwann einmal gehen, wenn sie zu nichts mehr zu gebrauchen sind, das ist so ein typisches Leiden von Bassisten. Ich denke, dass der Chris auch wieder der Erste sein wird, der die Band verlassen muss.
Also ist Chris nur ein Gast auf Zeit?
Andi: Auf keinen Fall. Er hat sich schon gut eingelebt, etwas besseres als er konnte uns nicht passieren. Chris ist jetzt seit Sommer 2001 dabei oder so. Unser alter Bassist hat uns damals kurzfristig zwei Konzerte abgesagt und da hat sich dann Chris angeboten, zuerst als Aushilfe, aber das wurde dann fest. Mit Hiwi, dem alten Bassisten, gab es auch ein paar Missverständnisse, vornehm ausgedrückt, und da schien es dann besser zu sein, mit Chris weiterzumachen.
Chris: "Hiwi sagt inzwischen nicht einmal mehr "Hallo" zu uns... "
Andi: Ich hätte mir das auch anders gewünscht, aber wenn einer in der Band schon seit Jahren so blöde Dinge macht, z.B. dass er auf der Tour zusammen mit CAVE 4 mit seinem Campingbus hinterher fährt, aber keine Instrumente in seinem grossen Bus haben will, während die beiden Bands in zwei PKWs fahren müssen, zusammengequetscht wie Ölsardinen zwischen den Instrumenten.
Wie klappt das mit dem Altersunterschied bei euch?
Andi: Das ist so ein Eltern-Schüler-Lehrer-Verhältnis...
Chris: ...Vater-Tochter-Verhältnis...
Andi: Du solltest Chris mal im Röckchen sehen... aber im Ernst, wir haben noch einiges zu lernen von Chris.
Chris: Was sind zehn Jahre, solange du vom Kopf her jung bleibst? Solange deine Einstellung in dieselbe Richtung geht, ist das Alter eigentlich egal.
Und wie klappt dann die räumliche Trennung zwischen Günzburg, Augsburg und München?
Andi: Ich versuche in Augsburg einen Proberaum aufzutreiben, weil die Proberäume, die wir momentan haben, in Günzburg und in München sind. In Günzburg sind es mehrere Bands, die sich den Proberaum teilen, das heisst, es gibt nur bestimmte Zeiten, in denen du proben darfst, unter anderem auch die neue Band unseres Ex-Bassisten, da gibt es auch immer wieder Reibereien, nichts wirklich schlimmes, aber es nervt einfach.
Chris: Bisher war es immer so geregelt, eine Probe in München, eine in Günzburg, das hat auch geklappt.
Wie oft probt ihr so im Schnitt?
Andi: So einmal im Monat.
Chris: Schon ein bisschen öfter...
Andi: Das kommt darauf an, wann Konzerte anstehen, dann proben wir vielleicht einmal pro Woche, aber das hängt auch davon ab, wie die Leute Zeit haben. Stefan musste in letzter Zeit viel arbeiten, da klappt das natürlich nicht so oft. Solange es musikalisch klappt, ist das aber auch nicht so wichtig.
Warum hat das mit der neuen Platte so lange gedauert? Da waren ja viereinhalb Jahre oder so dazwischen...
Chris: In Bayern gehen die Uhren halt anders.
Andi: Gut Ding will Weile haben, um noch einen anderen Spruch zu bringen. Aber der Personalwechsel war schon eine ziemliche Bremse, auch eine Kreativitätsbremse, denn wenn es persönlich nicht mehr so gut klappt, dann geht das auch nicht mehr so gut. Ich war auch ein halbes Jahr mal in Spanien mit meiner Freundin, in der Zeit ging halt überhaupt nichts vorwärts. Aber ich spiele ja auch noch bei den RETURNERS, das hat mir eine Zeit lang mehr Spass gemacht, als mit den SCUMBAG ROADS, die machen mir eigentlich erst wieder Spass, seitdem Chris mit dabei ist. Es ist eine Last weggefallen. Wir hatten mit Hiwi zweimal im halben Jahr eine Besprechung, wie es mit der Band weitergehen sollte und sowas deutet eigentlich das Ende einer Band an. Zu der Zeit habe ich schon ein paar Songs geschrieben, die aber schon fast nach einer anderen Band geschrien haben, die meinen persönlichen Geschmack auch eher getroffen haben. In einer Band muss man ja manchmal auch Kompromisse eingehen und die RETURNERS sind auch musikalisch eine ganz andere Richtung, die mir persönlich auch mehr zusagt. Wobei die neue Richtung von SCUMBAG ROADS jetzt schon zu 100 Prozent auf meiner Linie liegt. Ich habe eben ein weitgefächertes Interessenspektrum.
Wie siehst du als Bandchef die Entwicklung, die die Band in den zehn oder elf Jahren ihres Bestehens durchlaufen hat?
Andi: Stilistisch war immer klar, dass wir Punkrock machen, und zwar nicht irgendwelchen 77er Punkrock. Man hört auch der ersten Single an, wo es hingehen sollte. Nach einer Zeit der stilistischen Verwirrung, wie ich "Hot Pot" bezeichnen würde, sind wir eigentlich immer geradliniger geworden. Aber das war ein Prozess, der notwendig ist, um auszuloten, wohin wir gehen wollen. Das ging ja soweit, dass wir sogar diese Split-Single mit CAVE 4 gemacht haben, mit Instrumentalstücken. Aber ich glaube der rote Faden war und ist, einfache Punkrocksongs zu machen.
Du hast die Split-Single mit CAVE 4 gerade angesprochen, die fällt schon ein bisschen aus euerem musikalischen Rahmen...
Andi: Wenn man uns näher kennt, dann weiss man, dass wir schon immer all diese Rock´n´Roll-Sachen gehört haben, dass wir uns nicht auf Punkrock beschränkt haben. Es lag jetzt nicht an CAVE 4, dass wir auf diese Idee gekommen sind, wir hatten für die "Beasts´n´Bumpkins" schon vor, zwischen den Songs Surflieder einzuspielen, die mal kurz aus dem All kommen, kurz aufleuchten und dann wieder verschwinden sollten. Wir haben das sogar mal aufgenommen auf eine CD, die aber nur in Tschechien erschienen ist, die Leute von NVU wollten die herausbringen. Die Surfstücke stammten eigentlich aus irgendwelchen Sessions im Proberaum, wobei wir da meistens aber nur "Pipeline" und "Wipe Out" gespielt haben. Die Idee war eigentlich, ein Gimmick zu machen, ein Weltall darzustellen. Die beiden Stücke von der Single spielen wir gelegentlich live einmal, wie bei der Release-Party, aber da war meine Gitarre so verstimmt, dass wir nach einer halben Minute abbrechen mussten.
Gab es eine konkrete Entwicklung bezüglich der Bandideologie?
Andi: Sagen wir es mal so, ich lege es nicht unbedingt darauf an, soviel Erfolg zu haben, dass wir eine 40tägige Europatour überhaupt machen können. Die erste Tour, die wir gemacht haben, war mit MÄDELS NO MÄDELS, dann auch mit CAVE 4, Sasse von den SPEICHELBROISS hat uns auch öfters mit nach Tschechien auf Tour genommen, AURORA haben uns nach Ungarn eingeladen. Es war schon das Ziel der Band, in vielen Städten zu spielen und viele Bands kennenzulernen, aber hauptsächlich haben wir deswegen angefangen, weil es in Günzburg nichts gab. Wenn man aus der Gegend kommt, was kannst du da schon anderes machen, ausser Punkrock...
Chris: Und natürlich immer auf der Suche sein nach dem ultimativen 1:50-Rock´n´Roll-Song.
Andi: Aber ideologisch hat sich eigentlich nichts verändert. Es bleibt dabei, dass wir dazu da sind, die Szene am Leben zu erhalten. In der Szene sind viele Leute ja auch schon über 30. Ich werde irgendwann einmal auch sicher aufhören, es wird einfach nicht so weitergehen. Vielleicht werde ich das alles einschränken, es könnte ja sein, dass ich Vater werde. Wenn du mir vor elf Jahren gesagt hättest, dass es die Band heute immer noch gibt, dann hätte ich dich für verrückt erklärt. Ich kann zwar nicht wissen, wie lange es weitergeht, aber ich will ganz bestimmt nicht als alter Mann auf der Bühne stehen und alte Kamellen spielen.
Chris: So lange es jemanden interessiert, ist es auch in Ordnung. Aber wenn da niemand mehr vor der Bühne steht und man zieht auf der Bühne trotzdem seine Show durch, muss das dann wirklich nicht mehr sein. So lange du nicht stehen bleibst in deiner Entwicklung – sowas gibt es ja gerade bei vielen von den alten Bands, die irgendwann 1983 stehengeblieben sind –, solange du "dabei" bleibst, macht das auch Sinn.
Andi: Ich will hier jetzt nicht missverstanden werden, ich möchte auf keinen Fall aufhören, Musik zu machen. Ich habe mir nicht vorgenommen, mit 35 aufzuhören, weil ich eventuell zu alt bin. Nimm zum Beispiel die CRAMPS, diese Band ist einfach eine Offenbarung. Oder auch diese Easy Listening Platte, die Lemmy von MOTÖRHEAD zusammen mit dem Schlagzeuger von den STRAY CATS herausgebracht hat.
Die neue 10" wirkt auf mich aggressiver und ernster als die alten Sachen von euch.
Andi: Vielleicht liegt es wirklich an der Produktion. Songs wie "Anger" oder "Entertainment Forever" von der "Beasts´n´Bumpkins" würden schon noch aggressiver herüberkommen, wenn sie anders produziert worden wären. Wobei wir die Platte aber in einem echten Studio eingespielt haben, während die 10" im Proberaum einer befreundeten Band auf acht Spuren aufgenommen wurde. Man merkt aber schon, dass Mitch Ahnung davon hat, was er produziert hat. Die neuen Songs sind aber auch nicht mehr so durchwachsen wie die von "Beats´n´Bumpkins". Es ist gut möglich, dass die Band endlich ihre eigene Identität gefunden hat.
Chris: Ich würde sagen, dass es weniger verspielt ist, die neuen Sachen kommen eher auf den Punkt, sie gehen einfach richtig nach vorne.
Welchen Stellenwert haben die SCUMBAG ROADS für euch?
Andi: Die Band hat einen ziemlich hohen Stellenwert, schliesslich sind die SCUMBAG ROADS daran Schuld, dass ich Günzburg nie richtig verlassen habe und da gehört schon einiges dazu.
Chris: Die Band hat auch einen hohen Stellenwert für mich, ich würde alles dafür aufgeben. Ich weiss nicht, wie das später mal sein wird, aber jetzt im Augenblick ist es so.
Wie sieht es denn mit Touren aus?
Andi: Auf jeden Fall, es bietet sich im Augenblick auch an, da wir alle drei im Moment arbeitslos sind. Stefan hat gekündigt, er arbeitet noch drei Wochen. Mir ist meine Arbeit gekündigt worden und Chris versucht einen neuen Studienplatz zu bekommen. Vielleicht kommt jetzt ja doch die 40tägige Europatour.
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