Wer in Zeiten geöffneter Clubs schon einmal in den Genuss gekommen ist, einen illustren Abend mit SCHRENG SCHRENG & LA LA zu verbringen, weiß genau, dass Blödsinn ein nicht unwesentlicher Aspekt dieser Band ist. Doch auch Blödsinn braucht etwas Futter. So scheint es nur folgerichtig, dass selbst bei Jörkk von LOVE A und TRIXSI und Lasse von DFT, die sich selbst gern als „der Esel und der Anwalt“ beschreiben, eine gewisse Düsternis Einzug gehalten hat. Erstaunlich ist hingegen, dass sie trotz des derzeitigen Mangels an Fun mit „Projekt 82“ ein neues Album in Angriff genommen und mit Herzblut umgesetzt haben. Auch über ernste Dinge kann das Duo offenbar singen.
SCHRENG SCHRENG & LA LA scheinen eine sehr viel ernstere Band geworden zu sein. Das deutete sich ja auch schon an mit eurer letzten Single„Alles muss brennen“.
Lasse: Ich wollte gerne ein politisches Album machen, einfach weil mich in den letzten Jahren sehr viel abgefuckt hat. Jörkk hatte auch kein einfaches 2020. Meine Genervtheit ist nicht nur Corona-bedingt, sondern auch durch vieles andere, was so passiert. Aus dem Grund hatte ich einen sehr politischen und gleichzeitig sehr deprimierenden Ansatz. Ich bin sehr unzufrieden. Ich war immer wählen und habe darüber nachgedacht, ob ich mit den Wahlkampfthemen klarkomme. Inzwischen bin ich ein sehr politverdrossener Mensch, weil mir gar nichts mehr gefällt. Jörkk und ich haben uns darüber unterhalten, wo wir mit dem Album hinwollen, und ich habe ihm meine Überlegungen geschildert. Im Endeffekt lief es darauf hinaus, dass er sagte: „Pass auf, du kannst mir erzählen, was du willst. Ich mach es aber anders.“ Wie das bei SCHRENG SCHRENG & LA LA eben ist. Er schreibt ja nun mal die Texte.
Jörkk: Aber es sind doch politische Sachen dabei, oder?
Lasse: Klar, aber ich hätte zehn Songs machen können, die „Ich hasse euch alle“ heißen. Jetzt sind zwei politische Songs drauf. Der Kokolores ist jedenfalls auf der Strecke geblieben. Es gab eben wenig Kokolores im vergangenen Jahr, von dem man hätte erzählen können.
Jörkk: Ja, da sind wir wieder bei der Verdrossenheit. Ich habe verstanden, was Lasse vorhatte: Den Idioten sagen, dass sie Idioten sind, sich beschweren. Man ist ja aber auch verdrossen, sich darüber aufzuregen. Es gibt so viel Grund dazu und gerade darum brauche ich auch mal etwas Persönliches. Es ist gut, dass ein, zwei Ansagen dabei sind, die zeigen, dass wir zu denen gehören, die was zu sagen haben. Ich wollte aber kein reines Hass-Album machen.
Lasse hat angedeutet, dass du, Jörkk, 2020 eine schwere Zeit hattest. Es gibt auf dem Album das sehr emotionale Stück „Bremse“. Was ist der Hintergrund?
Jörkk: In Beziehungen gibt es oft Situationen, in denen es darum geht, dass man den anderen oder die andere nicht retten kann. Jemanden, der einen rettet, darf man nicht suchen. In dem Song geht es darum, dass man für seine Selbstzerstörung allein verantwortlich ist und sich selbst dafür entscheiden muss, damit aufzuhören. Die Bitte „Brems mich“ kann nicht funktionieren. Beim Schreiben eines Textes denke ich aber grundsätzlich nicht so viel darüber nach, wie ich das tue.
Der Text fließt also bei dir eher aus dem Moment heraus.
Jörkk: Genau, das kommt relativ spontan. Aus einem negativen Gefühl entspringt ein negativer Song und umgekehrt.
Lasse: Das Album ist ja im Lockdown entstanden, was in unserem Fall bedeutet hat, dass ich die Songs zu Hause mit Kilian Bungert aufgenommen habe und Jörkk in Hamburg mit Kristian Kühl. Nachdem ich ewig gestichelt habe, dass er endlich mal fertig werden muss, hat dieser Knallkopf an einem Abend alle Texte geschrieben und sie mir noch am selben Abend so geschickt, wie er sie geschrieben und eingesungen hat. Ich finde es sehr beeindruckend, was in nur vier Stunden entstehen kann, in denen er sich dann doch mal hinsetzt. Wörter wie „Ohrfeigensalat“ schreibt nur Jörkk Mechenbier. Ich beobachte das auch bei seinen anderen Bands. Bei allem Gram, den ich gegenüber TRIXSI hege, muss ich sagen, dass ich den Song „Frau Gott“ gerne selbst auf dem Album hätte.
Jörkk: Ich habe lange überlegt, ob ich vor Lasse damit angeben will, dass ich alles an einem Abend aufgenommen habe, oder ob ich ihm erzähle, dass ich seit drei Monaten daran arbeite. Ich kann halt nicht anders. Wenn du mir sagst, dass du am 29. was von mir brauchst, weiß ich, dass ich es am 28. machen muss.
Lasse: Und dann macht er es am 30.
Ihr habt erwähnt, dass ihr getrennt aufgenommen habt. Wie blickt ihr rückblickend auf das Album und den Prozess, der dahin geführt hat? Hättet ihr im Nachhinein lieber gewartet, bis Corona vorbei ist?
Lasse: Wir hätten das Album nur jetzt aufnehmen können. Wenn der Druck nicht gewesen wäre, irgendwas zu tun, wären wir wahrscheinlich noch zwei Jahre mit „Echtholzstandby“ durch die Gegend getourt und hätten versucht, einen Song zu schreiben. Jörkk hat mal treffend gesagt, dass wir eine Live-Band sind und auf Platte eigentlich Kokolores. Das neue Album ist das erste, das man sich zu Hause anhören kann, ohne zu wissen, wie wir auf der Bühne sind.
Jörkk: Lasse hat früher immer allergisch darauf reagiert, wenn ich gesagt habe, dass uns kein Mensch braucht. Ein Typ spielt Gitarre und einer singt. Das gibt es im Punkrock-Bereich oft genug und ich finde es selbst total lahm. Live ist es mit Esel und Anwalt aber immer witzig, wie bei Dick und Doof. Das funktioniert. Das hier ist jetzt aber wirklich mal eine Platte, die man auch zu Hause hören kann.
Lasse: Einiges kam über Kilian, der beim Aufnehmen seinen Anteil an den Songs hatte. Er hat viel ausprobiert und einiges beigesteuert, was wir als große Bereicherung empfinden und worauf wir selbst nie gekommen wären.
Es ist auffällig, dass ihr musikalisch mehr ausprobiert. Es gibt sogar Schlagzeug und E-Gitarre zu hören.
Jörkk: Wir hatten weniger Angst, Sachen auszutesten, weil wir wirklich ein Album machen wollten. Darum haben wir uns für keinen Effekt oder dergleichen geschämt. Es darf auch mal eine zweite Gitarre oder ein Keyboard dabei sein. Früher hatte ich Angst davor, etwas aufzunehmen, das ich live nicht reproduzieren kann und das die Leute vermissen könnten. Auf diesem Album sind jetzt sowohl Songs, die nur aus einer schönen Gitarre und Gesang bestehen, und wir haben eben auch die, bei denen es so klingt, als wären noch vier andere Leute in der Band. Wir wollten uns da nicht mehr limitieren.
Insgesamt wollt ihr SCHRENG SCHRENG & LA LA also gerne öffnen und schauen, was man abseits von „Esel und Anwalt gehen auf Tour“ so machen kann.
Lasse: So würde ich es nicht formulieren. Wir haben Bock, mit Freunden abzuhängen, und einen Kumpel dabeizuhaben, der trommelt, wäre schön. Das heißt aber nicht, dass wir zukünftig nur noch mit Keyboard, Schlagzeug und zweiter Gitarre rumfahren.
Auf „Projekt 82“ gibt es den Song „1 Shanty gegen doof“, der davon handelt, dass man sich nirgendwo mehr wohl fühlt, nicht einmal in der eigenen „Blase“.
Jörkk: Ich habe neulich beim Spazierengehen einen Typ mit einer Nickelbrille, Dockarbeitermütze, hochgekrempelter Hose und Springerstiefeln gesehen. Punks haben ja gewissermaßen eine Uniform, anhand derer man erkennt, dass es einer von uns ist. Je älter man wird, desto öfter sieht man Leute, die deine Weltanschauung überhaupt nicht teilen, die aber diesen Dresscode verwenden. Der Eindruck wurde verstärkt durch Corona-Leugner, die neben Nazis auf einer Demo stehen. Früher waren Gut und Böse leicht zu erkennen. Es wird immer mehr vermischt. Vielleicht auch nur für uns, weil wir älter werden und das nicht mehr lesen können.
Du hast jetzt Beispiele für Menschen aufgezählt, die sich nicht in deiner „Blase“ bewegen. Es handelt sich nicht um deine Freunde oder Bekannten.
Jörkk: Gerade durch Corona habe ich mich wirklich bei einigen Bekannten vor dem erschreckt, was sie auf Facebook von sich geben. Ich dachte, die gehören zu uns, propagieren aber plötzlich eine Meinung, die einfach Irrsinn ist. Früher hatten die, die die gleiche Musik hören, auch die gleiche Weltanschauung. Das wurde komplett aufgeweicht und ist mir sehr stark aufgefallen.
Meine abschließende Frage: Euer Album heißt „Projekt 82“, weil die Platte von TRIXSI, Jörkks neuer Band, auf Platz 83 in die Charts eingestiegen ist. Was macht ihr, wenn ihr es tatsächlich schafft, auf Platz 82 einzusteigen?
Lasse: Da machen wir gar nichts. Wir gehen fest davon aus, dass wir das schaffen.
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