Michael, wie alt warst du, als du dir dein erstes Tattoo hast stechen lassen?
Als ich mit 16 Jahren ein kleiner Punkrocker war, habe ich mir selbst so ein kleines Schwert und ein paar andere Kleinigkeiten gestochen. Mein erstes richtiges Tattoo bekam ich dann mit 17. Ich komme aus Hawaii und ich hatte die Idee, mir die hawaiianische Inselkette quer über meine Brust tätowieren zu lassen. Rückwirkend betrachtet irgendwie eine alberne Überlegung, aber ich fand es cool, meine Inseln nah an meinem Herzen zu tragen.
Kombinierst du einzelne Tattoos oder hast du für deinen Körper ein Gesamtkonzept?
Manche Leute sammeln ja wirklich ganz klassisch einzelne Tattoos, beispielsweise von den verschiedenen Orten oder Städten, an denen sie gewesen sind, aber bei mir ist es eher so, dass ich mir Gedanken darüber mache, wie mein kompletter Arm oder mein kompletter Oberkörper irgendwann aussehen soll, wenn er dann fertig ist. Mir war daher von vornherein klar, dass ich auf beiden Armen komplette Sleeves haben wollte. Daher fing der Künstler auch gleich mit den Outlines für den kompletten Arm an und hat danach die Schattierungen und die Farbe eingefügt.
Wer war der Künstler, der deine Armsleeves stechen durfte?
Als ich 22 Jahre alt war, traf ich den großartigen Mike Ledger, heute einer der bekanntesten Tattookünstler, der gerade von New York nach Hawaii gezogen war. Damals war er noch nicht so berühmt und ich hatte das Glück, dass seine Tattoos noch ein bisschen günstiger waren als heute. Ich habe damals um die hundert Dollar pro Stunde bezahlt und für den ganzen Arm wurde es noch mal etwas günstiger. Aber für so einen Arm im traditionellen Stil benötigt der Künstler dann auch 15 oder mehr Stunden und da kommt ganz schön was zusammen. Meine Idee war damals, hinduistische Symbole auf der Außenseite und amerikanische Motive auf der Innenseite zu haben. Mike hat dann als Erstes die Vögel auf der Innenseite einer meiner Arme gestochen und danach hat sich der Rest entwickelt. Das ganze Projekt hat sich über vier Sitzungen hingezogen. Immer, wenn ich wieder etwas Geld gespart hatte, bin ich zu Mike gegangen und wir haben weitergemacht. Nachdem die Arme fertig waren, habe ich eine Weile Pause gemacht und dann hat Shay Haas, der auf Hawaii und in Texas arbeitet, meine Handrücken gestochen.
Was hältst du davon, alte Tattoos covern oder lasern zu lassen?
Ich glaube, man sollte wirklich zwei oder drei beschissene Tattoos haben, denn auch die erzählen eine Geschichte. Sie stehen immerhin für eine bestimmte Phase deines Lebens und haben somit auch ihre Berechtigung. Damals wollte man diese Tattoos und heute erinnern sie einen daran, wo man herkommt. Bei mir sind auch in meinem Armsleeve Cover-ups eingearbeitet, wo Mike Ledger ein paar wirklich fürchterliche Tribals überdeckt hat.
Hast du noch Platz auf deinem Körper für weitere Projekte?
Ja, auf meinem Rücken ist noch viel Platz, aber da fehlt mit zur Zeit noch die Inspiration, was ich da gern haben würde. Ich bin da auch nicht thematisch oder auf einen bestimmten Künstler festgelegt. Bisher habe ich fast nur traditionelle Motive auf meinem Körper, aber ich fange an, mich mehr für Newschool-Sachen zu interessieren. Wenn ich das richtige Motiv im Kopf habe und ein Künstler mir sympathisch ist, dann kann es losgehen. Sympathie spielt da eine große Rolle. Wenn man stundenlang zusammensitzt, gibt es doch nichts Schlimmeres, als wenn man sich nichts zu sagen hat.
Kannst du dir vorstellen, Tour-Tattoos zu sammeln?
Nein, das mache ich eigentlich nicht, obwohl es auch da eine Ausnahme gibt. Auf unserer letzten US Tour waren wir in San Francisco bei einer Künstlerin, die mir und Frank Turner jeweils einen handgestochenen Wanderarbeiter-Code tätowiert hat. Die Eisenbahntramps in Amerika haben da ein ganz ausgetüfteltes Zeichensystem, mit dem sie sich mitteilen, was auf welchen Strecken gerade los ist, und dieses Zeichen „Two eyes watching ten fingers“ bedeutet so viel wie „Achtung, es sind Diebe in der Gegend, passt auf eure Sachen auf“. So habe ich also doch immerhin ein kleines Tour-Tattoo.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #125 April/Mai 2016 und Christoph Lampert