So wunderte sich ein Bekannter, als ich ihm von Rob Zombies Konzert Anfang Juni in der Oberhausener Turbinenhalle berichtete. Nein, das macht er nicht, auch wenn der vielseitige Amerikaner in den letzten Jahren hauptsächlich als Filmemacher in den Köpfen der Öffentlichkeit präsent gewesen ist – zum Beispiel durch seine Werke „Haus der 1000 Leichen“, „The Devil’s Rejects“ oder durch zwei Remakes der „Halloween“-Slasher-Filme. Doch eigentlich ist der Künstler, der 1965 unter dem Namen Robert Bartleh Cummings zur Welt kam, seit jeher als Musiker tätig. Und das stets erfolgreich – so auch mit dem aktuellen, vierten Album „Hellbilly Deluxe 2“, das im Februar 2010 auf Roadrunner veröffentlicht wurde. Nur lässt sich der Zombie leider selten in Europa blicken. Umso erfreulicher also, dass das Konzert auch als Anlass genutzt werden konnte, um mit Rob ein Interview zu führen und ihn und sein Schaffen auch den Ox-Lesern präsentieren zu können; nachmittags im Backstageraum der Turbinenhalle, wobei er, trotz sommerlicher Temperaturen, eine dicke Lederjacke trug.
Obgleich Rob dem gemeinen popkulturell interessierten Menschen hauptsächlich durch seine Filme bekannt sein dürfte, so darf man die Musikkarriere nicht unter den Tisch fallen lassen, denn diese verläuft für Rob schon seit über 20 Jahren recht erfolgreich. Die eigentliche Story ging noch früher los; genau genommen im Jahre 1985, als Rob mit drei Freunden beziehungsweise Kommilitonen von der New Yorker Designschule Parsons die Band WHITE ZOMBIE gründete und sich als Sänger versuchte. Aus der Leidenschaft der Bandmitglieder für Horrorfilme und bizarre Monster leitete sich das Konzept von WHITE ZOMBIE ab, welches sich auch im Bandnamen widerspiegelt, denn dieser wurde übernommen vom gleichnamigen Gruselfilm von 1932, mit Bela Lugosi in der Hauptrolle. Zu dieser Zeit hielt man sich an eine recht verquere Mischung aus Hardcore-Punk und Noise-Rock, mit Tribal-Elementen verziert und von Gruppen wie BLACK FLAG, SONIC YOUTH und den BUTTHOLE SURFERS inspiriert – eine Mischung, mit der hartgesottene Fans der späteren Werke zu kämpfen haben. Sein Leben in New York konnte Rob mit Jobs finanzieren, die unterschiedlicher nicht sein konnten. So jobbte er als Fahrradkurier, als künstlerischer Leiter eines Pornomagazins und als Produktionsassistent für „Pee-Wee’s Playhouse“, einer in Amerika sehr populären Fernsehserie für Kinder.
Die Zeit der Nebenjobs war spätestens 1992 vorbei. Denn mit der Veröffentlichung des dritten, auf dem Majorlabel Geffen veröffentlichten Album „La Sexorcisto: Devil Music, Vol. 1“ durfte man zu dieser Zeit erstmalig große Erfolge feiern. Neben der Neuorientierung gen Electro/Groove Metal war dabei auch stets die Inszenierung der Band ausschlaggebend, welche sich auch am Horror-Image orientierte beziehungsweise von Schockrockern wie Alice Cooper oder KISS inspiriert war, wobei hier die Optik mit ironischen, comicartigen Übertreibungen garniert wurde. Ohne den Support kommerzieller Musikmedien wie MTVs „Beavis & Butt-Head“ wären WHITE ZOMBIE allerdings nie zu dem Status gekommen, den sie auch heute noch innehaben. Die Erfolgsstory von WHITE ZOMBIE endete aber schon sechs Jahre später schmerzhaft: 1998 brach nicht nur die langjährige Beziehung zwischen Rob und der Bassistin Sean Yseult auseinander, sondern damit einhergehend auch die gesamte Band.
Robs Karriere endete damit allerdings noch lange nicht, eher war das Gegenteil der Fall. Eine längerfristige Umorientierung zum Solokünstler fand statt, deren Startschuss 1996 stattfand, als Rob erstmalig mit Alice Cooper kollaborierte und beide einen Song für einen Serien-Soundtrack aufnahmen. Ein Jahr später war es dann wieder die Verschmelzung von bewegtem Bild und Musik, die seinen Weg definierte. So nahm Rob 1997 für die New Yorker Radio-Legende Howard Stern und seinem Film „Private Parts“ ebenfalls einen Songs auf. Diese zaghaften Anfänge führten dann 1998 zu einer ernstzunehmenden Solokarriere. Mit der Veröffentlichung seines Solodebüts „Hellbilly Deluxe“ im selben Jahr leitete Zombie seinen zweiten Frühling ein. Nun konnte er wieder auf der Bildfläche erscheinen, mit einer vollwertigen Band hinter sich. Und auch der Personenkult um sich konnte nun richtig etabliert werden. Seine abgewetzten Klamotten, seine langen Dreadlocks, das Horrorfilm-Make-up und sein Hang zum Trashig-Gruseligen wurden seine distinguierten Markenzeichen, genauso wie das „X“, das er sich zwischen die Augenbrauen schminkte.
Der Nachteil des selbst erschaffenen Personenkults: wieder einmal blieben andere Bandmitglieder nur Beiwerk. Zwar wurde das Debüt, genauso wie sein Nachfolger „The Sinister Urge“ von 2001, noch in einer konstanten Besetzung (unter anderem Ex-WHITE ZOMBIE-Drummer John Tempesta) eingespielt und betourt, doch nach 2003 wurde das Kommen und Gehen der Musiker in Robs Soloband zu einer Art Treppenwitz. Mit einem gequälten Lächeln gesteht Rob auch 2011, nach 26 Jahren im Band-Zirkus, dass er immer noch absolut keine Ahnung habe, wie andere Bands es schaffen, ein Line-up konstant zu halten. So wurden seit 2003 alle Positionen in seiner Band mindestens einmal ausgetauscht. Vor allem die Drummer sind die stetigen Wackelkandidaten: Tommy Clufetos löste seinen Vorgänger Tempesta ab, wurde kurz darauf aber von niemand Geringeren als Ozzy Osbourne angeheuert. Dies war nicht die einzige Begebenheit, in der ein Musiker zwischen beiden Lagern wechselte. So siedelte 2006 auch der Bassist Blasko, seit dem Debüt dabei, zu Ozzy über, weswegen Rob auf die vom früheren Drogenkonsum gebeutelte Metal-Legende mittlerweile schlecht zu sprechen ist. Eigentlich schade, hatten beide Musiker doch gerne miteinander kollaboriert, wie zum Beispiel im Song „Iron head“ vom zweiten Zombie-Album.
Und nach all diesen Umbesetzungen ist sich Rob sicher: Die aktuelle Besetzung – John 5 (Gitarre, ex-MARILYN MANSON), Piggy D. (Bass, ex-WEDNESDAY 13), und Ginger Fish – entspräche am meisten einem gesunden Bandgefüge und Rob beteuert, er könne „nur Gutes“ über die Jungs berichten. Anscheinend harmoniere diese Konstellation erstmalig hervorragend, obgleich Rob betont, dass er auch mit „den anderen Line-ups zufrieden gewesen“ sei. Dies wirkt, als wolle er sich für die vielen Besetzungswechsel rechtfertigen beziehungsweise beteuern, dass es nicht an seiner Person gelegen habe. Bemerkt man, dass sich Rob erstmalig die Songwriter-Credits mit einem Bandmitglied teilt, so scheint sich diese eben thematisierte Harmonie auch praktisch zu äußern. Denn seit „Educated Horses“, dem dritten Album von 2006, ist John 5 dabei und seitdem teilt sich der Frontmann mit seinem Gitarristen das Songwriting. Zwar wurde das eben genannte Album von den Kritikern als eher halbgar empfunden, aber spätestens auf dem aktuellen Album „Hellbilly Deluxe 2“ hat sich das Duo eingespielt. Auf den ersten beiden Alben war das noch längst nicht der Fall. Damals hat Zombie seine Songs größtenteils in Kooperation mit dem kanadischen Produzenten Scott Humphrey (GENITORTURERS, MÖTLEY CRÜE) komponiert.
Doch passt es gut zu Robs Eigenbrötler-Image, dass er seine Band vorher nicht in den kreativen Prozess mit einbezogen hat, wobei die Gründe dafür eher profaner Natur waren. So erklärt Rob: „Bevor John zu mir gestoßen ist, habe ich meine Songs nie mit der Band, sondern stets alleine oder mithilfe eines Produzenten geschrieben – hauptsächlich, da ich noch gar keine Band zusammengestellt hatte, als ich die anderen Platten geschrieben habe.“ Erst nachdem dieser Schreibprozess schon beendet war, seien die Musiker zur Band gestoßen. Nun will der Zombie es aber nicht mehr anders haben, die Zusammenarbeit mit John 5 trägt pralle, süße Früchte. Allerdings sind diese Früchte von einer anderen Farbe und mit einem anderen Geschmack versehen als die früherer Ernten. So finden sich in diversen Reviews zum aktuellen Album Aussagen, welche das einstige Aushängeschild des Groove Metal in eine andere Schublade stecken. So habe das Material einen nicht zu leugnenden Alice Cooper-Touch – ein Vergleich, der nur bedingt passt und dennoch angebracht ist. Denn Rob Zombies Musik entwickelt sich in kleinen Schritten weg vom Metal alter Tage, hin zum mit Samples gespickten Sleaze- oder Glamrock, obgleich aktuelle Songs wie „Devil’s hole girls and the big revolution“ auch auf dem Debüt „Hellbilly Deluxe“ hätten Platz finden können. Doch der nicht zu leugnende Hardrock-Einfluss schlägt die Brücke zu Robs Leidenschaft zum Rock und Funk der Siebziger Jahre; der Musik, die er auch gerne in seine Filme integriert, man denke an LYNYRD SKYNYRDs „Free bird“ in „The Devil’s Rejects“. Doch verwundert diese dezente Neuorientierung nicht, denn: „Mit diesem Zeug bin ich aufgewachsen und daher mag ich es auch so sehr; wieAlice Cooper, LED ZEPPELIN, die ALLMAN BROTHERS und all diese Bands.“ Allerdings erwähnt Rob schmunzelnd und gentlemanlike, dass er den musikalischen Vergleich mit seinem langjährigen Freund Alice Cooper nicht nachvollziehen könne, „auch wenn ich mir wünschen würde, wie er zu klingen“.
Zumindest aus finanzieller Sicht müsste Rob keine Wünsche mehr offen haben, ist er doch in seinem Heimatkontient ein regelrechter „Promi“. Vor allem auch durch seine Filme, die bei Fans stets besser ankamen als bei den Kritikern, hat er wohl kaum noch finanzielle Sorgen. Auch mit WHITE ZOMBIE konnte er diverse Gold- und Platin-Platten einheimsen, womit die Underground-Zugehörigkeit früherer Tage passé war. Doch einen Masterplan gab es nie, auch bei WHITE ZOMBIE ging es um die Leidenschaft als Triebmotor, Unbequemlichkeiten wurden hinten angestellt und dankend der Support befreundeter Bands angenommen. So errichtete man sein Nachtquartier auf Tour in feuchten Kellern von den DWARVES und ähnlichen illustren Zeitgenossen. Rob beschreibt diese frühe Situation lapidar: „Wir hatten diese winzig kleine Band; ohne Fans, ohne Geld, ohne irgendetwas. Unsere ersten Auftritte waren in irgendwelchen Kellern, mit dem beschissensten Equipment der Welt.“ Doch dann hätte man sich in der Situation wiedergefunden, „dass wir Millionen von Platten verkauften und Arenen gefüllt haben“, was der eigentlich Publicity-skeptische Frontmann immer noch verwunderlich findet. So beeindruckt die Tatsache, „dass es irgendwie geklappt“ habe, den Künstler auch heute noch.
Die Underground-Herkunft der Band erklärt den Zynismus, den Rob oft nach außen zur Schau stellt. Zwar scheint er Medienvertretern mittlerweile zu vertrauen, da er durch seinen Erfolg mittlerweile nicht mehr so angreifbar ist wie damals und sich von boulevardesker Berichterstattung – so war die Beziehung von ihm und Yseult oft Mittelpunkt diverser Interviews – emanzipieren konnte. Doch musste auch er die Auswirkungen der kommerziellen Musikindustrie, die dieser Erfolg mit sich bringt, über sich ergehen lassen. Eines von vielen Beispielen dafür ist Robs Auftreten in dieser seltsamen MTV-Sendung namens „Cribs“, einem Format, in der der einstige Musiksender die Villen prominenter Musiker recht reißerisch in Szene setzt. 2003 wollte „Cribs“ dann auch in Robs Haus – und er gewährte ihnen Eintritt. Dabei stellte er nicht nur seine Villa aus, ein riesiges Gruselkabinett beziehungsweise Horrorfilm-Museum, das er sich mit seiner Frau Sheri Moon Zombie (die man auch aus seinen Filmen und Musikvideos kennt) teilt, sondern demonstrierte auch auf subtile Art seine Unlust gegenüber solchen TV-Formaten. Doch steckt hinter der extrovertierten Bühnenperson mit ihrem auffälligen Look ein eher ruhiger, gefestigter und reservierter Charakter. So sagt Rob von sich selbst, dass es ihm wenig ausmache, auf Premieren und Galen zu gehen und „über die Filme oder über die Touren zu sprechen“, das sei schon in Ordnung. Persönliche Angelegenheiten in der Öffentlichkeit auszubreiten, würde hingegen „keine Rolle“ spielen.
Rob ist kreativer und beschäftigter als jemals zuvor, wirkt dabei aber zufriedener als in früheren Tagen. Momentan habe noch die Musik Vorrang, die dem 46-Jährigen anscheinend „sogar mehr Spaß als früher“ bereitet. Im Herbst stehen dann die Dreharbeiten zu seinem neuen Film an, der den Titel „The Lords of Salem“ trägt und im kommenden Jahr veröffentlicht wird. Anders als der Splatter-Schocker „Haus der 1000 Leichen“, seinem Debüt von 2003, und der Horror-Roadmovie „The Devil’s Rejects“ soll „The Lords of Salem“ etwas subtiler werden, „eher wie eine übernatürliche Geistergeschichte und weniger gewalttätig, in Richtung ,Rosemary’s Baby‘“, so zumindest Robs Intention. Und mit all diesem Output – seinen Comics, seiner Musik, seinen Drehbüchern und seinen Regiearbeiten – zeigt sich, dass er nun, trotz der vielen Arbeit, zufriedener und produktiver ist als früher. Zyniker würden von „Altersmilde“ sprechen, wenn Rob seine Situation folgendermaßen analysiert: „Meiner Meinung nach weiß man vieles gar nicht richtig zu schätzen, wenn man jung ist. Wenn man älter wird, lernt man mehr wertzuschätzen; genauso wie die Tatsache, dass man aufkreuzt, ein Konzert spielt und die Leute auch tatsächlich kommen.“
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