RITUAL

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Angry Kids Playing The Wolverine Blues

Vier Jahre gibt es diese Band schon, und wer sich nur ein wenig für Hardcore interessiert, dürfte auch schon längst über RITUAL gestolpert sein. In der Vergangenheit gerne mal als UNBROKEN-Coverband bezeichnet, haben sich die vier Recklinghausener mittlerweile etabliert und mit ihrem neuen Album „Beneath Aging Flesh And Bone“ sind Julian (Gesang), Deni (Gitarre), Philipp (Schlagzeug) und Pasccal (Bass) diesen Sommer bestimmt auch in deiner Stadt unterwegs.

Zur neuen Platte: Könnt ihr etwas zur Entstehungsgeschichte erzählen? Ich hätte gedacht, ihr würdet mehr experimentieren.

Julian: Wir waren über einen langen Zeitraum nur mit der zweiten 7“ unterwegs, weil unsere erste 7“ und unsere erste LP ausverkauft und wir so unzufrieden damit waren, dass wir die auf keinen Fall neu auflegen wollten. Für dieses Album wollten wir dann alles, was RITUAL für uns bisher ausgemacht hatte, noch mal vereinigen und so bündeln, dass wir damit auch zufrieden sind. Auf der nächsten Platte wollen wir dann auf jeden Fall mehr experimentieren.

Philipp: Ich denke, das wird sich auch zwangsläufig ergeben. Wir sind alle nicht mehr so an aktuellen Hardcore-Platten interessiert. Unsere musikalischen Interessen haben sich in verschiedene Richtungen erweitert, da liegt es auf der Hand, dass sich das dann auch irgendwie auf unseren nächsten Veröffentlichungen auswirkt. Aber die neue LP ist ja gerade erst draußen, deswegen ist im Moment nur das Konzerte spielen wichtig. Neue Songs gibt es noch nicht; ich denke, damit werden wir dann erst ab Ende des Jahres anfangen. Im Übrigen soll das nicht heißen, wir wären mit der aktuellen Platte unzufrieden. Ganz im Gegenteil, ich denke, ich kann für alle sprechen, wenn ich sage, dass wir mit dem Ding nach wie vor sehr glücklich sind.

Deni: Da wird sich auf jeden Fall was ändern. Ich sperre mich oft stundenlang in meinem Zimmer ein und experimentiere viel herum. Eine Veränderung ist unvermeidlich.

Auf Tour zu gehen, wie ist das mit der Beziehung zu vereinbaren?

Julian: Das kann gut funktionieren, also normalerweise läuft das entspannt ab. Wenn man gerade mal erschöpft und angeschlagen ist und man sich nur per Telefon austauschen kann, dann kann das auch schon mal Probleme bereiten.

Eure Erfahrung: In einer Band spielen und der Zusammenhang zur Attraktivität?

Julian: Aufgrund mangelnder Hygiene auf Tour läuft man rum wie ein Penner, daher: nein. Allerdings lässt sich immer wieder beobachten, dass bei einigen Menschen die Illusion eines höheren Attraktivitätsgrades entsteht.

Pläne für die Rockstarkarriere habt ihr auch, wie ich gehörte habe ...

Deni: Ich arbeite zur Zeit mit den Laur de Manos-Brüdern und Ebbing an einem ganz heißen Projekt. Eins kann ich sagen: Man wird dazu gepflegt tanzen können. Und Pogo wird auf jeden Fall sagen: „Das drückt“. Bald wird’s Infos diesbezüglich geben.

Deni, inwieweit hat dein Bezug zu Bosnien deine Identität geprägt?

Deni: Das ist für mich schon ein sehr wichtiges Thema. Meine Eltern sind vor über dreißig Jahren aus Kroatien, damals noch Jugoslawien, nach Deutschland ausgewandert. Meine Mutter war, glaube ich, achtzehn Jahre alt und mit meinem ältesten Bruder schwanger und mein Papa war neunzehn Jahre alt. Es war damals eine schwierige Zeit für meine Eltern, aber zugleich auch hoffnungsvoll, da ein besseres Leben möglich war und sie so dem damaligen strengen kommunistischen Regime entfliehen konnten. Ich kenne ganz klar meine Wurzeln und meine Kultur, und es hat mich sehr geprägt, obwohl ich hier geboren und aufgewachsen bin. Meine Eltern sind christlich und sehr gläubig und eher traditionell/konservativ eingestellt. Es gab oft Spannungen zwischen mir und meinen Eltern, zum Beispiel bezüglich der Glaubensfrage. Bis zum meinem zwölften/dreizehnten Lebensjahr musste ich jeden Sonntag in die Kirche. Deswegen kam ich auch leider immer zu spät zur Bandprobe. Vor allem der Kroatien-Bosnien-Konflikt in den Neunzigern war eine prägende Phase im Leben meiner Familie. Ein Großteil meiner Verwandten war aktiv am Krieg beteiligt, zum Glück nicht meine Brüder. Das war eine ganz schlimme Zeit damals. Die Herkunft als solche hat für mich persönlich aber nie eine Rolle gespielt, ich meine, ob Bosnier, Kroate oder Serbe. Mein bester Freund damals war Serbe und das war natürlich nie ein Problem für uns oder auch für unsere Eltern. Außerdem sind durch den Krieg fast alle meine Verwandten auf der ganzen Welt verstreut worden. Ich hab Familienangehörige in Schweden, England, Schweiz, Amerika und Kanada.

Julian, warst du wirklich bei einem UNBROKEN-Konzert in Kalifornien?

Julian: Ich bin Freitag morgens mit meinem Bruder losgeflogen, mittags in Philadelphia zwischengelandet, dann weiter nach San Diego. Dort um etwa zwanzig Uhr Ortszeit angekommen, wo unser Freund Mirko uns abgeholt hat. Dann haben wir ein wenig das Nachtleben von San Diego entdeckt und uns schließlich in das Hotelzimmer von Mirko eingezeckt. Nach einer kurzen Nacht sind wir morgens früh aufgestanden, um uns die Stadt anzusehen, haben uns dann einen Mietwagen geholt und sind nach Pomona bei Los Angeles gefahren, wo die Show stattgefunden hat. Den Rest des Abends standen wir in der ersten Reihe und haben uns alle Vorbands über uns ergehen lassen, zum Beispiel UNDERTOW, die ich megascheiße fand. Das hat sich aber spätestens dann ausgezahlt, als die SWING KIDS auf die Bühne kamen, was mir fast genau so viel bedeutet hat wie die UNBROKEN-Show. Als UNBROKEN angefangen haben, ging gar nichts mehr. Da war Kirmes in meinem Kopf. Das kann ich auch gar nicht richtig beschreiben.

Außerdem hast du schon einiges für RITUAL aufgegeben, oder?

Julian: Ich hab eine Menge für die Band sausen lassen. Ich hab schon am Existenzminimum gelebt, damit ich auf Tour gehen kann. Aber damit hatte ich nie ein Problem, das war es mir immer wert. Nur damit das nicht so klingt, als würde ich deswegen rumheulen. Allerdings gehen wir aktuell nur zu Ferienterminen auf Tour, weil ich zur Abwechslung mal mein Abitur durchziehen möchte.

Deni: Ich kann mich dem Julian da komplett anschließen. Da ist so einiges schon hart am Limit gewesen.