Endlich habe ich es auch mal geschafft, RIFU live zu bewundern, denn dieses Jahr ist dies schon ihre zweite Tour durch Deutschland gewesen. Ihr erstes Album „Revolutionary Tango (The Slavery Dance)“ wusste schon zu begeistern, denn es gelingt nicht vielen Bands, Punk mit Hardcore zu mischen, und dazu noch gute politische Texte zu haben – das können die Norweger aus Trondheim sehr gut, was auch ihr neues Album „Dead End Street“ widerspiegelt. Und zumindest bis heute scheinen sie ihre politische Einstellung auch zu leben: Sie machen hauptsächlich Musik, haben Aushilfsjobs bzw. unterhalten eine Kneipe und zwei von ihnen studieren und bezeichnen dies als ihr „Hobby“. So kam es, dass ich an einem ziemlich kalten Abend und nach ziemlich langer Wartezeit, da RIFU im Stau standen, im Monheimer Sojus 7 mit Sänger und Gitarrist Oyvind Sarheim sprach.
Wie ist es, mal wieder in Deutschland zu sein? Ihr seid ja nicht das erste Mal hier.
Wir sind zum vierten Mal in Deutschland, und dies ist heute unsere siebte Show auf dieser Tour. Wir haben unser neues Album mitgebracht, und viele kennen davon nur ein paar Songs. Aber wir bekamen bisher gute Reaktionen darauf. Es gefällt uns hier und dieses Mal ist es besonders schön, dass wir auch noch in anliegenden Ländern Shows spielen, z.B. in den Niederlanden.
Ich würde sagen, euer neues Album „Dead End Street“ ist etwas punkiger ausgefallen als „Revolutionary Tango...“, dennoch merkt man immer noch, dass ihr offen für viele musikalische Einflüsse seid. Ich finde, das macht die Musik eingängiger. Resultiert das aus eurer persönlichen Einstellung gegenüber Toleranz und Engstirnigkeit?
Ja, wir haben alle einen unterschiedlichen Musikgeschmack und das zusammen macht die Musik interessanter. Man wird durch die Einflüsse offener und denkt nicht so schnell: Nee, das ist zu hart, das ist zu punkig usw.
Das Booklet von „Dead End Street“ beinhaltet auch zwei Essays, eines beschäftigt sich mit der Musikindustrie. Was genau haltet ihr von der?
Die Musikindustrie ist ein Teil des Systems, weil es immer irgendwen geben wird, der damit Geld machen will. Für mich gehören Kultur und Musik zusammen. Aber Musik ist mitt-lerweile kein Kulturgut mehr, es ist eine Ware, ein Produkt, das du verkaufst, um Geld zu verdienen. Musik kommt nicht mehr von Herzen. Sie sollte das repräsentieren, woran man glaubt und nicht das, was die Mehrheit der Leute gerade gerne hört und kaufen wird. Die Leute wollen unbedingt einen Majorlabel-Deal, und dann kriegen sie doch nur 10% des Ertrags, der Rest geht in die Produktion anderer Sachen. Sie unterstützen damit so was wie Christina Aguilera. Vor allem junge Bands, die unbedingt berühmt werden wollen, merken schnell, dass die Labels sie fallen lassen, sobald sich ein Album nicht mehr gut verkauft.
Viele so genannte „Underground“-Bands behaupten, Majorlabels zu hassen, würden aber auf der anderen Seite einen Vertrag unterschreiben, wenn ihnen gewisse Freiheiten gewährt werden. Seht ihr das genauso?
Nein. Wenn man versucht, sich auf einem Majorlabel auszudrücken oder zu verwirklichen, geschieht das nur immer im Rahmen des Labels. Wenn man auf einem Indielabel ist, weiß man wenigstens, dass das Geld zu den ‚Guten‘ fließt, Leute, die Musik mögen, Shows organisieren, Fanzines machen, etc. Du trittst diesen Leuten in den Arsch, wenn du zum Major gehst, das ist ein weiterer Grund dagegen. Wenn du auf einem Major bist, geht das Geld an Schweine, die dich ausbeuten und nur hinter dem Geld her sind. Wenn du eine DIY-Band bist, bist du nicht von so vielen Leuten abhängig, folglich müssen auch nicht so viele Leute bezahlt werden und daraus resultiert, dass die CD-Preise z.B. auch nicht steigen.
In eurem Song „Youth of Today“ vom Debütalbum sprecht ihr davon, dass sich die Jugend nicht von Trends beeinflussen lassen sollte. Aber denkt ihr nicht auch, dass die Hardcore-Szene auch zu einem riesigen Trendmarkt verkommen ist, wo nichts so wichtig ist, wie das T-Shirt, das man trägt?
Da könnte ich wirklich viel zu sagen. Na ja, man merkt den Leuten aber an, ob sie sich nach einem Trend kleiden. Ich denke, dass man Punk im Kopf ist, man muss sich nicht ‚punkig‘ anziehen. Das ist etwas, woran man glaubt, wofür es Gründe gibt. Heutzutage werden ganze Kulturen kreiert, um Geld zu machen, so dass die Jugend aufwächst und sich sozusagen eine Kultur aussucht, so nach dem Motto: Bin ich jetzt Hip-Hop oder Punk? Es gibt nicht mehr den natürlichen Weg, in eine Kultur hinein zu wachsen. Es gab damals im Punk und auch im Hip-Hop wirkliche Anliegen, aber heutzutage verkommt beides zu einem Trend. Ich denke dennoch, dass es besser ist, wenn sich junge Leute in der Punk/HC-Szene bewegen, denn vielleicht können sie etwas Gutes daraus ziehen und sehen eine Alternative zum ‚soliden‘ bürgerlichen Leben.
Kann jemand in einer Bank angestellt und gleichzeitig Punk sein?
Ich denke, das geht nicht. Das hat nichts mehr mit der Musik zu tun, da man sozusagen für einen großen, gierigen Konzern arbeitet.
Ihr werdet oft mit REFUSED und manchmal sogar mit THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY verglichen. Ich denke, dass passiert wohl hauptsächlich aufgrund ähnlicher politischer Texte.
Wir werden auf Flyern immer mit REFUSED verglichen. Ich sehe aber keine Ähnlichkeiten, vor allem beim neuen Album nicht. Aber es ist okay, das sind gute Bands. Allerdings mag ich die Texte von REFUSED oder THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY nicht, weil sie zu intellektuell sind – viele verstehen das einfach nicht. Aber was die politische Meinung angeht, gibt es sicherlich Parallelen.
Im Booklet von „Revolutionary Tango“ findet sich ein RIFU-Manifest, wo ihr Themen wie Globalisierung oder die EU ansprecht bzw. dagegen wettert und den herrschenden Kapitalismus mit Sozialismus ersetzen wollt. Ist das nicht eine absolute Utopie? Schließlich ist Globalisierung ein uraltes Phänomen, die Stärkung der EU als Gegenpol zu den USA vielleicht auch ganz gut, und Sozialismus wird oft negativ mit Kommunismus oder Anarchismus in Verbindung gesetzt.
Für mich ist Sozialismus nicht vergleichbar mit Kommunismus oder Anarchismus. Es ist ein Weg, die Gesellschaft nach den Belangen der Allgemeinheit aufzubauen, anstatt vom Profit auszugehen. Das Manifest soll nur unsere Position darstellen, es soll keine Lösung für irgendwas sein. Ich glaube, dass wir eine Revolution brauchen, aber ich will keine Antworten für irgendwas geben. Ich denke nur, dass die Leute Standards setzen und sich entscheiden sollten, was für ein Leben sie leben wollen. Wenn man glaubt, es sei eine Utopie, dann wird es nie geschehen. Dann kann man schnell apathisch werden. Und das passiert gerade auf der ganzen Welt. Man hat ja auch einfach keine Macht, alles wird von oben geregelt und man beschränkt sich schnell auf sein eigenes Leben. Bezüglich der EU kann ich verstehen, dass sie eine Kraft gegen die USA sein kann, aber egal was passiert, man hat ja eh keine Macht, zumindest hat man dieses Gefühl. Man muss zusammenarbeiten, um etwas zu bewegen. Aber es ist sehr schwer, denn scheinbar geht alles den Bach runter. Dennoch muss etwas passieren ...
Wenn man „Dead End Street“ mit dem ersten Album vergleicht, bekommt man schnell das Gefühl, dass eure Kritik diesmal eher auf die USA abzielt, als auf generelle Missstände. Vor allem da ihr ja direkt mit einem Sample amerikanischer Präsidenten anfangt.
Nein, im Grunde geht es um die selben Dinge, die man eigentlich in jedem Land findet. Aber natürlich passierten nach dem 11. September viele schlimme Dinge. Ich habe viel über die USA und ihre Außenpolitik gelesen. Sie haben im Laufe der Zeit soviel Macht bekommen, z.B. durch den Marschall-Plan und Mithilfe beim Aufbau nach dem Krieg. Und jetzt benutzen sie diese Macht. Viele Leute erkennen das leider nicht, sie unterstützen sogar die USA. Die Medien, CNN etwa, verstärken bestimmte Ängste, aber nie hat man gesehen, wie die USA z.B. Lateinamerika bombardierten oder biochemische Waffen auf Kuba einsetzten. Deshalb ist es wichtig, den Leuten bestimmte Dinge vor Augen zu führen und sie anzuspornen, mal etwas über die amerikanische Geschichte zu lesen. Außerdem sollten sie das ‚Warum‘ verstehen lernen, denn es gab Gründe für das Attentat. Etwas hat mich wirklich frustriert: Nach dem 11.9. gab es ständig Berichte über ungefähr jeden, der über zehn Ecken jemanden kannte, der an diesem Tag im World Trade Center war. Im Gegenzug wird nicht soviel Aufwand betrieben, um über irakische Familien nach dem Krieg zu berichten. Es macht mir Angst, dass viele nicht verstehen, worum es geht. Den USA geht es um Waffen, Profit und ihre Machtstellung.
Einige finden ja politische Bands sehr nervig und behaupten, dass Punk nicht politisch sein sollte, sondern in erster Linie etwas mit „Spaß haben“ zu tun hat. Wie steht ihr dazu?
Ich mag Punkbands, die sozusagen als Message ‚Habt Spaß‘ haben, dennoch denke ich, dass Punk viel mit politischer Einstellung zu tun hat, und dass das nicht in den Hintergrund treten sollte. Aber man kann ernste Dinge manchmal auch anders vermitteln, und sollte auch noch Spaß haben können.
Wo kommt eigentlich euer Bandname her? Anfangs hatte ich ja mal vermutet, dass das ein norwegisches Wort ist. Mittlerweile habe ich da aber was anderes gehört ...
Haha! Der Name kommt aus einem elbischen Lexikon und bedeutet ‚Angst‘, aber wir haben ihn nicht gewählt, weil wir Tolkien-Fans sind. Vor acht Jahren hießen wir noch RUSTY, aber es gab schon eine andere Band mit dem Namen. Eine Freundin hat uns vor einem Auftritt dann mal erzählt, dass RIFU doch ein toller Name sei und dann haben wir den Namen an diesem Abend benutzt. Eigentlich wollten wir das noch mal ändern, aber irgendwie sind wir daran hängen geblieben.
Zum Abschluss die obligatorische Frage: Was gibt es in nächster Zeit von RIFU zu erwarten?
Mit dem neuen Album haben wir sozusagen auch unser eigenes Label Rifu Music gegründet. Momentan sind aber keine großen Projekte geplant, denn große finanzielle Möglichkeiten haben wir nicht. Aber Anfang nächsten Jahres wollen wir eine Split-7“ mit der italienischen Band EVOLUTION SO FAR rausbringen. Ansonsten wollen wir nächstes Jahr wahrscheinlich ein neues Album aufnehmen und dann im Herbst auch wieder unter anderem in Deutschland touren, denn für uns ist das Touren das allerwichtigste.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #53 Dezember 2003/Januar/Februar 2004 und Sarah Shokouhbeen
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