REPRODUKT Comics

Seit über zehn Jahren kommen aus dem Hause Reprodukt ansprechende und anspruchsvolle Comics abseits von langweiligen Superheldenstories und der x-ten frankobelgischen Abenteuergeschichte. 1991 beginnt die Geschichte des kleinen Berliner Verlags, der eigentlich einer der großen unter den deutschen Comicverlagen ist. Zunächst veröffentlicht Dirk Rehm – Reprodukts Vater – in Kooperation mit den Schweizern von Edition Moderne pro Jahr einen Band der „Love & Rockets“-Reihe der Hernandez-Brüder. Über die Jahre kamen viele Künstler aus dem In- und Ausland hinzu: Von den assoziativen und oftmals verwirrenden Geschichten von Anke Feuchtenberger bis zu den unterhaltsamen Geschichten von Lewis Trondheim decken die hier erscheinenden Comics heute eine bemerkenswerte Bandbreite ab, die sich nach der Übernahme des Programms von Jochen vor ein paar Jahren noch ausweitete. Dirk Rehm ist inzwischen beim Carlsen Verlag gelandet, der sich seit dem Harry Potter-Hype ordentlich saniert haben dürfte. Gerüchte über die Umwandlung von Reprodukt in einen gemeinnützigen Verein ließen Grund zur Sorge aufkommen – sollte Reprodukt jetzt nach Jochen ins Gras beißen?! Grund genug, bei den drei Machern hinter dem sympathischen Verlag nachzufragen, von denen Claudia mir freundlicherweise meine Fragen beantwortete.

Was für eine Idee steckt hinter Reprodukt? Wenn man sich das Programm anschaut, dann ist es ja ziemlich heterogen – von Charles Burns über Ulf K. bis Ol. Verfolgt ihr eine bestimmte Linie?

Die Comics, die bei Reprodukt erscheinen, haben alle gemeinsam, dass sie bzw. die Zeichner eher aus dem Independent-Bereich kommen, selbst so Bestseller wie Fils ‘Didi & Stulle’. Grafisch gesehen sind die meisten Bände Schwarzweiß-Geschichten, haben erzählerisch oftmals stark autobiographische Züge. Charles Burns beispielsweise ist einer der ersten Zeichner, der bei Reprodukt verlegt wurde. Zu den Lizenz-Produktionen amerikanischer Zeichner wie Gilbert und Jaime Hernandez, Daniel Clowes oder Charles Burns und der französischen Künstler J.C. Menu und Killoffer kamen mit der Reihe ‘Artige Zeiten’ von Andreas Michalke und Minou Zaribaf auch die ersten deutschen Zeichner dazu. Im Laufe der Jahre hat sich das Programm stark ausgeweitet und somit auch die Vielfältigkeit der zeichnerischen Stile der verlegten Comics. Ol und Fil, deren farbige Alben etwas aus der Reihe tanzen, finden aber ihren Bezug zu Reprodukt mit ihren eigenwilligen Zeichnungen und haben als Berliner Zeichner einen lokalen Bezug. Dass unser Programm so heterogen ist, liegt nicht zuletzt daran, dass wir den Verlag zu dritt machen, also Dirk Rehm, Jutta Harms und ich. Jeder von uns hat natürlich auch bestimmte zeichnerische Vorlieben.

Seht ihr euch als Konkurrenz zu großen Verlagen wie Carlsen oder Ehapa?

Nein, Lewis Trondheim beispiels-weise ist mit seinen Farbalben bei Carlsen erschienen und seine Schwarzweiß-Geschichten werden bei uns verlegt. Eine solche Verteilung kann auch positiv sein, da es für beide Verlage neue Leser und eine verstärkte Aufmerksamkeit für beide Seiten bringen kann. Bei den meisten Titeln gibt es aber wenig Zielgruppen-Überschneidungen.

Wo und wie findet ihr neue Comicmacher?

Wir sind keine Talentschmiede für junge Zeichner, in dem Sinne, dass wir uns auf die Suche nach neuen Talenten machen. Viele Zeichner, die wir verlegen, kennen wir schon länger. Entweder haben sie bereits Comics selbst verlegt oder haben bei einem anderen Verlag etwas veröffentlicht. Bei Lizenzproduktionen ist es so, dass wir auf Titel stoßen, die uns interessieren und die wir dann auch deutsch rausbringen. Oftmals denken junge Zeichner, dass wir als Independent-Verlag vorwiegend unbekannte Künstler herausgeben können. Das ist leider nicht so. Um Zeichnern wenigstens ein Forum bieten zu können, haben wir den Mailorder-Versand ‘Das Sortiment’ ins Leben gerufen. Dort vertreiben wir selbst verlegte, zum Teil handgemachte Comics, oft mit kleinen Auflagen.

Was sind eure Bestseller?

Unsere Bestseller sind die ‘Didi & Stulle’-Bände von Fil, die Titel von Lewis Trondheim und Marc-Antoine Mathieu und unsere R-24 Reihe.

Wie kam es zu der Idee mit dem Verein? Was für einer soll das werden? Oder anders gefragt: Wird aus Reprodukt jetzt ein Verein mit neuem Namen?

Die Idee mit dem Verein entstand aus der Tatsache heraus, dass wir u.a. bei den Vorbereitungen des letztjährigen Comicfestivals in Berlin gesehen haben, dass es vonnöten ist, finanzielle Unterstützung für solche Events zu bekommen. Und als Verein gibt es zumindest die Möglichkeit, sich um Gelder offizieller Stellen zu bewerben. Natürlich hatten wir auch beim Comicfestival Sponsoren, aber davon wollten wir uns von Anfang an eigentlich nicht abhängig machen. Dann ist es so, dass es in Berlin ziemlich viele agile Comiczeichner und Selbstverleger gibt wie z.B. Monogatari und Epidermophytie, die uns beim Festival stark unterstützt haben und auch sonst viele Aktionen machen. Um die verschiedenen Leute und Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen und dem Ganzen einen Rahmen zu geben, ist es gut, einen Verein zu haben, in dem sich alle, je nach Bedürfnis, einbringen können. Wie gesagt, bei dem Verein soll es hauptsächlich um integrative Arbeit zwischen den Zeichnern gehen und darum, gemeinsame Events wie Ausstellungen, Partys und eben auch das Comicfestival zu gestalten. Die Möglichkeit, den einen oder anderen Comic in Magazinformat sozusagen als Vereinsorgan herauszugeben, steht dabei auch noch offen. Der Verein wird Reprodukt natürlich nicht ersetzen. Ist auch gar nicht möglich, da Reprodukt verlegerische Arbeit macht und der Verein eher Organisationsfunktion haben soll.

Ist es denn einfach, sich als Indie-Comicverlag in Deutschland zu behaupten?

Einerseits ja, da es einige Leser gibt, die unsere Comics und unseren Umgang damit schätzen, die sich freuen, dass wir für einen kleinen Verlag eine recht große Auswahl an Titeln produzieren. Andererseits nein, da es schwer ist, mit Produktionen, die nicht unbedingt massenkompatibel sind, wirtschaftlich zu arbeiten.

Wie beurteilst du allgemein den Zustand der deutschen Comicszene? Fehlt es an Lesern und/oder Machern?

Im Allgemeinen finde ich die deutschsprachige Comicszene recht heterogen. Nachdem sich die großen Verlage wieder mehr darauf verlagert haben, Comics für eine breite Masse zu produzieren, haben viele Zeichner selbst die Initiative ergriffen und bringen ihre Arbeiten zum Teil im Eigenverlag heraus. Das bietet eine große Vielfalt an Geschichten, Stilen und Formaten. Dass es an Comic-Lesern mangelt, denke ich nicht. Vielleicht eher an der Zahl derer, die sich auch für künstlerische Comics interessieren.

Mangas finden im Moment reißenden Absatz. Haben solche Trends wie bei Mangas überhaupt eine merkbare Auswirkung auf euren Umsatz?

Der Manga-Boom ist durchaus ein großer, und wie sich in den letzten Jahren gezeigt hat, auch ein anhaltender. Auf unsere Umsätze hat das keine Auswirkungen, da sich die meisten Mangas so ziemlich in allem von unseren Geschichten unterscheiden. Im Prinzip finde ich es schon gut, dass heute so viele Kids Comics lesen, auch wenn Mangas nicht meinem Geschmack entsprechen. Leider kann ich nicht sagen, wie sich das Leseverhalten der jungen Leser verändert, wenn sie älter sind. Natürlich hoffe ich, dass unsere Comics später auch für die heutigen Manga-Fans interessant sein könnten. Wäre es so, läge da ein großes Verkaufspotential.

Comics finden von Zeit zu Zeit auch den Weg in die Feuilletons der großen Zeitungen. Haben Comics, die sich nicht primär an junge Leser wenden, inzwischen das Ansehen, dass viele seit Jahren einfordern im Sinne einer „Neunten Kunst“?

Das Medium Comic ist zu breit gefächert, als dass ich eine allgemeinverbindliche Aussage dazu machen könnte. Zumal es die Frage aufwirft, wo der Begriff Comic ansetzt. Für mich sind Comics Geschichten, die auf grafische Art erzählt werden. Ein Medium, das neben Literatur, Film und Musik eigenständig stehen sollte. Leider hat sich das noch immer nicht durchgesetzt.

Welche Comics liest du gerne, bzw. kannst Du empfehlen?

Natürlich kann ich insgesamt unsere Comics von Reprodukt empfehlen, da wir ausschließlich Geschichten herausgeben, die uns selbst auch gefallen. Sehr empfehlenswert finde ich das Comic-Magazin Strapazin, das vierteljährlich erscheint und sich immer unterschiedlichen Themen und Zeichnern annimmt. Zeichner, über deren Neuerscheinungen ich mich immer besonders freue, sind u.a. Daniel Clowes, Reinhard Kleist, Lewis Trondheim, Jordan Crane und Baru.

Was kann man denn in näherer Zukunft von REPRODUKT erwarten?

Recht frisch sind mit ‘Wald der Pfade’ von Frank Schmolke und ‘Spring!’ von Calle Claus zwei neue Hefte unserer R-24 Reihe erschienen. Noch im April kommt der vierte Band der ‘Black Hole’-Serie von Charles Burnes. Und zum Erlanger Comic-Salon im Mai wird es eine wortlose Geschichte einer jungen kanadischen Zeichnerin und einen neuen Band von Lewis Trondheim geben.

Vielen Dank für das Interview!