Ich bin gefangen von REMOVAL, seit ich sie das erste Mal sah. Sie haben mich einfach in ihren Bann gezogen und nicht mehr losgelassen. Nicht nur dass die Kanadier ihre Interpretation von Instrumental-Heavy/Punk fast bis zur Perfektion betreiben, sie haben auch über die Jahre eine Riege an Gastsängern ans Mikrophon gestellt, die jedem Punk- und Alternativliebhaber die Tränen in die Augen schießen lassen. Aber lest selbst, wen sie alles für ihre feine 7“-Serie im Studio versammelten, was der Drummer von NOMEANSNO im Keller von Bill treibt und warum es manchmal besser ist, keinen Sänger zu haben. Dieses Interview entstand über einen längeren Zeitraum per E-mail mit Gitarrist Bill Johnston sowie Drummer Ernie Hawkins, der auch bei den HANSON BROTHERS die Trommelstöcke schwingt.
Wenn ihr jemanden eine Beschreibung von REMOVAL geben müsstet, der eure Musik nicht kennt, wie wäre die?
Ernie: „Independent, heavy punk and metal.“
Bill: „Natürlich kein Gesang, aber ebenso wenig diese typische ‚instrumentale Musik‘. Wir sind nicht beeinflusst von Alleinunterhaltern und Wichtigtuern. Wir versuchen, den Menschen mit unserer Musik auch visuelle Ideen zu vermitteln und ein wortloses Gefühl zu schaffen. Offensichtlich gibt es da einen Haufen von 70er-Rock- und Metal-Wurzeln und einige modernere Ideen.“
Als ich euch im Frühjahr 2004 im Coffy zu Düsseldorf das erste Mal gesehen habe, war ich schon ganz schön beeindruckt von dieser mystisch energiegeladenen Atmosphäre, die ihr mit eurer Musik, den Soundeinspielungen und den Dias erzeugt. Nicht nur ich war ziemlich hypnotisiert, auch das Publikum war ziemlich von den Socken. Vor allem, dass Ernie neben dem Schlagzeugspielen auch die Dia-Show und die Sound-Samples steuert, war schon ziemlich beachtlich. Wer hatte die Idee von euch, diese verschiedenen Medien zu kombinieren?
Ernie: „Ich hatte die Idee mit der Dia-Show, die allerdings nicht neu ist. Das einzig ungewöhnliche ist nun mal die Tatsache, dass ich die Samples und die Dias steuere, während ich spiele.“
Einige von euren Dias haben sich besonders in meine Gehirnwindungen gebrannt ... Da sitzen ein Junge und ein Mädchen in einen Garten und spielen mit einem großen Revolver. Auf dem einen Bild hält das Mädchen dem Jungen den Lauf gegen die Stirn, auf dem nächsten hält sich der Junge den Lauf in den Mund, da musste ich schon schlucken.
Bill: „Das sind die Kinder von einem Kumpel von mir, das Foto hat meine Frau 1994 gemacht. Es war das Front-Cover für ‚After School Special‘, ein Indie-Release von einer anderen, älteren Band von uns. Nachdem immer mehr Schießereien in amerikanischen Schulen stattfanden, haben wir uns entschlossen, diese Fotos noch mal zu verwenden.“
Was wollt ihr mit euren Songs vermitteln? Da ist ja eigentlich kein Sänger, keine Texte, keine gesungenen oder gesprochenen Worte, außer die Samples und die Gastsänger, die eure Gedanken vermitteln könnten ...
Bill: „Da ist keine wirkliche Message, ich glaube, wir versuchen einfach, etwas anderes zu machen. Wir haben etwas entfernt, was viele andere Bands ruiniert. Wenn ein Drummer nicht Schlagzeug spielen kann und ein Gitarrist nicht weiß, wie eine Gitarre funktioniert, dann sollten sie auch besser nicht in einer Band spielen. Warum sollte ein Typ Sänger sein, wenn er einfach nicht singen kann und nicht interessant für das Publikum ist? Es gibt wenige gute Sänger da draußen, und wenn es nach meiner Nase gehen würde, dann hätten nur 2% der Bands einen Sänger.“
Ihr seid vor einigen Wochen durch Europa getourt. Wie war das für euch? Gab es besondere Vorkommnisse?
Bill: „Nun, an den meisten Orten, an denen wir auf der letzten Tour spielten, waren wir bereits, ausgenommen einige Konzerte in Italien. Und wie es immer ist, wenn du sechs bis sieben Shows die Woche spielst, manche Gigs sind einfach großartig und manche halt nicht. Aber wenn du an Orte zurückkommst, die dir bereits sehr vertraut sind, ist es einfach klasse, alte Freunde wieder zu treffen, mit ihnen zu sprechen und zu sehen, wie ihnen in der vergangenen Zeit ergangen ist. Wir genießen es, bei ihnen zu sein und zu sehen, wie es ihnen geht.“
Ernie: „Wir haben überall gespielt und die Offenheit und Vielseitigkeit der Europäer sehr genossen, und natürlich besonders das Bier.“
Wo sind die Unterschiede zwischen Kanada und Europa, ausgenommen, dass es mehr Platz in Kanada gibt? Viele Bands kommen ja sehr gern nach Europa.
Bill: „Klar, die Städte sind größer und enger zusammen als in Kanada, und generell lassen sich die Kanadier mehr vom Fernsehen und Computerspielen beeinflussen als von Musik. Eine ‚Musikszene‘ an sich gibt es nicht, so wie sie in Europa existiert. Die Leute dort achten die Musik und die Kunst mehr, als es die Kanadier tun. Die Veranstaltungsorte sind spendabler in Europa, und die Menschen, die sich für die Musik und die Kunst begeistern, wenden sehr viel Zeit auf, um diese Orte und Veranstalter zu unterstützen. Hier ist es oft so, dass die Clubs einfach abgerissen werden oder ständig umziehen müssen, weil sich mal wieder jemand überlegt hat, an dieser Stelle ein Einkaufszentrum zu bauen. Die Clubs hier haben einfach keine Möglichkeit, sich zu etablieren oder eine Identität aufzubauen.“
Ernie: „In Bezug auf REMOVAL behandeln die Leute die Bands besser, vielleicht bemerken sie den Wert der Musik und der Kunst mehr als in Nordamerika.“
Wie laufen die Dinge für REMOVAL? Ich glaube, ihr sucht gerade ein neues Label, wie weit seid ihr damit?
Bill: „Ja, das stimmt. Die Verhandlungen laufen. Nun, wir machen neue Songs, CDs und Platten und buchen weiterhin Touren. Ich denke, es läuft alles normal. Nach einer Weile nehmen die Ups und Downs größere Ausmaße an, aber im Moment gibt es keine besonderen Vorkommnisse.“
Ernie: „Wir sind arm, aber arbeiten hart, und touren durch Kanada und Europa im Frühling 2005. Wir kriegen ein großes Feedback, wo auch immer wir hingehen. Aber die Majorlabels penetrieren die Branche, es ist hart, gegen sie anzutreten. Trotz allem, REMOVAL wächst langsam, aber mit einem hohem Maß an Qualität.“
Sind die Mitglieder von REMOVAL in anderen Bands/Projekten aktiv?
Bill: „Also, da ist noch unsere andere ‚Band‘, die unbeschreiblichen SHITTY’S. Wir machen Songs über Bier, über’s Kacken und Vancouver.“
Ich kenne die SHITTY’S ja schon. Schöner rotziger Punkrock! Apropos Vancouver: Beschreibt doch mal eure Verbindung zu NOMEANSNO.
Bill: „Nun, zwei der Mitglieder haben in meinem Keller gewohnt, im Moment lebt John Wright hier. Er wird jetzt für ein paar Monate mein Bier brauen und auf mein Haus aufpassen, während ich auf Tour bin. Nun, unsere Verbindung würde ich so beschreiben, dass ich zurzeit hier der Boss bin. Sie haben unsere zweite CD ‚My Name Is Irrelevant‘ herausgebracht. Außerdem benutzten sie uns als Supportband und als Sandsack für die nächsten drei Jahre, einmal REMOVAL als Support für NOMEANSNO und die SHITTY’S für die HANSON BROTHERS. Ernie haben sie für die nächsten zwei Jahre an das Schlagzeug der HANSONS gesetzt. Im Moment trinken wir nur Bier zusammen.“
Wie waren die Reaktionen auf „The Strong Silent Type“? Was hat euch beeinflusst, diese CD zu machen?
Bill: „Gewöhnlich stricken unser Bassist Rob Clark und ich das Grundgerüst unserer Songs. Ausgefeilt werden sie dann, wenn wir proben oder in Bars spielen. Ich glaube, ich habe einige neuere Ideen beigesteuert, aber ausgearbeitet haben wir sie zusammen im Proberaum. Da nur eine Gitarre, ein Bass und ein Schlagzeug dabei sind, bekommt niemand gesagt, wann er was spielen soll. Es fließen drei Interpretationen zusammen und daraus entsteht der neue Song.“
Wer sucht die Samples aus? Sie klingen teilweise sehr alt.
Bill: „Ernie lebt in der Sample-Welt, manche Geräusche kommen vom Keyboard, Gitarre oder anderen Instrumenten, die durch mehrere Effekte verzerrt werden. Manche Dinge kommen von obskuren Platten, die du vielleicht in einem Garagen-Verkauf oder am Straßenrand im Müll findest. Je bescheuerter der Ort, desto besser der Fund.“
Erzählt mir etwas über euer Gastsänger-Projekt, wer hatte die Idee?
Nicht jede x-beliebige Band kann von sich behaupten, dass Rob Wright (NOMEANSNO), Joey Keithley (D.O.A.), Mike Watt (MINUTEMEN), Jonny Hanson (HANSON BROTHERS), Danko Jones und Chi Pig (SNFU) für sie gesungen haben. Was habt ihr ihnen erzählt, damit sie das für euch machen?
Bill: „Nun, es war auch die Idee von Chi Pig und Rob Wright. Wir spielten einige Shows zusammen mit SNFU und NOMEANSNO und beide Sänger meinten, nachdem sie unsere Songs mehrfach gehört hatten, dass ein paar Worte der Sache einen gewissen Reiz geben würden. Nicht zu vergessen, dass es uns einfach Spaß machen würde, alles aufzunehmen. Da uns ein Tonstudio zur Verfügung stand, in dem Ernie arbeitete, war es also auch kein Problem, den Gesang ohne zusätzliche Kosten aufzunehmen. Nach diesen beiden Aufnahmen dachten wir, es wäre nicht schlecht, die Songs auf Vinyl zu pressen, auch wahrscheinlich mehr zu unserer eigenen Unterhaltung. Wir überlegten uns, die Platten in kleiner Stückzahl zu verkaufen, um unsere Kosten zu decken. Von da an haben wir dann und wann Sänger gefragt, bei denen wir wussten, dass sie klasse Typen sind.“
Wer wird die neuen Platten Nummer 7 und 8 besingen?
Ernie: „Nummer 7 ist mit Snake von VOIVOD und die 8 ist mit Devin Townsend von STRAPPING YOUNG LAD.“
Kannst du dich noch an dein erstes Metal/Punk-Konzert erinnern? Diese Musikstile haben euch ja schon sehr beeinflusst.
Bill: „Mein erstes Konzert war 1983 IRON MAIDEN in Toronto. Ich erinnere mich noch ganz gut, dass ich es nicht glauben konnte, dass meine Eltern mich drei Tage lang zusammen mit meinen 16 und 17 Jahre alten Freunden 200 km mit einem schrottreifen, alten Auto fahren ließen. Vor allem, weil der letzte Tag dieser Tour genau der erste Tag an der Highschool war. Es war einfach verdammt gut.“
Wie sieht die Zukunft aus? Wann kommt ihr wieder nach Europa?
Bill: „Wir haben noch eine Menge B-Seiten für unsere 7“-Serie zu schreiben. Da es sehr schwierig für uns geworden ist, in die USA zu kommen, werden wir wohl eher wieder in Deutschland sein. Irgendwann 2005.“
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