Es war ein schöner, sommerlicher Samstagmittag Anfang September. Nichts ahnend saß ich daheim auf meinem Sofa, als das Telefon klingelte ... Ein Anfang, der klingt wie aus einem schlechten Horrorroman, aber ziemlich genau darstellt, wie unbeleckt ich in die nun folgende Geschichte hineingeschlittert bin.
Am Hörer hatte ich einen Freund, der mir vom vorherigen Abend erzählte. Er hatte in Hagen eine Hardcore-Show namens "Headshot-Festival" besucht, bei der als Headliner MAROON spielten, aber außerdem auch einige andere Bands auf der Bühne standen - darunter IN BLOOD WE TRUST und REDUCTION. Und bei diesen beiden schienen der Erzählung nach direkt mehrere unschöne Zwischenfälle passiert zu sein. So seien von Fans der Bands gezielt unbeteiligt am Rand Stehende, darunter auch kleine Mädchen, attackiert und ins Gesicht getreten worden. Außerdem hätten Musiker von REDUCTION sich von der Bühne herab mehrfach frauen- und schwulenfeindlich geäußert, sowie nach Ermahnungen seitens der Veranstalter eine Schlägerei mit den Türstehern begonnen. Auch seien vor der Tür der Location jugendliche "Emos" gezielt gewaltsam angegriffen worden. Und bei alledem seien Leute in T-Shirts mit der Aufschrift "RBS" besonders aufgefallen.
Das fand ich schon reichlich krass, also hab ich ein paar weitere Bekannte angerufen, von denen ich vermutete, dass sie beim "Headshot-Festival" waren - und bekam die Geschichte zumindest so ähnlich mehrfach bestätigt. Und immer wieder war von "Mitgliedern der RBS-Crew" die Rede, von denen allerdings niemand so genau wusste, was sie überhaupt sind oder darstellen wollen.
Jetzt war mein journalistischer Ehrgeiz geweckt und ich fing an, mich zunächst durch das Internet zu wühlen. In der MySpace-Community wurde ich schließlich fündig und las in einem (mittlerweile geänderten) Profil der "R.B.S. Crew": "In 1999 RBS was formed within the Hardcore-scene of the Ruhrpott, Germany. With the nessecary aggression and heart to change Hardcore to a movement of true soldiers and brothers, the new way of moshing, the new style moving away from punk towards hip hop, the new sound of hardcore being delievered through legendary bands such as COPYKILL, whole Europe felt an impact and got influenced by what RBS built up in the Ruhrpott Hardcore Scene. RBS was looked up to, loved, hated and feared all throughout Germany and beyond."
Durch diese Aussage fing ich nun an, mein Augenmerk auf die Gruppe COPYKILL zu richten, und stieß nach einiger Zeit auf ein Interview selbiger mit dem Magazin Flex Your Head aus dem Jahr 2001, in dem es unter anderem auch um das Thema RBS ging. Dort war folgende, interessante Textpassage zu lesen: "The RBS crew was originally found to piss people off and meant Ruhrpott Bollo Squad or Rowdy Barfight Style. That was a crew from the Ruhrpott but it broke up due to the lack of interest and sincerity of some people."
Mit dieser Erkenntnis ging ich ins Bett, um am nächsten Tag direkt mit einer massenweise versendeten E-Mail begrüßt zu werden, in der ich erfuhr, dass es parallel zu meinen Recherchen bei einer Show in Moers am vergangenen Abend - bei der auch wieder REDUCTION aufgetreten waren - angeblich zu ähnlichen Ausschreitungen wie in Hagen gekommen sei. Ich bemühte mich nun einige Tage, durch gezieltes Posten in einigen Foren, mir ein breiteres Bild zu verschaffen und vielleicht in Kontakt zu Leuten zu kommen, die tatsächlich mit RBS in Verbindung stehen. Binnen kürzester Zeit erhielt ich eine ganze Reihe Mails, in denen mir wieder die diversesten Vorwürfe mitgeteilt wurden - von der stetiger Schwulen- und Frauenfeindlichkeit (unter anderem wurde ich auf die RBS-nahe HipHop-Gruppe SMA hingewiesen, deren aktuelle Platte den Titel "Heterosexuell" trägt) bis hin zu so wirklich harten Brocken wie der Verwendung rechtsradikaler Symbolik in RBS-Kreisen.
Glücklicherweise bekam ich aber auch Kontakt zu zwei Menschen, die sich selbst als die beiden Initiatoren der "neuen" RBS-Bewegung vorstellten. Zum einen war dies Axel Gördes, Chef von Filled With Hate Records, zum anderen ein Mensch namens Marcel, der mit seinen Nachnamen leider nicht verriet. Beiden erklärten sich bereit, alle meine Fragen zur Sache zu beantworten. Daher schickte ich ihnen einen Fragenkatalog, auf den nach beinahe acht Wochen plötzlich und unerwartet Antwort kam.
Was ist RBS in euren Augen, also was möchtet ihr damit erreichen und bezwecken?
RBS ist ein europaweites Netzwerk aus konstanten Mitgliedern einer Subkultur der Hardcore-Szene. Der Zweck unserer Zusammenarbeit liegt darin, dass die aktiven Mitglieder dieser Szene, Labels, Bandmitglieder, Konzertveranstalter, Zinebetreiber, Roadies und so weiter, durch gegenseitige Unterstützung, die Musikrichtung, die Konzerte und alles, was damit zusammenhängt, wieder aufleben lassen wollen. Somit kann man sagen, dass RBS eine Gemeinschaft ist, die den Bands erleichtert, ihr Publikum zu finden, und umgekehrt. Mit RBS in Verbindung sind unter anderem in Deutschland CLOBBERIN TIME, SMA, EMBRACED BY HATRED, R.A.P., BROTHERS IN CRIME, REDUCTION, IN BLOOD WE TRUST, FALLBRAWL, DRM sowie in Europa zum Beispiel WHATEVER IT TAKES, THE BOSS oder OUTCAST.
Wie steht dies in Verbindung zum "ursprünglichen RBS", das meines Wissens nach von COPYKILL 1999 eher als Witz und Provokation ins Leben gerufen, aber bereits ein gutes Jahr später - wegen so ziemlich der gleichen Vorwürfe wie jetzt auch - wieder für beendet und vorbei erklärt wurde?
Die RBS hat sich '99 gegründet aus einer Clique aus dem Ruhrpott, die Musikgeschmack und den Lebensstil teilten. Die Weiterführung als Einheit schwächte sich aber wieder ab. Als Grund dafür kann man vielleicht sagen, dass damals für viele keine ernsthafte Idee hinter dem Namen/der Crew stand. Gegen Mitte dieses Jahres kam dann halt die Idee dieses Netzwerkes auf, und da immer noch viele der alten RBS als aktive Mitglieder der Szene fungieren, lag es nicht allzu fern, wieder die drei Buchstaben als Namen zu nehmen, um die Gemeinsamkeiten wieder fassbar zu machen.
Ich habe mittlerweile eine ganze Reihe von Langformen für das Kürzel RBS gelesen. Wofür steht es mittlerweile wirklich?
Wir haben für die Neugründung nicht lange nach einem Namen gesucht. Da eh wieder viele Leute der alten RBS-Mitglieder wurden, haben wir einfach das Kürzel von früher übernommen. Damals stand es für "RuhrpottBolloSquad". Diese Bedeutung ist aber allein dadurch, dass wir mittlerweile auch über die Grenzen des Ruhrpotts und auch Deutschlands hinaus zusammenarbeiten, hinfällig. Die Bedeutung der Buchstaben ist mittlerweile egal und es gibt auch dadurch, dass wir so viele unterschiedliche Individuen aus so vielen unterschiedlichen Bereichen Europas sind, schon zig Interpretationen. Im Endeffekt ist es auch egal, was die Buchstaben bedeuten, solange man versteht, wofür wir stehen.
Wie steht ihr zu dem Vorwurf, Leute mit RBS-Shirts würden auf Konzerten gezielt Unbeteiligte attackieren, treten und in Prügeleien verwickeln? Ist so etwas gewünscht und gebilligt?
Die Shirts gibt es seit Juli für unsere Mitglieder. Seitdem gab es allerhöchstens sechs Konzerte, auf denen RBS-Mitglieder anwesend waren. Und selbst auf diesen Konzerten haben RBS-Mitglieder eher Leute auseinander gehalten. Aber wir wollen mal nicht kleinlich sein und auf die wirkliche Frage eingehen, nämlich warum es in der Szene allgemein sehr schnell zu Gewaltausbrüchen kommt. Unserer persönlichen Meinung nach hat es viel mit dem Unwissen der Konzertbesucher zu tun. Auf Konzerten unserer Bands wird auf eine gewisse Art und Weise getanzt. Dies geschieht nicht erst seit gestern, sondern in Europa seit fast neun Jahren. In neunzig Prozent der Fälle geht so was gut. Die Veranstalter wissen, worauf sie sich einlassen, das Publikum ebenso und die Bands wissen, wie sie mit ihrem Publikum umzugehen haben. Stimmt einer dieser Punkte aber nicht, kippt das System und es kommt zu Auseinandersetzungen. Leute fühlen sich durch die Tanzweise attackiert, wodurch es dann halt zu Stress kommt. Das führe ich hauptsächlich auf inkompetente Veranstalter zurück, man kann solche Bands nicht auf ein Publikum loslassen, das von dem Thema absolut keine Ahnung hat. Viele Konzertbesucher lesen den Flyer und denken sich "Super, das ist wie bei SICK OF IT ALL. Dann kann ich mal fein 'ne Runde Pogo machen" und sind überrascht, wenn der Pogo dieser Musikrichtung doch anders ausfällt, als sie sich das vorgestellt hatten. Die RBS versucht, eine Szene aufzubauen. Das heißt ebenfalls, dass wir versuchen, Gewalt von unseren Konzerten fernzuhalten - unter anderem indem wir Präsenz zeigen. Aufgrund eines geschlossenen Entgegentretens wird potenziellen Stressmachern sehr schnell signalisiert, dass es auf unseren Shows keinen Sinn hat, Ärger zu machen. Aber wie gesagt: man kann das nicht für jeden Konzertbesucher oder -veranstalter garantieren.
Wieso werden gewaltverherrlichende, frauen- und schwulenfeindliche Äußerungen von Bands wie REDUCTION im Internet höchstens mit Statements wie "Wer auf unsere Shows kommt, muss damit rechnen" abgetan?
Dass REDUCTION ernsthaft schwulenfeindliche Texte oder Ansagen von sich geben, mag ich mal schwer bezweifeln, da der Onkel des Sängers selbst schwul ist. Wie ich bereits in der Frage vorher versucht habe zu erklären: Bands wissen meistens mit ihrem Publikum umzugehen, und das Publikum weiß, dass es die Ansagen mit Humor und auf keinen Fall ernst zu nehmen hat. Aussagen wie "Du Schwuchtel!" oder "Ach, du bist doch schwul" werden von Jugendlichen aller sozialen Klassen heutzutage tagtäglich benutzt. Es ist im Grunde schon ein etablierter Teil unserer Sprache, und ob man es gutheißen kann, für dumm und unreflektiert hält oder was auch immer - das liegt im Ermessen eines jeden Einzelnen. Aber ernst gemeinte Schwulenfeindlichkeit oder gar Hetze in diesem Kontext zu unterstellen, das ist dann doch übers Ziel hinaus geschossen. Ähnlichen Vorwürfen müssen sich ja auch Rapper und HipHopper stellen. Bekanntestes Beispiel ist wohl Eminem, der sich, um die Öffentlichkeit vom Gegenteil zu überzeugen, mit Elton John auf die Bühne gestellt hat. Weiterhin muss man dazu sagen, dass jede Band mit Mitgliedern der RBS immer noch individuell ist. Daher können die Meinungen bezüglich verschiedener Themen niemals konform sein. Das soll natürlich nicht heißen, dass es Bands bei uns gibt, die auch homophob oder rassistisch denken, sondern lediglich, dass bei jeder Band auf politisch korrekte Ansagen anders wert gelegt wird. Es ist ähnlich wie in der HipHop-Szene und ebenso auch in der Punkszene: Provokation gilt als Stilmittel des künstlerischen Ausdrucks. Wer dies nicht versteht, hat heutzutage ein sehr schweres Leben. Ob eine Band sich dieser Stilmittel bemächtigt, liegt dann aber bei dem jeweiligen Songwriter. Das Publikum unserer Subszene versteht im Allgemeinen die Intention.
Was ist von dem Vorwurf zu halten, RBS würde gezielt Symboliken und Phrasen aus extrem rechtsradikalen Kreisen aufgreifen, zum Beispiel die gekreuzten Zimmermannshämmer in Anlehnung an PINK FLOYDs "The Wall" auf RBS-Shirts - dieses Symbol dient auch als Erkennungszeichen der extrem rechten Hammerskins - oder aber auch die steten Statements gegen "p.c." - wie sie seit geraumer Zeit ebenfalls in Nazikreisen betrieben werden, zum Beispiel auf Aufklebern von der NPD?
Die gekreuzten, nach links gedrehten Hämmer sind das Zeichen der rechtsradikalen Hammerskins. Wenn die nach außen gekreuzten Hämmer wirklich ein rechtsradikales Symbol wären, dann müssten wir ganz schnell was gegen diese asozialen Fascho-Bergwerke machen! Mal im Ernst: wir kommen aus dem Ruhrpott, wir repräsentieren das auch, und was liegt da näher, als Symboliken aus dem Kontext der Kohlenindustrie zu benutzen? Man kann in jeden Scheiß komische Absichten hineininterpretieren, wenn man mit entsprechenden Vorurteilen an etwas rangeht. Keines der Mitglieder der RBS ist ein Rassist. Wir halten unsere Konzerte faschofrei und schätzen uns glücklich, dass wir hier im Pott auf unseren Konzerten nicht mit solchen Rechtsradikalen zu kämpfen haben. Wir haben Roma, Ungarn, Amerikaner, Kubaner, Belgier, sogar Holländer und was weiß ich wie viele unterschiedliche Nationalitäten in der RBS. Fremdenfeindlichkeit ist das letzte, was man uns vorwerfen kann. Des Weiteren ist die Adaption von Symboliken der Hardcore-Szene durch Neonazis eher lächerlich und absolut sinnfrei. Dies sollte man Kids heutzutage klarmachen. In der tendenziell eher links gerichteten Hardcore-Szene herrscht Zero Tolerance gegenüber Faschisten, wodurch eine Entwicklung wie beispielsweise in der Skinhead-Szene nicht möglich ist. Selbst der so genannte Hatecore, ein Name, unter dem Namen rechte Bands meinen Hardcore imitieren zu können, ist ein Begriff, der durch linksgerichtete Bands wie SFA geprägt wurde. Leider hat das niemand diesen Deppen erklärt.
Was weißt du davon, dass angeblich Leute aus dem Umfeld der im Zusammenhang mit den Shows in Moers und Hagen als "Übeltäter" beschuldigten - also RBS-Leute - andere Beteiligte - also Veranstalter - anrufen beziehungsweise ihnen Mails schreiben, in denen diesen zum einen gedroht wird, sie zu verklagen, wenn sie weiter ihre Sicht der Dinge publik machen - sie aber auch übel persönlich beschimpfen und bedrohen?
Nun ja, den Veranstalter in Moers könnt ihr nicht meinen, da derjenige ebenfalls ein RBS-Mitglied ist. Und die Aussagen der Veranstalterin in Hagen lass ich mal so im Raum stehen. Das komplette Konzert in Hagen strotzte nur so vor Inkompetenz seitens der Security und ebenfalls von den Veranstaltern. Dem Headshot-Team war durchaus bewusst, was für eine Art Musik IN BLOOD WE TRUST und REDUCTION machen, was sie für Publikum ziehen und was auf deren Konzerten abgeht. Sich im Nachhinein dagegen auszusprechen und das Ganze als asozial einzustufen, halte ich doch für sehr widersprüchlich. Aber im Endeffekt ist ja auch ihr Konzept aufgegangen: RBS-Mitglieder und -Supporter haben in großen Mengen das Konzert besucht, Eintritt bezahlt. Man muss sich das mal genau überlegen, was da abging: Der Veranstalter bucht eine Band, promotet diese als harte Toughguymoshband und spricht sich hinterher dagegen aus, dass auf deren Konzert dann auch die Menschen moshen wollen und die Ansagen nicht in das allgemeine Weltbild passen. Man muss sich mal deren Statement vorstellen, wenn die KASSIERER aufgetreten wären ... Ich habe bisher keine Mail von unseren Leuten gesehen, sondern lediglich von den Gerüchten gehört, die nach dem Konzert unter anderem auf MySpace gestreut wurden. Zum Glück haben sich diese nachweislich als absoluter Blödsinn entpuppt. Eine dieser Geschichten war, dass in Moers auf einem Konzert zehn RBS-Leute ein Mädchen brutal zusammengetreten hätten. Jetzt mal im Ernst und ohne solche Fakten, wie zum Beispiel, dass die Hälfte der Leute, die direkt beschuldigt wurden, zu dem angeblichen Zeitpunkt des Vorfalls überhaupt nicht mehr vor Ort waren, mit einzubeziehen: Wenn zehn "RBS-Gorillas" ein Mädchen brutal zusammengetreten hätten, was denkst du, wie lange die wohl gebraucht hätte, um aus der Intensivstation entlassen zu werden, um diese Story verbreiten zu können? Das Ganze war lediglich ein außer Kontrolle geratenes Stille-Post-Spiel von Leuten, die sich mit solchen Sachen ins Gespräch bringen wollen - oder nicht so recht wissen, was im Hardcore-Untergrund abgeht. Wie unsinnig ist es, von einer Veranstaltungsagentur die sich selber "Headshot" nennt, als Gewalt verherrlichende Gruppierung bezeichnet zu werden?
Danke für das Interview!
Danke für die Chance, uns zu äußern.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #70 Februar/März 2007 und Jan Eckhoff