THE RAZORBLADES sind mir zum ersten Mal vor fünf Jahren über den Weg gelaufen, als sie das Stuttgarter Zwölfzehn in Grund und Boden gerockt haben. Mit Melodien, für die andere Bands sterben würden, und einem Drive, der einen nicht stillstehen lässt, hat das Wiesbadener Surf-Trio mein Herz im Sturm erobert. Gegen diese geballte Power, die einem hier entgegenschlägt, sehen viele Punkbands, mit denen sie häufig die Bühne teilen, ganz schön blass aus. Eine richtig gute Surf-Band weckt in dir den Wunsch, auf der Stelle die letzte Kohle zusammenzukratzen und unmittelbar nach dem Konzert Richtung Südsee durchzubrennen! So lautete mein persönliches Fazit nach meinem ersten RAZORBLADES-Konzert. Ihr neues Album „Snapshots From The Underground“ nahm ich zum Anlass, mir von Bandchef und Gitarrist Martin aka Rob Razorblade etwas Nachhilfe in Sachen „kriminell gute Surfmusik“ geben zu lassen.
Ihr habt eure Musik mal als „21st Century Surf Music“ bezeichnet.
Viele Leute sehen Surf als abgeschlossene Epoche aus den Sixties. Wir nehmen das Genre eher als Ausgangspunkt und kombinieren das, was wir daran gut finden, also den twangigen Gitarrensound, die kurzen, melodischen Songs und die Energie, mit allen möglichen neuen Einflüssen. Wir versuchen, so die Surfmusik für das neue Jahrtausend fit zu machen. Wir wollen junge Leute für den Stil begeistern und nicht so sehr die Erwartungen der Retro-Polizei erfüllen. Wir sind also so etwas wie der „New Beetle“ der Surf-Szene, haha.
Seit ich euch kenne, wart ihr immer als Trio unterwegs. Die neue CD habt ihr aber zu zweit eingespielt, richtig?
Genau, die habe ich zusammen mit unserem Drummer gemacht. Ich habe nicht nur Gitarre gespielt, sondern auch den Bass, da die Bassposition derzeit live auf mehrere Leute verteilt ist, je nachdem, wer eben Zeit hat.
Was ist außerdem bei der neuen Platte anders als bei denen davor?
Wir haben versucht, ein extrem abwechslungsreiches Album zu machen und uns nicht durch irgendwelche Erwartungen einschränken zu lassen. Es gibt mehr Punkrock, mehr Gesang, mehr Nicht-Surf-Einflüsse. Insofern ist es vielleicht gar keine wirkliche Surf-Platte mehr. Was das Songwriting angeht, hab ich mich sehr von Musik aus meiner Jugend in den Achtzigernn inspirieren lassen. Wer will, kann THE CURE, DINOSAUR JR., SONIC YOUTH und Rowland S. Howard raushören.
Apropos Rowland S. Howard: Ihm ist auf der neuen Platte der Song „Blood on your suit“ gewidmet. Warum?
Ich habe die Bands, in denen er Gitarre gespielt hat, also beispielsweise THE BIRTHDAY PARTY, CRIME & THE CITY SOLUTION oder THESE IMMORTAL SOULS, in den Achtzigern viel gehört. Vor ein paar Jahren hat er dann ein neues Soloalbum rausgebracht, über das ich ihn wiederentdeckt habe. Leider ist er kurz nach dessen Erscheinen gestorben. Ich habe mir dann wieder den ganzen Backkatalog angehört, was mich sehr inspiriert hat. Mich beeindruckt sehr sein Gitarrensound, aber auch die Konsequenz, mit der da Musik gemacht wurde. Der hat bis ein oder zwei Monate vor seinem Tod noch Auftritte gespielt, obwohl er gesundheitlich eigentlich völlig am Ende war.
Ein anderer Einfluss in eurer Musik ist unüberhörbar Punkrock, ihr werdet deshalb oft zusammen mit Punkbands gebucht.
Ja, das hat sich in den letzten Jahren noch verstärkt. Auf den ersten Platten klang das alles noch surfiger als heute. Ich finde, dass Punkrock und Surf auch gut zusammenpassen. Bei beidem geht es um kurze Songs mit viel Energie. Außerdem gibt es beim Surf auch diesen D.I.Y.-Gedanken, dass man vieles selbst macht und eben nicht im Mainstream verankert ist. Die Surf-Szene hat ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl, so wie es die Punkrock-Szene teilweise auch hat. Das war schon in den Sechzigern so. Da bekamen die Surf-Bands keine große Unterstützung von Plattenfirmen und organisierten eben auf eigene Faust ihre Gigs und nahmen selbst ihre Platten auf.
Gab es überhaupt mal eine Zeit, in der Surfmusik Mainstream war?
Wirklicher Mainstream war das sicherlich nie. Ende der Fünfziger, nach der ersten Rock’n’Roll-Welle, war Instrumentalmusik eine Zeit lang in. Da gab es viele Hits, wie „Tequila“ von THE CHAMPS oder die Sachen von Duane Eddy. Und als Surf dann um 1962 herum aufkam, war das anfangs noch recht erfolgreich. Da gab es Songs, die in ganz Amerika gespielt wurden, und die man auch heute noch kennt. Aber danach war ziemlich schnell Schluss damit. Dann kamen THE BEATLES und aus Surf wurde Underground-Musik. Und so ist es bis heute geblieben.
Wir spielen jetzt das Spiel „Surfmusik für Einsteiger“: Welche drei Surf-Bands sollte man unbedingt gehört haben, wenn man sich für euren Sound interessiert?
Die erste Band, die ich in der Richtung gehört habe, waren FENTON WEILLS aus Köln. Das Album, das ich hier empfehlen kann, heißt „Cavalcade“. Das war für mich mit 18 der Einstieg in die Surfmusik. Dann sind mir in einer Rezension irgendwann SLACKTONE aus Kalifornien begegnet, mit Leuten, die unter anderem schon mit Dick Dale gespielt haben. Ansonsten würde ich natürlich noch ein „Greatest Hits“-Album von Dick Dale empfehlen.
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