Lange war Pause. Jetzt aber sind RANSOM aus Berlin wieder da und präsentieren mit „Caught Between The Devil And The Deep Blue Sea“ eine EP, die neben schönen Melodien auch ein paar wundervolle Anspielungen auf Popmusik und Filmkultur bereithält. Frontmann Jan Wirth erklärt, was es mit diesem Faible auf sich hat.
Ihr sagt im Info zum neuen Album, nach eurer ersten Platte 2003 sei euch das Leben mit „Berufen und so was“ dazwischengekommen. Aber andere Bands schaffen es ja auch, trotz widriger Umstände, trotz normaler Berufe, trotz Familie Alben herauszubringen und erfolgreich zu sein.
Ernsthaft, ich glaube, das hatte vor allem mit dem spezifischen Zeitpunkt zu tun. Da ist für uns vier vieles zum ersten Mal passiert und hat sich dementsprechend wichtig angefühlt. Wir haben in diversen Konstellationen weiter Musik gemacht, aber damals war es eine Frage von „Musik als Arbeit“ versus „Arbeit mit Musik“.
Was haben eigentlich all die schönen Flaggen auf dem Cover von „Caught Between The Devil And The Deep Blue Sea“ zu bedeuten?
Ganz einfach: Das sind Signalflaggen aus der Seefahrt, die Buchstaben R-A-N-S-O-M. Also die besten Buchstaben, die man mit Flaggen schreiben kann.
Der Albumname erinnerte mich sofort an den THE CURE-Song „From the edge of the deep green sea“. Ich als alter CURE-Fan muss fragen: Spielte das eine Rolle?
„Wish“ ist mein absolutes Lieblingsalbum von THE CURE! Auch wenn mir Puristen dafür wahrscheinlich eine knallen würden. Und tatsächlich: „From the edge of the deep green sea“ ist ein sehr wichtiges Lied für mich. Es heilt gebrochene Herzen und hinterlässt trotzdem eine schicke Narbe. Aber es hat mit dem Albumtitel nichts zu tun. Das Idiom selbst beschreibt ja eine Situation, in der man sich zwischen zwei Übeln entscheiden muss: die Pest-und-Cholera-Nummer. Und diese Situation kann einem ja wie ein permanenter Lebenszustand vorkommen. Daher aber auch das marine Thema des Covers.
Im Song „A timelife boxset“ erwähnt ihr „Zurück in die Zukunft“. Wie häufig habt ihr die Filme gesehen?
Wer in den Neunzigern ohne Streamingdienste, aber mit Kabelfernsehen aufgewachsen ist, hat die wohl unzählige Male gesehen. Grundsätzlich ist dazu zu sagen: Teil 1 ist der beste und man kann ihn nicht oft genug sehen. Er hat einen hohen Bildungsfaktor und einen bezaubernden Hauptdarsteller sowie die inspirierendste Gitarrensoloszene, die jemals gedreht wurde.
Ich muss diesen Film regelmäßig sehen und entdecke immer wieder neue Details. Gibt es Bands, die ihr so oft hört, dass ihr bei ihnen immer wieder Neues entdeckt?
Sich durch sämtliche Schichten der Wall of Sound von MY BLOODY VALENTINE durchzuarbeiten, das ist eine sehr langwierige und extrem schöne Aufgabe. Bei RIDE ist das ähnlich. Dann gibt es bei Hazel English einige Melodien, deren Größe man erst nach mehreren Durchgängen richtig schätzen kann. Bei VULFPECK wiederum kann man tausend verschiedene Spielarten entdecken, wie man funky und trotzdem cool sein kann. Und THE CLASH klingen für mich jedes Jahr anders.
Ihr habt überhaupt viele Anspielungen auf andere Bands und Popkulturverweise. Marvin Gaye kommt vor, NICKELBACK, JOY DIVISON, Death Metal.
Eine gesunde popkulturelle Bildung ist zwingend notwendig, um die Welt zu überstehen. Die Texte behandeln ja alltägliche Situationen und Gefühle. Da ist es fast schon schwer, diese Dinge aus den eigenen Beobachtungen ausschließen, weil sie uns durch den Alltag begleiten. So was hilft auch dabei, sich zu positionieren. Wenn ich etwa sage, dass ich NICKELBACK nicht mag, kann ich in einem kurzen Satz etwas ausdrücken, für das ich sonst vielleicht eine halbe Seite bräuchte. Man kann sich über solche Verweise so herrlich von anderen abgrenzen. Das ist in Zeiten von fehlenden Szeneuniformen und Megakapitalisten, die aussehen wie Nerds oder Hippies, recht wichtig.
Gibt es einen Künstler, eine Künstlerin, ein Genre, ein popkulturelles Themengebiet, über das ihr mal singen möchtet?
Über das komplett unterbelichtete, aber bezaubernde Genre Exotica. Und über das Konzept von Zeit im Film „Donnie Darko“. Und von dort nehmen wir dann eine Kurve zum besten Riesenhasen der Filmgeschichte in „Mein großer Freund Harvey“. Und wenn wir dann bei klassischem Hollywoodkino sind, gerne auch noch über den Einsatz homosexueller Männer als heteronorme Sexsymbole. Und dann könnte man auch noch über die Grandezza der MÜNCHENER FREIHEIT singen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #149 April/Mai 2020 und Frank Weiffen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #149 April/Mai 2020 und Frank Weiffen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #51 Juni/Juli/August 2003 und Stefan Klattenhoff