ÅRABROT

Foto© by Pål Laukli

Licht!

Das Künstlerpaar Karin Park und Kjetil Nernes alias ÅRABROT lebt die Musik extrem konsequent. Seit der Gründung 2001 in Haugesund an der norwegischen Westküste hat sich der Sound der Band, die lange Zeit auf dem von ÅRABROT-Gründungsmitglied Kristian Kallevik (seit 2003 nicht mehr in der Band aktiv) ins Leben gerufenen Label Fysisk Format veröffentlichte, konsequent entfernt von den harschen, noisigen, metallischen Sounds der Frühzeit. Seit 2018 veröffentlichen ÅRABROT auf dem Berliner Label Pelagic Records von THE OCEAN-Mastermind Robin Staps, und haben sich nicht nur räumlich weit von ihrem Ausgangspunkt entfernt: Kjetil und Karin sind ins ländliche Schweden übersiedelt, verwirklichen ihre musikalischen Ideen nun in einer ehemaligen Kirche, die Studio- und Wohnraum gleichermaßen bietet. Ihr neues Album „Of Darkness And Light“ entstand dort, und Kjetil beantwortete meine Fragen dazu.

Kjetil, habt ihr so etwas wie einen künstlerischen „Masterplan“, eine Strategie? Oder „passiert“ vieles einfach, während ihr an einem Album arbeitet?

Wir leben unser Leben und arbeiten an unserer Kunst, der Rock’n’Roll-Musik. Das ist kein Hobby oder etwas, das wir in unserer Freizeit machen. Es ist ein Lebensstil, der mich und Karin und sogar unsere Kinder einschließt, da wir ja gemeinsam in dieser alten Kirche leben und arbeiten. Von Album zu Album ist der Schwerpunkt immer ein wenig anders. Dieses Mal hatte ich das Bedürfnis, einige persönliche Dinge aufzuarbeiten, die schon lange überfällig waren. Vor einigen Jahren wurde ich schwer krank und wäre fast gestorben. Dass ich das überlebt habe, war eine unglaubliche Erfahrung und ich lebte lange Zeit in einem Hochgefühl. Aber als die Jahre vergingen und die Dinge wieder einigermaßen normal wurden, merkte ich, dass es bestimmte Themen gab, mit denen ich mich auseinandersetzen musste. In „Of Darkness And Light“ geht es um diesen Prozess, der in vielerlei Hinsicht ein positiver ist. Ich komme auf der anderen Seite stärker und besser heraus.

Kannst du uns auf eine Reise in eure musikalische Vergangenheit mitnehmen, von den Anfängen bis heute?
Als wir anfingen, ließen wir uns inspirieren von einer Mischung aus dem Grunge der Neunziger Jahre, mit dem wir aufgewachsen sind – wie HELMET und NIRVANA und MELVINS –, und den Punkbands, auf die wir damals standen – BIG BLACK, BLACK FLAG und MINOR THREAT. Aber wir hatten gerade die neue Welt von CAPTAIN BEEFHEART AND HIS MAGIC BAND entdeckt, die unseren Horizont erheblich erweiterte. Von da an bewegten wir uns zu einer ganz anderen Vielfalt an Musik: die großartigen Post-Punk-Bands PERE UBU, WIRE, PUBLIC IMAGE LIMITED, zeitgenössische klassische Musik wie von Arne Nordheim und Johann Johannsson und sogar härtere Bands wie MINISTRY. Ich liebe auch bestimmte experimentelle HipHop-Bands wie CLIPPING und Jazz-Klassiker wie Miles Davis und John Coltrane. All das, einschließlich Karins Sensibilität für Pop und Elektronik, ist Teil dessen, was ÅRABROT heute ausmacht.

Ich finde es interessant, wie sich die Musik von ÅRABROT von sehr harter Musik zu fast schon Pop entwickelt hat. Wie sieht deine Lernkurve aus?
Ich denke, jeder, der Popmusik mag, wird die Musik von ÅRABROT wie eine Rasierklinge empfinden, die sich in dein Ohr bohrt! ÅRABROT hatten sich so entwickelt, wie Karin und ich uns als Menschen entwickelt haben. Es ist jetzt musikalisch viel differenziert als früher. Für mich ist es sehr schwer, gute, eigenständige Songs zu schreiben, und es erfordert viel Arbeit. Ich habe Jahre damit verbracht, mich darauf zu konzentrieren, eindeutig zu sein. Ich denke, dass diese Differenzierung sowohl beim Songwriting als auch bei der Produktion der Grund dafür ist, dass unsere Musik jetzt zugänglicher wirkt als früher. Ein großes Lob gebührt an dieser Stelle unserem Produzenten Alain Johannes, der einen bemerkenswerten Job gemacht hat.

Formt ihr eure Kunst oder formt eure Kunst euch ...?
Ich glaube, es fängt damit an, dass wir unsere Kunst formen und diese Kunst dann uns langsam formt. Es ist ein Prozess des Gebens und Nehmens.

Lass uns über Provokation sprechen. Kannst du dich an das erste Mal erinnern, als du persönlich etwas getan hast, das eine (un)erwünschte Reaktion bei jemand anderem hervorgerufen hat?
Damals, als wir noch eine demokratisch organisierte Punkband waren, waren die Dinge noch ganz anders. Ich kann nicht für die drei anderen Mitglieder der Gruppe aus dieser Zeit sprechen, aber ich habe erlebt, dass es sehr leicht als fragwürdig, manchmal sogar als provokant angesehen werden kann, über den Tellerrand zu schauen. ÅRABROT sind von Natur aus schwer zu kategorisieren und wir finden uns schnell zwischen den Stühlen wieder, sowohl musikalisch als auch thematisch und sogar in der Art, wie wir uns präsentieren. Ich habe nicht die Absicht zu provozieren, außer vielleicht zum Nachdenken anzuregen, aber ich bin sehr darauf bedacht, mir meine eigenen Gedanken über die Dinge zu machen und nicht den vorgegebenen Regeln zu folgen. Es kommt wirklich darauf an, dass es an manchen Stellen sehr heikel sein kann, an anderen überhaupt nicht. Wir haben eine von BLACK FLAG inspirierte Serie von EPs gemacht, die in den USA viele Fragen aufgeworfen hat, aber in Großbritannien als ikonisch gefeiert wurde. Sogar unser Kirchenkreuz hat bei manchen Leuten Reaktionen hervorgerufen. Vor kurzem hat mich jemand zur Rede gestellt, weil unser Kreuz nicht auf dem Kopf steht: „Ein Kreuz richtig herum, wie kannst du es wagen?!“

Der Albumtitel „Of Darkness And Light“ bezieht sich angeblich auf Nietzsche. Welche Gedanken und Ideen stecken dahinter?
Ich habe den Nietzsche-Titel als Hommage an Zarathustras Idee von einem „grundsätzlichen Ja zum Leben“ verwendet, das seinen Weg zu einer erfüllteren Version seiner selbst beschreibt. Das Album hat nichts mit Nietzsche oder seinem Werk zu tun, ich finde nur, dass es ein guter Titel ist, der meinen persönlichen Prozess beschreibt, in dem ich versuche, bestimmte Dinge zu überwinden und daran zu arbeiten, wie ich es vorhin schon beschrieben habe. Das Album erzählt auch die Geschichte von meinem und Karins Leben in unserem Kirchengebäude, zum Beispiel in dem Song „Cathedral light“.

Man erkennt an eurem Album eine eigene gestalterische Handschrift. Das fängt bei eurer Kleidung an und setzt sich in den Fotos fort. Welche Ideen stecken dahinter?
ÅRABROT sind Karin und ich. Wir sind weiß gekleidet, ich habe einen großen Hut auf und Karin trägt ein Kleid – es sind tatsächlich die Sachen, in denen wir geheiratet haben. Der Hut ist inspiriert von dem weisen Mann in Jodorowskys Film „Holy Mountain“. Wir leben mit unseren Kindern in der Kirche, in der wir geheiratet haben, und unser Kreuz ist das alte Kreuz an der Kirchenwand. Die Fotos und Musikvideos handeln alle davon. Wir versuchen, Rock’n’Roll zu predigen, unsere eigene spezifische Art von Rockmusik. Unsere Inspiration kommt aus unserer Platten- und Büchersammlung. ÅRABROT ist im Grunde eine Erweiterung, eine Fortführung unseres Lebens, nur leicht überzeichnet.

„Love is the law“, singt ihr in „Love under will“. Ein Grundprinzip, wenn man als Paar eine gemeinsame Band hat ...?
Das Lied habe ich eigentlich für Sebastian Bach geschrieben, dem früheren Frontmann von SKID ROW. Ich wurde gebeten, etwas zu seinem neuen Album beizutragen, hatte aber keine Ahnung, wonach Sebastian Bach suchte, also dachte ich, es würde Spaß machen, zwei rockige Kracher zu schreiben, die auf Aleister Crowley basieren. Einer dieser Songs ist „You cast long shadows“ und der andere „Love under will“. Beide wurden von Sebastian Bachs Management umgehend abgelehnt.