PUNK UND FUSSBALL IN WIEN

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Die Ausstellung - Punk. No One Is Innocent

Das Endspiel - EM Finale 2008 Spanien- Deutschland

Zum Halbfinale Spanien-Russland verabredete ich mich mit zwei ehemaligen Vorarlberger Punk-Dudes auf der Seebühne Bregenz, von wo aus das ZDF das Spiel kommentiert. Dies sozusagen als Aufwärmung für das Endspiel im Ernst-Happel-Stadion in Wien. Als das Gespräch auf die Ausstellung "Punk. No One Is Innocent" in der Kunsthalle Wien kam, fällt auch der Name des Kurators Thomas Miessgang. Dabei stellt sich heraus, dass er ein Jugendfreund der beiden aus Bregenz war und bei der Gruppe PLUHD-ZUCKER und ab 1980 bei der Wiener New Wave-Band RADICAL CHIC als Bassist spielte.



Bei dem Wort "Punkausstellung" ist man ja dazu geneigt eher skeptisch zu reagieren. Doch mit diesen Infos im Gepäck und dem Sieg der Spanier über die Russen, fahre ich erwartungsvoll mit dem Nachtzug nach Wien. Zur Aufklärung muss hier noch erwähnt werden, dass ich schon einen Termin mit Thomas Miessgang hatte. Es geht darum, dass Swisspunk die Finissage zu der Ausstellung am 7. September bestreiten könnte. Schon bei der Ankunft am Wiener Westbahnhof sind die riesigen Plakate zur Ausstellung nicht zu übersehen. Das dafür gewählte Foto der Punk-Ikone "Soo Catwoman" würde mich noch die gesamte Zeit in Wien begleiten. Geil, war sie doch eines meiner Pin-Up-Phantasien in frühen Jahren.

Schon beim betreten der Ausstellung wird man mit verschlüsselten Botschaften konfrontiert. Ganz unauffällig klebt in einer unteren Ecke die Abbildung einer Ratte, die der auf der ersten STRANGLERS-LP "Rattus Norvegicus" zum Verwechseln ähnlich sieht. Diese Ratte taucht immer wieder in der Ausstellung auf, und man erfährt später in der Ausstellung, dass die Künstlerin Christy Rupp 1979 durch den großen Müllstreik in New York zu der Arbeit "The Rat Patrol" inspiriert wurde. Die Künstlerin platzierte eben diese Rattenbilder, dem emblematischen Tier der Punkbewegung, an Häuserwänden und interpretierte das Symbol als ein Zeichen widerständiger Überlebensenergien. Als nächstes steht man vor einem riesengrossen Schwarz-Weiß-Foto. Auf dem sieht man eine dreckige Hand, in der eine Dollar Münze liegt. Gegenüber diesen Fotos werden schwarz/weisse Dias der Ramones auf die Wand projeziert. Alles klar, es geht um Arturo Vega, das "fünfte" Mitglied der RAMONES. Ihm wird viel Platz in der Ausstellung eingeräumt, jenem Mann, der nach dem Tod von dreien der vier Bandmitglieder heute

den Nachlass der Band verwaltet. Vega wurde am 16. Mai für einen Vortrag in die Kunsthalle nach Wien eingeladen. Laut Kurator Thomas Miessgang kamen zirka 20 Pappnasen, um ihn zu sehen ... Ich möchte hier dazu ein kurzes Zitat von Arturo anbringen: "Die RAMONES sind insgesamt 2263 Mal aufgetreten. Ich hab zwei Konzerte versäumt. Ich konnte wirklich nicht kommen: die Bullenprotokolle beweisen das."

Danach stösst man zur grossen Ausstellungshalle vor. Nach dreimaligem Besuch muss ich sagen, die Ausstellung ist gut, sogar sehr gut. Anhand der drei Metropolen New York (mit Vito Acconci, Lynda Benglis, Richard Hambleton, Richard Kern, Robert Longo, Ann Magnuson, Robert Mapplethorpe, Mark Morrisroe, Tony Oursler, Christy Rupp, Alan Vega, Arturo Vega, Dasvid Wojnarowicz), London (Leigh Bowery, Derek Jarman, Linder, Malcom McLaren, Genesis P-Orridge, Jamie Reed, Jonny Rozsa, John Savage, Vivienne Westwood, Stephen Willats, Cerith Wyn Evans, Bill Woodrow) und Berlin (Elvira Bach, Jörg Buttgereit, EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN, Luciano Castelli, endart, DIE TÖDLICHE DORIS, Manfred Jelinski, Walter Gramming, Hormel & Bühler, MALARIA/Mania D, Martin Kippenberger, Maye & Rendschnidt, Notorische Reflexe, Salomé, Wolkenstein & Markgraf, Yano Yo), für mich klar nachvollziehbar, also nicht L.A., Manchester oder Hamburg, wird das Phänomen Punk aufgezeigt. Die Ausstellungsmacher zeigen weniger die musikalische Seite des Punk, die ja nachhaltig weiterwirkt, sondern das Spiel mit Ikonografien und mit kunstimmanenten Bezügen, die Geisteshaltung einer konsequenten Negation, die einen Raum für Möglichkeiten öffnete. Es wird aufgezeigt, dass Punk eine ästhetische Behauptung von Radikalität war, die sich vor allem als Revolution manifestiert und mit einer Do-it-yourself-Ästhetik produktive Irritation stiftete. Die Ausstellung umfasst neben bildender Kunst auch historische Artefakte, sprich Flyer, Plattencovers, Manifeste und Fotodokumentationen, sowie typische Stil-Embleme, die als gentischer Code des popkulturell verschlüsselten White Riot bis in die Gegenwart spürbar sind.

Zum Schluss nochmal zum Fußball. Am Abend des ersten Tages verabredete ich mich mit Franz Bröckel, dem ehemaligen Sänger und Gitarristen der ersten Österreichischen Punkband THE G.A.Y. (später CHAOS). Durch seine Kontakte verbrachte ich einen abenteuerlichen Sonntag, der mich zum Endspiel in den spanischen Block im Stadion führte. Und der krönende Abschluss war dann ein kühles Bier beim Walfisch im Prater. Lurker

Weitere Infos unter kunsthallewien.at - empfehlenswert ist auch der Katalog zur Ausstellung sowie die Finissage am 7. September, organisiert durch Swisspunk.