PUNK-TRADITIONEN – Teil 15

Foto

Iro

„Sag mir, wo die Iros sind, wo sind sie geblieben?“ Einst waren Punks in Großstadt-Fußgängerzonen schon wegen ihrer bunten Irokesenhaarschnitte ein beliebtes Fotomotiv bei Tourist:innen aus der Provinz – und erstaunlich zahlreich.

Der eine und die andere forderten für die Model-Tätigkeit auch mal nachdrücklich ein paar Mark. Und auf Punk-Konzerten konnte man noch bis weit in die Neunziger sowohl vor wie auf der Bühne fast immer jemand mit einem solch auffälligen Kopfschmuck sehen. Und heute? Keine Iro-Punks mehr in den Fuzos, kaum mal eine:r im Konzertpublikum, und auf der Bühne auch nicht. Der Iro, den man im englischen Sprachraum als Mohawk (oder Mohican) kennt, hat also einen Nachfrageeinbruch unter punkaffinen Menschen erlitten. Ob es daran liegt, dass er in seiner „Taxi Driver“-Variante (der junge Robert De Niro im Filmklassiker von 1976), also abrasierte Seiten und nur recht kurze Haare und keine bunten 20-cm-Stacheln, irgendwann in den Nullern von Fußballern entdeckt wurde und – ohne rasierte Seiten – auch von migrantisch geprägten Subkulturen? Der mit Directions papageienbunt gefärbte Haarstreifen, in bis zu 30 cm langen Stachel- oder „Scheiben“-Form gebracht mittels Tonnen von Haarspray, ist aber definitiv fast ausgestorben – zu den Gründen liegen keine aktuellen Studien vor, da wäre die Forschung gefragt. Könnte aber in einer männlich geprägten, alternden Szene auch am mangelnden „Nachwuchs“ erkahlender Szenegänger liegen. Wobei einst aber auch viele Punk-Frauen sich entsprechend styleten. Immer schon verachtet wurde der „Schlappiro“, ohne Haarspray herunterhängendes Haar. Fachleute unterscheiden zudem Varianten wie „Fauxhawk“ (siehe Schlappiro), „Dreadhawk“ oder auch „Deathhawk“. Anders als Dreadlocks steht der Iro (bislang nicht) unter dem Vorwurf der „kulturellen Aneignung“, auch wenn er einst zumindest namensmäßig von den nordamerikanischen Ureinwohnern der Iroquois respektive Mohawk „geborgt“ wurde. Doch bei 2000 Jahre alten Mumien wurde der Haarschnitt ebenfalls entdeckt und auch Mitte des 20. Jahrhunderts war der Iro schon vor Punk verbreitet: unter GIs und Jazzern.