PUNK NET – Gen Z entdeckt Subkultur

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Diesmal: Keine Macht den „industry plants“!

Dass Gen Z und Generation TikTok zusammen mit Lilhuddy jetzt Pop-Punk für sich entdeckt haben, ist beim letzten Mal schon geklärt worden. Es überrascht nicht, dass Labels und Unternehmen das Ganze auch als Chance sehen, „industry plants“ zu kreieren, die mit scheinbar perfekter Marketingstrategie daherkommen und den Vibe der Gen Z verkörpern wollen. Dass das nicht immer gut geht, haben TRAMP STAMPS bewiesen.

Was kann schon schiefgehen, wenn man seine Musik auf TikTok promoten will, vor allem dann, wenn man in seinen Songs darüber singt, wie sehr man es hasst, mit heterosexuellen Männern rumzumachen? Ist ja schließlich ganz im Sinne der „I hate men“-Gen Z. Dachten TRAMP STAMPS zumindest, als sie einen Ausschnitt ihres Songs „I’d rather die“ auf TikTok hochgeladen haben. Es brauchte nicht lange, bis Hass-, Cancel- und Aufdeck-Videos tausende von Likes bekamen und die drei Frauen als „industry plants“ bezeichneten. TikTok-User:innen warfen dem Trio vor, sich als eigenständig und unabhängig zu präsentieren, während sie eigentlich ein Label im Rücken haben. Wie sonst konnten sie so schnell eine so hohe Reichweite auf TikTok und einen professionellen Internetauftritt generieren?

Das Aneignen der „Punk-Kultur“ und der E-Girl-Ästhetik, indem sich die drei Frauen mit bunten Haaren und alternativer Kleidung im y2k-Sinne präsentieren, war aber nur die Spitze des Eisbergs. Schnell folgten darauf größere Probleme und „Enthüllungen“ durch Twitter-Threads und Reddit-Posts. Der Vorwurf „industry plant“ beruhte nicht mehr nur auf dem Aussehen und fehlendem Wissen um alternative Künstler wie EVANESCENCE und MY CHEMICAL ROMANCE, wie sie in einem TikTok-Video bewiesen, das auch schnell wieder runtergenommen wurde, sondern stützte sich auch darauf, dass die Band wohl bereits bei einem Label unter Vertrag stand.

Gut, als Band bei einem Label unter Vertrag zu stehen, ist wohl kaum Grund genug, jemanden zu canceln. In einer Erklärung, die auf Instagram mittlerweile gelöscht wurde und sich an die „Hater“ richtete, stellte die Band klar, ihr eigenes Label gegründet zu haben – Make Tampons Free (eine von vielen Floskeln, zu denen wir gleich noch kommen). In dem Post schrieben sie auch, dass ihr eigenes Label durch AWAL (Artists Without A Label) vertrieben wird. AWAL gehört wiederum zur Kobalt Music Group, zu der auch Produzent Dr. Luke gehört, gegen den Sängerin Kesha 2014 wegen sexueller Belästigung Klage eingereicht hat. Puh. Und schon gibt es einen Grund, die Band zu canceln!

Aber mal abgesehen davon, ob sie nun „industry plants“ sind oder nicht, ist ihre Marketingstrategie ordentlich nach hinten losgegangen. Die einleuchtende Idee, sich die Emo-Ästhetik der 2010er Jahre anzueignen, ist nicht besonders schlau, wenn man weder MY CHEMICAL ROMANCE noch EVANESCENCE kennt. Und vielleicht wären sie mit ihrer Ästhetik noch als authentisch durchgegangen, wenn sie ihr fehlendes Wissen nicht in einem TikTok-Video zur Show gestellt hätten. Als Zielgruppe Teenager und junge Erwachsene zu haben, die mit PARAMORE großgeworden sind, und dann nichts über Bands dieser Szene zu wissen, ist wie zu einer Convention zu gehen und nicht den Unterschied zwischen „Star Wars“ und „Star Trek“ zu kennen.

Genauso wie das Wort „toxic“ mittlerweile für gefühlt alles missbraucht wird und damit schon fast seine Bedeutung verliert, scheint „industry plant“ auf einem ganz ähnlichen Weg zu sein. Plötzlich steckt hinter allem und jedem eine Verschwörung, eine „industry plant“. Kann man TRAMP STAMPS vorwerfen, schon vor ihrem Band-Debüt in der Musikindustrie aktiv gewesen zu sein? Wohl kaum. Sollte man sie deswegen canceln und ihnen Morddrohungen schicken? Auf keinen Fall. Stattdessen darf ihre Musik gerne weiter sachlich kritisiert werden, vor allem bei all den Gen Z-Floskeln, die die Band in ihren Songs unterbringt – von „make tampons free“, zu „daddy issues“ bis hin zu „straight white man“ ist leider alles dabei.

Vielleicht hätte TRAMP STAMPS ernsthafte Popularität bei der Gen Z erreichen und sich Lilhuddys „Pop Punk Revival“ anschließen können, anstatt die Marketingkampagne komplett zu verkacken. Lilhuddy hat es geschafft, den jungen Leuten auf TikTok glaubhaft zu verkaufen, pop-punk und authentisch zu sein, während TRAMP STAMPS ihre Zielgruppe offenbar unterschätzt haben. Sie dachten, sie könnten die Gen Z mit ein paar Floskeln, bunten Haaren und y2k-Fashion ganz einfach um den Finger wickeln, stattdessen hagelte es Dislikes und Hasskommentare.