Punk Art #7

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Mario Turiaux

In dieser Artikelreihe stellen wir Menschen aus der Punk- und Hardcore-Szene vor, die sich im weitesten Sinne grafisch betätigen und Poster, Flyer und Cover gestalten. Diesmal sprachen wir mit Mario Turiaux, den man auch von dem von ihm mitbetriebenen Label Rockstar Records kennt.

Bitte stell dich vor: Name, Alter, Beruf, Szeneaktivitäten, wie und wann zu Punk/Hardcore gekommen?

Ich bin Mario aus Aachen, 1980 geboren und Illustrator und Grafikdesigner aus Spaß und wegen der Kohle. Ich zeichne gerne, seit ich mich erinnern kann, und höre seit der Pubertät gerne Punk. Beides so Sachen, für die man sich ja nicht unbedingt bewusst entscheidet – das macht Bock, davon will man mehr. Also fängt man an, Konzerte zu organisieren, Fanzines zu machen, Bands oder Labels zu gründen oder sich sonst irgendwie zu vernetzen. In meinem Fall war es mit Band und Fanzine mangels Talent irgendwann mal genug. Konzerte und Label aber kann jeder, das mache ich noch heute mit ein paar Freunden, wie es die Zeit eben zulässt. Flyer, Poster, Logos, Plattencover gestalten, das waren immer Aufgaben, die oft an mir hängenblieben. Dann kam irgendwann die Zeit, in der sich jeder was zum Geldverdienen suchen musste. Abgesehen davon, dass es ja verpönt war, mit „Szeneaktivitäten“ Geld zu machen, war mit Punkbands, kopierten A5ern oder D.I.Y.-Konzerten auch nur in den seltensten Fällen was zu holen. Während andere also ihre KFZ-Mechaniker-Ausbildung anfingen oder Lehrer wurden, konnte ich mit Illustrationen und Grafikdesign einfach weitermachen. Reich – nach westlichen Maßstäben – werde ich damit eher nicht, aber ich komme über die Runden und freue mich auch, während der Arbeit Musik zu hören oder Bier trinken zu können.

Wie arbeitest du? Klassisch mit Papier und Farbe oder digital am Rechner?
Bis letztes Jahr habe ich Bleistiftzeichnungen am Leuchttisch mit Tusche durchgezeichnet und das Ganze nur gescannt, um es für den Siebdruck vorzubereiten oder eben digital zu verwenden. Tablets fand ich allein vom Handling her immer echt kacke. Jetzt wurde mir eins dieser Obst-Pads unter die Nase gehalten und ich bin leider echt begeistert. Es wird wahrscheinlich nicht leicht, aber ich möchte unbedingt auch wieder zur alten Technik zurück. So genial und praktisch das digitale Arbeiten auch ist, ich vermisse die großformatigen Originalzeichnungen, die kleinen Unperfektheiten, und ein bisschen Seele geht natürlich auch verloren.

Bist du Autodidakt oder kannst du auf eine klassische künstlerische Ausbildung verweisen?
Ich habe 2001 zwar Design studiert, und ganz spurlos wird es vielleicht nicht an mir vorbeigegangen sein, aber wie gesagt, der Drang zu zeichnen war schon immer da. Und mit dem, was ich heute mache, beispielsweise Siebdruck, bin ich währenddessen auch kaum in Kontakt gekommen.

Hast du Vorbilder, welche Stile beeinflussen dich?
Vorbilder im Sinne von „So will ich auch sein!“ habe ich nicht unbedingt, ich bin ja Punker. Aber klar, es gibt schon einige Spezialisten, bei denen ich ins Schwärmen gerate. Und schaut man sich Sachen von Jim Phillips, Alex Ziritt, Munk One, Bill Watterson, Johnny Crap, Hieronymus Bosch, Daniel Clowes, James Barf Callahan, Pushead, Robert Crumb, VCJ, Ron English, Ed Roth oder Rockin’ Jelly Bean an, wird man erkennen, woher mein „Stil“ zusammengeklaut ist. Wenn mehr dahintersteckt als die perfekte Technik und man die investierte Leidenschaft erkennt, die Authentizität, dann packt es mich. Das gilt im Übrigen nicht nur für Kunst. Mich inspirieren aber weniger bestimmte Künstler oder Kunstgeschichte als viel mehr alles, was um mich herum passiert. Ich stehe auf laute Musik, Arcade, Graffiti, Achtziger-Horrorfilme, Palmen, das Mad-Heft, Sticker, Frank Drebin, Totenköpfe, kalte Getränke, alte Fotos, nette Leute, Skateboarding, Konzerte, Logos, Schallplatten und all so was. Ich denke, das fließt alles irgendwie in meine Zeichnungen ein.

Gibt es deine Kunst zu kaufen? Falls ja, in welcher Form – Originale oder Drucke? Wie und wo? Und was muss man dafür ausgeben?
Bei mir türmen sich die Siebdrucke in allen Ecken. Leider bin ich in den letzten zwanzig Jahren nicht dazu gekommen, einen Shop einzurichten. Deshalb gibt es die Sachen meist nur auf Konzerten, in ein paar kleinen Läden von Freunden oder mal auf Ausstellungen. Man kann sich aber bei Interesse jederzeit über alle modernen und veralteten Kanäle bei mir melden und Poster bestellen. Ich freue mich immer über persönlichen Kontakt und preislich werden wir uns einig, versprochen.

Arbeitest du völlig frei oder auch im Auftrag? Etwa für Bands oder Konzertveranstalter?
Ich nehme gerne Aufträge an, davon lebe ich ja hauptsächlich. Sachen, bei denen ich mich stilistisch verbiegen müsste, würde ich ablehnen. Die Leute wissen aber meistens, worauf sie sich einlassen, und insofern arbeite ich schon sehr frei. Konzertposter beschränken sich leider hauptsächlich auf selber gebuchte Veranstaltungen, haha. Zu den Illustrationen kommen aber auch noch klassische Grafikdesign-Aufträge und bei denen bin ich weniger wählerisch.

Was ist mit Ausstellungen? Gab es welche, wird es welche geben? Wann und wo?
In Aachen gibt es ein ganz gutes Netzwerk von Designern, Streetart und klassischen Künstlern, hier trifft man sich oft auf kleineren Ausstellungen. Ansonsten tue ich mich mit den Begrifflichkeiten manchmal schwer: Ab wann bezeichnet man sich als Künstler, wo verläuft die Grenze zwischen Galerie, Ausstellung, Convention oder Messe? Meine Sachen konnte man oft im Rahmen der Kustom Kulture, auf diversen Gruppenausstellungen, auf Konzerten oder auch bei der Kaiserstadt Tattoo Expo sehen. Wenn man mich fragt und ich mich dort wohl fühle, sage ich zu. Außerdem gibt es seit ein paar Jahren den Zusammenschluss der „Posterkrauts“. Die Idee einiger kluger Köpfe war und ist es, die deutschsprachige Gigposter-Szene etwas zu pushen, und auch darüber ergeben sich viele Möglichkeiten, Konzertposter international auszustellen.

Was gibt dir deine Kunst emotional?
Es ist ähnlich wie mit der Musik. Für mich ergibt sich damit ein Weg, parallel zur „normalen“ Gesellschaft, zusammen mit Gleichgesinnten, mein eigenes Ding durchzuziehen, ausgetretene Pfade zu verlassen und dabei auch noch eine gute Zeit zu haben. Ein gutes Konzert, eine neuentdeckte Band, eine lange gesuchte Platte oder eben die Fertigstellung einer Illustration – das ist alles befriedigend. Ich bin auch Fan von klarer politischer und moralischer Haltung. Was andere vielleicht in Songtexte oder Kolumnen packen, kann ich in meine Bilder einfließen lassen. Reichweite und Effekt seien in beiden Fällen mal dahingestellt, aber es ist ja auch Hirnhygiene.

Welchen Künstlerkollegen würdest du gerne auch mal in dieser Artikelserie im Ox sehen?
International zum Beispiel alle oben genannten. Für den deutschsprachigen Raum findet man wie gesagt auf posterkrauts.de eine tolle Auswahl. Ich mag Michael Hackers Stil und seine liebevoll-stupiden Motivideen, siehe michaelhacker.at

Deine Website?
Auf meiner Seite fancyartclub.com bekommt man zwar einen Eindruck meiner Arbeit. Wie das heute so ist, gibt es auf Instagram und Facebook allerdings wesentlich aktuellere Bilder.