War 2015 ein gutes Jahr für laute Musik aus dem hohen Norden? Und wie stehen PSYCHOPUNCH aus Västerås in Schweden eigentlich zum Jazz? Sänger und Gitarrist JM (redet viel) gab gemeinsam mit Schlagzeuger Jocke (redet wenig) Einblick in das Innenleben seiner Band.
2015 war offensichtlich ein großartiges Jahr für schwedischen Rock’n’Roll: Ihr hattet ein neues Album. REFUSED hatten eines. THE BONES hatten eines. Kennt ihr die Platten der Konkurrenz?
JM: Nein, bislang noch nicht. Wir hatten einfach zu viel mit unserer Platte zu tun. Wir haben 2015 so lange im Studio zugebracht wie nie zuvor.
Das neue Werk „Sweet Baby Octane“ ist also von der Entstehung her das schwierigste Album in eurer Bandgeschichte?
JM: Wir haben zumindest noch niemals so viel Arbeit in eine Platte gesteckt wie dieses Mal. Es ging nur ums Ausprobieren. Das haben wir dieses Mal häufiger getan. Wir haben zum Beispiel vor den Aufnahmen viel mehr als sonst mit akustischen Gitarren gearbeitet, um das Album möglichst vielseitig klingen zu lassen. Und ich habe beim Singen vieles versucht.
Ihr kommt aus Västerås. Das ist die Stadt, in der es interessanterweise das erste Jazzmuseum Europas gibt. Habt ihr das mal besucht?
JM: Nein. Noch nie. Jazz ist nicht unsere Welt. Der ist zu verkopft. Oder warst du schon einmal da drin, Jocke?
Jocke: Nein.
Eure Welt ist der Rock’n’Roll – und zwar mit allem, was dazu gehört: laute Gitarren, Partys, Frauen, Autos, Alkohol. Ich habe diese Frage schon euren befreundeten Kollegen CARBURETORS gestellt, die musikalisch ähnlich aufgestellt sind wie ihr: Könnte Rock’n’Roll ohne diese Klischees auskommen?
JM: Ich meine: Nein. Du brauchst diese Klischees, wenn du Rock’n’Roll machst.
Manche Leute, gerade aus der Punk-Szene, mit der ihr ja durchaus verbandelt seid, verdammen diese Klischees allerdings ...
JM: Ja, aber wir wollen definitiv keine Texte schreiben mit politischen Inhalten. Wir sind keine politische Band. Wir sind Typen, die das Leben genießen und feiern wollen. Und das soll sich auch in unserer Musik widerspiegeln. Ich denke, dass es am wichtigsten ist, sich in seinen Songs mit dem eigenen Leben, mit dem Alltag auseinanderzusetzen – und dazu gehört nicht unbedingt Politik. Zudem soll und muss die Musik für sich stehen.
Wer ist die Dame, die in eurem Song „Forever a day“ mitsingt?
JM: Das ist Claire von Stitch, eine gute Freundin aus Deutschland. Sie hat selber mal in einer Band gesungen, ist heutzutage aber eher in Sachen Mode unterwegs. Sie ist toll, oder?
Absolut. Ihr solltet euch überlegen, sie dauerhaft zu verpflichten.
JM: Das hatten wir. Aber sie hat, glaube ich, keine Zeit.
Apropos Deutschland: Was fällt euch ein, wenn ihr daran denkt?
JM: Nur Gutes! Wir haben eine Menge Freunde bei euch und sind häufiger mal dort – auch wenn wir gerade nicht auf Tour sind.
Welche Stadt ist euer persönlicher Hotspot?
Jocke: Hamburg, würde ich sagen. Hamburg ist wunderschön.
Wie sieht es in Västerås mit der Rockszene aus?
JM: Es gibt eine ganze Reihe Bands, aber leider nur einen Club, in dem Konzerte stattfinden. Wenn wir da als Lokalmatadore fünfmal hintereinander spielen, ist der Laden fünfmal hintereinander ausverkauft. Das sagt schon alles, haha.
Es gibt auf eurem neuen Album einen Song, der inhaltlich aus dem – ich nenne es jetzt mal so – „Klischee-Party-Schema“ ausbricht: „Masquerade“. Dessen Text klingt beinahe traurig. Nach jemandem, der sich versteckt vor dem Leben. Um was geht es da genau?
JM: Es ist interessant, dass du diesen Song erwähnst. Wir haben die Musik geschrieben und dann gemeinsam in einer Kneipe darüber sinniert, was für ein Text sich dafür anbieten würde. Er sollte sich tatsächlich anders anhören als die anderen Stücke. Es geht darin um Menschen, die sich nicht trauen, zu dem zu stehen, was sie sagen. Sie reden viel, aber tun nichts. Sie verstecken sich. Und das ist nicht ehrlich. Im Rock’n’Roll sollte man immer zu dem stehen, was man macht.
Ein anderer Song heißt „Drinkin’ alone“. Wann habt ihr euch zum letzten Mal alleine betrunken?
JM: Ich habe das getan, als ich Songs für die Platte geschrieben habe. Wenn ich etwas trinke, dann kommen mir bessere Ideen. Solange man das unter Kontrolle hat und nicht übertreibt, funktioniert es hervorragend.
JM, du redest auffällig viel im Vergleich zu Jocke. Das wirft die Frage auf: Gibt es bei euch in der Band einen Chef, der das letzte Wort haben muss?
JM: Ich bin der Diktator!
Jocke: Haha, das stimmt!
JM: Nein, ernsthaft: Jeder bei uns hat das Recht, seine Meinung zu sagen. Und das ist wichtig. Demokratie in einer Band ist unumgänglich! Ein Song wird bei uns erst aufgenommen, wenn alle davon überzeugt sind. Anders würden wir nicht funktionieren.
Es gibt Leute, die sagen, dass die Skandinavier die besseren Rock’n’Roller dieser Welt sind. Was sagt ihr dazu?
JM: Das ist eine gemeine Frage! Wir haben zwar eine Menge gute Bands hier, die aus Schweden, Norwegen und Finnland kommen. Aber ob das die besten sind? Auf uns mag das zutreffen, aber auf andere? Ich weiß nicht, haha.
Immerhin habt ihr überlebt, im Gegensatz zu Kollegen wie HELLACOPTERS und GLUECIFER, die sich aufgelöst haben, oder TURBONEGRO, von denen kaum noch Neues kommt ...
JM: Ja, weil wir wirklich lieben, was wir tun! Und weil wir es als Familie lieben. Das hört sich natürlich nach einem – da ist es wieder! – Klischee an. Aber es ist so. Es ist wichtig! Jeder respektiert den anderen. Jeder nimmt Rücksicht. Und das ist vielleicht – ohne die Hintergründe bei den genannten Bands genauer zu kennen, wohlgemerkt! – nicht in allen Bands der Fall.
Jocke: Außerdem schreiben wir wie verrückt Songs. Wir haben immer neue Stücke am Start. Die ganze Zeit über.
Das nächste Album ist also schon so gut wie fertig?
Jocke: Fast, haha.
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