Auch schon mal gehört, diesen einfühlsamen, konstruktiven Ratschlag? Geht erst mal arbeiten, ihr Kaputten, damit ihr mal lernt, worum es im Leben wirklich geht! Aber gerne doch, mag man sich dann denken, aber nur, wenn es nicht heißt, für aufgetriebene Mini-Cäsaren den Leibeigenen mimen zu müssen; nine to five on the factory-floor oder im Call-Center eures Misstrauens. Eine Alternative zur Lohnsklaverei ist da: sicherlich die zwar eher schlecht bezahlte, dafür jedoch wunderbar freie Selbstausbeutung mittels eigenem Unternehmen in der Szene, der man sich zugehörig fühlt. Sei es das Label, die Booking-Agentur oder eben Design, wie es sich z.B. die Jungs von Propaganda Promotion in den Businessplan geschrieben haben. Hier das e-Mail-Interview mit Florian Radke, einem der beiden Macher und einigen unter euch sicher auch als Drummer von ZSK bekannt.
Seit wann gibt es Propaganda Promotion, und wer verbirgt sich dahinter?
Offiziell, das heißt mit Gewerbeeintrag usw., gibt es Propaganda Promotion seit Oktober 2000. Die Arbeit mit Web- und Printdesign ist aber schon seit 1997 ein Hobby von mir gewesen. Ich habe mich schon immer für gutes Punkrock-Design interessiert und war begeistert wenn ich eine neue Punk- oder HC-Platte gekauft habe, die ein aussagekräftiges und gutes Design hatte. Hinter der ganzen Sache stecken ich und mein Bruder Joshi, der Sänger von ZSK. Angefangen haben wir damit, Designs für unsere eigene Band, also Tourposter, Webdesign und Platten-Cover zu entwerfen und haben uns von Anfang an selber in die ganze Materie hineingearbeitet. Im Moment ist Joshi aber nicht wirklich in die kreativen Arbeiten involviert, sondern kümmert sich mehr um das ganze Management, die Abrechnungen und gibt mir gute Ratschläge.
Was bietet Propaganda und wie arbeitet ihr?
Propaganda Promotion bietet professionelles Print- und Webdesign, größtenteils für HC und Punk bezogene Projekte, Firmen usw.. Zum Beispiel für Fanzines, Bands, Record-Label, Promo- und Booking-Agenturen, aber auch Firmen wie VANS oder Hurley Intl. Wir arbeiten mit mehreren sehr guten Künstlern und Fotografen zusammen, die uns mit ihren Ideen und Materialien versorgen. Das Konzept und die Umsetzung wird dann von uns verwirklicht. So entsteht bei jedem Auftrag, den wir kriegen, ein ganz individuelles Konzept und Design, das genau auf das Image der Bands oder der Firmen abgestimmt ist.
Welche Motivation steckte hinter der Gründung?
Die Gründung von Propaganda Promotion war eigentlich eine mehr oder weniger spontane Idee, die uns gekommen ist, als wir durch die Arbeit mit unserer eigenen Band gemerkt haben, dass es sehr wenige professionelle Agenturen gibt, die wirklich wissen, worauf es bei Design im HC/Punkrock Bereich ankommt. Außerdem ist Punkrock und das ganze Drumherum ja im Grunde unser Leben, und wenn du gerne Designs machst, machen wir das natürlich für die Szene, aus der wir auch selber kommen.
Gab und gibt es Vorbilder, sowohl, was das Business als auch die Ästhetik betrifft?
Vorbilder in unserem Bereich kennen wir eigentlich nur sehr wenige. Aber von der Idee her, ehrliche Arbeit von der Szene für die Szene zu machen, ohne dabei nur an den Profit zu denken, dafür gibt es schon einige Beispiele, wie Subcity Records (amerikanisches Label, das ausschließlich Benefiz-Platten rausbringt) oder die vielen kleinen und grossen DIY-Fanzines.
Wer zählt zu eurem tatsächlichen und potenziellen Kundenkreis?
Gearbeitet haben wir schon für VANS, M.A.D-Tourbooking, AGNOSTIC FRONT, ZSK, Coretex, Supersonic Records, Gun, IGNITE, ZOLI BAND, SHELTER, US BOMBS, ANGELIC UPSTARTS und eine Menge mehr. Außerdem arbeiten wir zur Zeit an vielen neuen Projekten, unter anderem an einem Webdesign für ROGER MIRET & THE DISASTERS, der neuen Band von Roger von AGNOSTIC FRONT, oder für eine Kreuzberger Metallwerkstatt, die professionell Filmkulissen herstellt. Potenzieller Kundenkreis ist alles, worauf wir Lust haben und wozu wir persönlich einen gewissen Bezug haben. Ein Webdesign von Propaganda Promotion für McDonald´s, den Bundestag oder die Bullen wird es also nie geben.
Gibt es eine Arbeit unter euren bisherigen Designs, an der euch besonders viel liegt?
Die VANS- Seite für die IGNITE Tour und natürlich die M.A.D.- Seite www.mad-tourbooking.de.
Angenommen der allmächtige Dollar winkt - werdet ihr weich für sagen wir Nike, Siemens oder Sony ? Wie sieht euer diesbezügliches Selbstverständnis aus? Kommerz, Punk, DIY, Unity, Sell-Out...?
Eigentlich passen so fette Firmen nicht in unser Konzept und schon gar nicht welche, die von Kinderarbeit, Umweltverschmutzung und Ausbeutung der Arbeiter profitieren. Das Angebot von VANS hat uns damals gereizt, weil damit erstens die Tour von IGNITE, die gute Freunde von uns sind, promotet wurde und weil mit dem Konzept der Tour auch dicke Spenden von VANS an „Ärzte ohne Grenzen“ verbunden waren. Sowas unterstützen wir sehr gerne, auch wenn VANS natürlich eine grosse und profitorientierte Firma ist. Die Sache ist aber auch, dass wir ab und zu für grössere Firmen arbeiten und Kohle verdienen, so dass wir dann die Möglichkeit haben andere Projekte für Gruppen und Initiativen, die uns interessant und unterstützenswert erscheinen, etwa Antifa, Tierrechtsgruppen und weitere staatsfeindliche/ linke Sachen, umsonst zu machen. Wir machen das ja auch, weil es uns Spass macht, und weil wir persönlich alternative Subkultur für wichtig halten. Die Gefahr, dass irgendwann das Geld lockt und du mit deinen eigenen Prinzipien brichst, gibt es immer. Wir denken aber, dass uns das nicht so schnell passieren wird. Mit Sicherheit wird Propaganda Promotion mit der Zeit immer grösser werden und dann nicht mehr 100% DIY sein können, aber wir werden sicherlich nicht eine von den riesigen, hinterhältigen Firmen sein, die ihre Kunden verarschen und dann der CDU noch ein paar Millionen für den Wahlkampf in den Arsch schieben.
Könnt ihr von eurer Arbeit leben?
Wäre schön wenn, ist aber natürlich nicht so. Wir arbeiten/studieren nebenbei alle. Um von Propaganda Promotion jetzt schon leben zu können, hätten wir von vornherein mit einem anderen Konzept an das Ganze rangehen müssen. Bei der Gründung der Firma haben wir auch zu keiner Zeit ernsthaft daran gedacht, dass wir davon vielleicht mal leben könnten. Mittlerweile haben wir uns das aber als nächstes Ziel gesetzt.
Wie sieht eure Zukunftsplanung aus?
Wir machen einfach weiter wie bisher. Aufträge haben wir genug und Ideen auch, im Büro gibt es kühles Bier und solange es noch Punkkonzerte gibt, wird es auch noch Propaganda-Promotion geben.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #44 September/Oktober/November 2001 und Ulf Imwiehe