PROLLHEAD

Wenn eine Band bereits seit sieben Jahren die Republik bereist und gerockt hat, drei Longplayer veröffentlichte, darunter auch einen richtigen Hit landete und nicht zuletzt durch hervorragende Texte und Coverartwork auf sich aufmerksam machte, bedarf es eigentlich keiner Einleitung zu einem Interview. Nur soviel: wer die beiden Begriffe "Hamburg" und "Rockmusik" zusammen benutzt, wird zwangsläufig über PROLLHEAD stolpern. Diese Band verliert sich nicht in leeren Rockstarposereien und hat es auch nicht nötig, ständig darauf aufmerksam zu machen, dass keiner so sehr rockt wie sie. PROLLHEAD leben ihr Ding ganz einfach. In diesen Tagen erschien nun das neue Album "Neue Alte" auf dem Rostocker Dröönland-Label. Was liegt also näher als die sympathischen St. Paulianer einmal zwecks Interview zum Gespräch zu bitten. An einem regnerischen Novembertag traf ich mich mit Basser und Sänger Andi sowie dem Gitarristen Marc. Nicht dabei waren Trommler Rudi Naomi und die beiden Sängerinnen und Tänzerinnen Natascha und Riikka, die sogenannten "Prollettes".

Zuerst bitte ein paar Worte zur Bandgeschichte.


Andi:
"PROLLHEAD gibt es seit 1993. Zwischendurch hat die Band drei Jahre nichts gemacht, bis wir im letzten Jahr unsere neue Platte "Neue Alte" aufgenommen haben, die jetzt überall im Handel erhältlich ist."

Es gab auch Änderungen in eurer Besetzung?


Andi:
"Das stimmt. Die Besetzung ist relativ neu. Im Jahre 1996 hat ein Wechsel am Schlagzeug stattgefunden. Es spielt seit dieser Zeit Rudi Naomi bei uns Schlagzeug, Gott sei Dank. Wir sind jetzt nur noch zu dritt, weil irgendwann der Gitarrist ausgestiegen ist. Daraufhin ist Marc vom Bass an die Gitarre gewechselt und ich sing jetzt und spiele Bass. Wir haben also anstatt jemand neues in die Band zu holen, der wieder nur Geld und Platz im Bus kostet, beschlossen, das Ganze im kleinen Kreis zu halten."

Aber eure Sängerinnen habt ihr auch noch?

Andi: "Die haben wir auch noch. Das sind nach wie vor die Prollettes. Natascha ist fast von Anfang an dabei und Riikka mittlerweile auch schon rund sechs Jahre."

Mit der neuen Platte gab es auch wieder ein neues Label. Die wechselt ihr ja mit jeder Veröffentlichung.

Andi: "Ja und nein. Unser Vertragspartner ist eigentlich bei allen drei Platten der gleich, nämlich die Vielklang Musikproduktion aus Berlin, die die erste Platte selbst veröffentlicht haben, die zweite an Sony lizensierten und die dritte jetzt an Dröönland."

Also kann man nicht direkt vom Wechsel aus dem Underground zum Major und wieder zurück sprechen?

Andi: "Wenn man will, kann man das. Es war halt die klassische Geschichte, die schon vielen Bands widerfahren ist. Wir haben mit unserem ersten Album ja so eine Art Erfolg gehabt und sind dann, wie es in dieser Haifischbranche so üblich ist, mit durchaus nennenswerten Summen geködert worden. Allerdings waren wir so schlau, uns durch einen Flop diesen Machenschaften zu entziehen, und somit mit einem blauen Auge da wieder rauszukommen."

Und jetzt seid ihr bei Dröönland aus Rostock gelandet.

Andi: "Ja. Und das hat wirklich seine Vorteile. Wann immer einer Geld von einem will, kann man sagen, man ist bei einem Ostlabel, und der hält sofort die Schnauze und stellt sogar noch ´n Bier auf den Tisch."

Auf dieser Platte habt ihr unter anderem TURBONEGRO gecovert.

Andi: "Ja, weil wir die, und speziell deren letzte Platte, so toll finden. Wir haben es auch sehr bedauert, als die sich aufgelöst haben. Daraufhin haben wir uns überlegt was man mal von denen covern könnte und sind eigentlich recht schnell auf "Good Head" gekommen."

Selbiges Lied haben ja die LOKALMATADORE auf ihrer aktuellen Platte auch gecovert.

Andi: "Ja, aber die haben das ja auf Kegeln umgemünzt, wogegen wir das, wie es so unsere Art ist, eher eins zu eins ins Deutsche übersetzt haben. Demnächst wird es auch einen Tribut-Sampler für TURBONEGRO geben, und da ist unser Song dann mit drauf."

Seht ihr Parallelen zwischen euch und eben den LOKALMATADOREN ? Kann man sagen, dass ihr das, was die für den Ruhrpott sind, hier für den Norden seid?

Andi: "Eigentlich geht es bei uns weit übers "gepflegte Asitum" hinaus. Ich kenne jedoch auch nicht allzuviel von den LOKALMATADOREN. Aber das, was ich kenne, finde ich sehr lustig. Ich würde sagen, wir decken da ein wesentlich weiteres Spektrum ab als nur das der LOKALMATADORE. Wie soll ich das sagen? Wir beschäftigen uns halt mit sehr vielen Aspekten der Rockmusik, die wir verarbeiten. Außerdem sind wir durchaus eine Band, die auch intellektuelles Publikum ansprechen könnte, wenn es denn überhaupt zuhört. Ab und an tauchen mal einige Intellektuelle auf unseren Konzerten auf, was uns auch weiter nicht stört. Wir sind da sehr tolerant und haben eigentlich für jeden, der nicht gerade einen total beschissenen Musikgeschmack hat, etwas im Programm."

Aber alleine durch den Namen "Prollhead" sprecht ihr ja ein bestimmtes Klientel an.

Andi: "Das liegt daran, dass wir mit der Band ein bißchen unsere frühe Jugend aufarbeiten, die in der zweiten Hälfte der 70er Jahre lag. Da sind sowohl die musikalischen Wurzeln, als auch unser Outfit zu finden."
Seht ihr euch denn als reine Retroband, die ihre Einflüsse ausschließlich aus der Vergangenheit zieht ?

Andi: "Nein, eigentlich nicht. Allerdings ist musikalisch in den letzten zehn Jahren so wenig interessantes, nämlich gar nichts, passiert, was lohnenswert wäre, sich damit zu beschäftigen."

Damit könntest du recht haben. Nebenbei spielt ihr ja auch noch in der Band PUNKLES, bei der ihr ja noch weiter in der Zeit zurückgeht als bei PROLLHEAD.

Andi: "Das ist dann eher unsere musikalische Kindheit. Wir sind halt alle BEATLES-Fans und haben uns damals, um die Pause bei PROLLHEAD zu überbrücken, überlegt, BEATLES-Songs im RAMONES-Stil zu covern. Das haben wir dann einfach mal ausprobiert, und es ist mehr daraus geworden, als wir angestrebt hatten. Eigentlich hatten wir vor, damit nur ein paar mal in und um Hamburg auf Partys zu spielen. Und dann haben wir es doch bis nach Liverpool geschafft, womit ein weiterer Kindheitstraum in Erfüllung gegangen ist."

Wie kam das zustande?


Andi: "Wir haben da eine CD hingeschickt, die riefen uns zurück, und wir sind dann dahin gefahren. Das hat großen Spaß gemacht. Ich meine, BEATLES-Coverbands gibt es Tausende."

Marc: "In Liverpool ist ja einmal im Jahr die BEATLES-Week, wo hunderte von Bands spielen. Von den spanischen über die mexikanischen BEATLES bis zu den Klassik-BEATLES. Aber so konsequent "punkig" hat das bisher noch keiner durchgezogen."

Andi: "Wir bekamen auch völlig unterschiedliche Reaktionen auf das Konzert. Der Veranstalter meinte, er habe noch nie soviel Post bekommen, positiv wie negativ. Es fühlten sich aber weniger auf den Schlips getreten als wir befürchtet hatten."

Läuft die PUNKLES-Geschichte denn jetzt noch weiter, wo ihr mit PROLLHEAD wieder aktiv seid?

Andi: "Ja, doch. Wir werden in absehbarer Zeit neue Aufnahmen machen, die für eine Split-Platte mit einer japanischen Band Anfang nächsten Jahres gedacht sind. Der Vorteil bei den PUNKLES ist halt, dass es die Stücke schon gibt und man nur noch gucken muss, wie man sie spielt."

Ihr trennt die beiden Bands aber schon von einander?

Andi: "Ja, definitiv. Es wird keine BEATLES-Songs im PROLLHEAD-Programm geben und umgekehrt. Wir verkleiden uns bei den PUNKLES ja auch mit BEATLES-Perücken und Anzügen. Das ist also schon eine ganz andere Sache."

Gibt es denn auch aktuelle Musik aus Hamburg, die euch gefällt?

Andi: "Es gibt da eine Garagenband aus irgendeinem Hamburger Vorort, die heißen THE BEASTS und machen CRAMPS-Sound mit deutschen Texten. Die sind auch alle noch sehr jung. Ich mag auch TIGER BEAT. Die haben jetzt auch noch eine Orgel dabei, was für die Band noch einmal ein großer Schritt nach vorne war. Wer fällt mir denn noch ein ? Es soll ja aktuell sein, sonst würde ich jetzt die RATTLES nennen."

Mit TIGER BEAT sprichst du ja eine Band an, die genau wie deine zweite bzw. dritte Band NIXON NOW eine Single beim Hamburger Fanboy-Label rausbrachte. Erzähl mal was zu NIXON NOW.

Andi: "Das ist so eine STOOGES-Band, die wir auch noch nebenbei machen. Auch da haben wir gerade eine neue Platte aufgenommen. Das macht auch sehr viel Spaß.. Es ist eben Musik von Fans für Fans."

Reden wir noch ein wenig über Hamburg und seine Szene. Du betreibst mit dem "Molotow" auf der Reeperbahn einen der letzten "echten" Live-Clubs der Stadt. Erzähl doch noch mal etwas dazu.

Andi: "Hauptsächlich kümmere ich mich inzwischen oben um die "Meanie Bar". Das Booking fürs Molotow habe ich mittlerweile aus der Hand gegeben. Insgesamt sehe ich die "Live-Situation" in Hamburger tatsächlich relativ schlecht. Aber das ist in anderen Städten auf keinen Fall besser als hier. Die Klagen sind überall gleich. Es gibt immer weniger Clubs. Das liegt einfach daran, dass das Interesse nicht größer geworden ist und die Anzahl der Leute, die das hören wollen erst recht nicht. Sicher gab es früher mehr Clubs, aber halt auch mehr Publikum. Das wird daran liegen, dass Musik nicht mehr so einen Stellenwert hat wie früher. Erstmal gibt es aufgrund der rückläufigen Geburtenrate immer weniger junge Leute. Dann gibt es für die wenigeren jungen Leute viel zahlreichere Angebote. Die können heutzutage Skateboard fahren, Videospiele daddeln oder generell sporten. Als ich jung war, war Sport etwas für Spacken. Heute ist das allerdings angesagt. Darüber hinaus gibt es auch viel mehr Musik. Da sind zum einen die ganzen alten Bands und dann die neue Musik mit all ihren Sparten. Das alles zusammen läßt die Situation speziell auf dem Live-Sektor nicht besonders gut ausschauen."

Wie wichtig ist euch denn der Stadtteil St. Pauli mit seinem Kiez, auf dem ihr ja zu Hause seid?

Andi: "Ja, wir wohnen dort und arbeiten eigentlich auch alle da. Desweiteren gibt es ja auch noch den Fußballverein, zu dessen Fans wir uns ebenfalls zählen und demnächst auch eine FC St. Pauli-Single bei Bitzcore veröffentlichen werden. Alle vier Songs dieser EP werden mit Fußball zu tun haben oder und mit St. Pauli. Musikalisch ist das ganze im Glam-Glitterrock-Stil der 70er Jahre gehalten."

Ok, also noch mal zurück zu PROLLHEAD. Dadurch, dass ihr eine gemischtgeschlechtliche Band seid und auch desöfteren übers "Ficken" singt, drängt sich die Frage auf, welche Rolle Sex für und vor allem in der Band spielt.

Andi: "Eine sehr untergeordnete. Wir halten Sex eigentlich für einen völlig überbewerteten Hippiemythos. Sex ist etwas für Leute, die viel Zeit haben, zum Beispiel für Arbeitslose oder vom Arbeitsmarkt abgekoppelte, wie es heutzutage korrekt heisst. Es ist nach wie vor ein Thema, das die Leute interessiert, aber sie wollen sich immer weniger aktiv damit beschäftigen. Man guckt das gerne im Fernsehen und hört auch mal Songs darüber, aber direkt will man immer seltener damit behelligt werden."

Bekommt ihr denn aufgrund eurer oftmals "direkten" Texte schon mal Ärger mit radikaleren Emanzengruppen wie zum Beispiel die vorhin schon einmal angesprochenen LOKALMATADORE?

Andi: "Nicht direkt. Es gab mal früher, als wir angefangen haben, Läden, die unsere Poster nicht aufgehangen haben."

Marc: "In Konstanz wurde sogar mal ein Gig gecancelt. Da war die Frauengruppe mit dem Tourposter nicht einverstanden. Das war aber das einzige mal. Ansonsten wurden die nur mal mit Stempeln versehen, auf denen dann so etwas wie "frauenfeindlich" zu lesen war."

Andi: "Insgesamt haben die meisten Leute das aber schon richtig verstanden. Wir haben ja mit Frauenfeindlichkeit nichts zu schaffen. Im Gegenteil, wir lieben ja Frauen, zumindest wenn sie nicht zuviel sabbeln. Und was unseren Namen PROLLHEAD anbelangt, so bezieht der sich schon auf das, was man in den 70ern darunter verstanden hat, nämlich Jeansjackenträger, um es mit einem Wort zu sagen. Zum Glück ist das nie so verstanden worden, dass das die Musik für die heutigen Jogginghosenträger sei."

Mit eurer "Fuck Chirac"-Single anlässlich der französischen Atombombenversuche wart ihr ja auch schon einmal recht politisch. Ein Ausrutscher?

Andi: "Wir haben uns damals gesagt, dass irgendjemand etwas tun muss, und kaum war die Single auf dem Markt, sind die Tests ja auch eingestellt worden."

Und das schreibt ihr euch also auf die Fahnen?

Andi: "Ja sicher. Der Zusammenhang liegt ja auf der Hand. Wir haben die Single ja auch noch in Französisch aufgenommen, damit Chirac uns auch versteht. Wir fanden ganz einfach, dass irgend jemand diesem Irren da Einhalt gebieten mußte. Am Anfang dachte ich ja auch noch, das ist so weit weg, da kriegst du gar nichts von mit, aber das ging da um´s Prinzip."

Heisst das, wir können auch in Zukunft noch politische Statements von PROLLHEAD erwarten?

Andi: "Vielleicht sollten wie einen Anti-Atomkraft-Song machen, nachdem das letzte Kraftwerk abgeschaltet worden ist. Wir machen so etwas also nur, wenn es anliegt."

Aber kann ich euch denn noch einen Kommentar zur Affäre Christoph Daum entlocken?

Andi: "Das ist eine sehr lustige Geschichte. Ich habe aber immer schon gesagt, dass der kokst, weil er einfach so aussah und sich auch so benommen hat. Das was im Moment so rauskommt, untermauert das ja nur. Ich bin sehr auf seine weiteren Haarproben gespannt. Aber ich habe mir da folgendes zu ausgedacht: das Tollste für Christoph Daum und auch den deutschen Fußball wäre, wenn er Nationaltrainer in Kolumbien wird. Da wird er sicherlich auch keine Probleme mit seinem Hobby bekommen, denn für die Versorgung ist dort gesorgt. Dann tritt er mit der kolumbianischen Nationalmannschaft bei der WM 2006 hier in Deutschland an und gewinnt im Finale gegen Deutschland völlig zugekokst, mit kolumbianischen Koksnutten auf der Bank den Titel. Das wäre dann auch seine endgültige Rache, der totale Triumph."

Gibt es ein generelles Statement zu Drogen von PROLLHEAD?

Andi: "Nicht wirklich."

Marc: "Wir haben damit ja nicht wirklich etwas am Hut. Unserer Fußball-Single werden wir auch ein Tütchen mit einer Haarprobe der Band beilegen..."

Andi: "...um zu untermauern, dass wir zumindest keine Kokser sind."

Wann sind PROLLHEAD mal wieder live in Deutschland zu erleben?

Marc: "Ab Mitte November gibt es eine kleine Tour von zehn Konzerte über drei verlängerte Wochenenden, die im "Molotow" startet. Mal gucken, ob das noch jemanden interessiert. Längerfristig sind eine ausgiebigere Tour für das Frühjahr nächsten Jahres sowie einige Festivals im Sommer geplant."

Vielen Dank für das Gespräch.