PGMG sind auch so eine Band, die immer besser wird. Und dabei steht dieses US-Quintett, das sich aus Ex-Mitgliedern der MURDER CITY DEVILS und weiterer namhafter Seattle-Bands rekrutierte, noch ziemlich am Anfang seiner Karriere. Mit „The New Romance“ erschien kürzlich ihr zweites Album. Der Wechsel von Lookout Records zu Matador ist dabei gleichbedeutend mit dem Wandel von einer unbekümmerten und wilden hin zu einer gereiften und anspruchsvollen Indierock-Band. Mit dem Alter wachsen die Ansprüche, und die PRETTY GIRLS sind auf dem besten Wege, eine der ganz großen Bands zu werden. Ich sprach während ihrer Tour mit den BLOOD BROTHERS am Rande des Konzerts im Münsteraner Gleis 22 mit Schlagzeuger Nick Dewitt und Gitarrist Nathan Thelen.
Wie läuft denn die Tour bisher? Mit den BLOOD BROTHERS seid ihr doch nicht zum ersten Mal unterwegs, oder?
Nick: Die Tour läuft sehr gut. Die BLOOD BROTHERS sind gute Freunde von uns, letztes Jahr haben wir eine US-Tour mit ihnen gespielt, und wir hängen mit ihnen rum, wann immer es uns möglich ist.
Was ist der größte Unterschied zwischen Touren in den USA und in Europa?
Nick: Hauptsächlich die Gastfreundschaft. In den USA findet man kaum einen Club, der dir was zum Essen macht ...
Nathan: Da hast du diese windigen Promoter, die nur an ihrem nächsten Scheck interessiert sind. Die kümmern sich einen Scheiß darum, wer du bist, nur darum, wie viel Geld du denen einbringst. Hier drüben habe ich den Eindruck überhaupt nicht. Alle freuen sich, dass du da bist und zeigen es dir auch.
Nick: Wir waren mal mit einer Band unterwegs, die das erste Mal in den USA gespielt hat, und obwohl sie wussten, dass sie nicht viel Gastfreundschaft zu erwarten hatten, waren sie noch überrascht. Du kommst an, spielst, wirst bezahlt und haust wieder ab. Du fühlst dich ziemlich einsam, jede Nacht spielst du in einer anderen Stadt vor einer anonymen Masse, und keiner fängt dich ein bisschen auf. Hier ist das viel angenehmer.
In den letzten drei Jahren habt ihr scheinbar überhaupt nichts anderes gemacht, als ohne Pause zu touren oder Platten aufzunehmen. Wie lang geht denn das so weiter?
Nathan: Drei Jahre – von jetzt an. Nein, im Ernst. Das ist alles sehr harte Arbeit, und ein neues Album gibt dir wenigstens ein Gefühl der Vollendung, und das hast du sonst nicht oft, wenn du in einer Band bist. Du hast nie das Gefühl fertig zu sein, es gibt kein Ende, heute Abend ist nicht das Ende, weil wir morgen woanders spielen. Sechs Tage nach dieser Europatour fangen wir die nächste an, und wenn die vorbei ist, dann geht‘s auch weiter. Niemand überreicht dir einen Pokal und sagt, man hat es geschafft. Es ist wie im Supermarkt zu arbeiten, ständig kommen neue Kisten rein, die du auspacken musst. Für unser neues Album haben wir ein Jahr gebraucht, und das ist ein sehr schöner Punkt, den man mal setzen kann.
Und warum ist „The New Romance“ euer bestes Album bisher?
Nick: Es ist einfach so passiert.
Nathan: Erstmal wollen wir immer, dass das Neue besser wird als das, was wir bisher gemacht haben. Solche Ansprüche stellt man immer an sich selbst und auch an Bands, die man mag. Vielleicht ist das sogar mein Fehler als Fan, so zu denken. Wir wollten besser zusammenarbeiten, so dass das Album perfekt wird. Ich denke, das haben wir nicht geschafft, es gibt noch immer eine Menge Dinge, die wir verbessern könnten, aber schließlich sind wir fünf Leute, wir müssen sehr viel zusammen arbeiten, und das Album ist das momentan bestmögliche Resultat geworden. Wir haben einen Monat lang in einer Scheune aufgenommen, sechs Tage in der Woche, und das war sehr lustig. Unser Produzent Phil Ek, mit dem wir schon beim letzten Album gearbeitet haben, war großartig, aber es war harte Arbeit. Ich denke, die Songs sind besser strukturiert, flüssiger, und irgendwie mit höherem Wiedererkennungswert.
Nick: Wir haben sehr lange an Sounds gebastelt, viele verschiedene Gitarren, Amps und Schlagzeuge benutzt und sehr viel Unsinn ausprobiert, weil es interessanter ist, ein ganzes Album hindurch mehr als nur eine Gitarre zu hören.
Nathan: Manchmal ist das nicht so gut, wenn Bands zuviel Zeit haben. Dann probieren sie zuviel aus, und dann wird das Endergebnis scheiße. Das wollten wir nicht, aber ich denke, wir haben das Potential, mehr auszuprobieren. Wir wollten nicht einfach die Standardinstrumentierung haben.
Nick: Wir wollen uns nicht wiederholen. Ich freue mich darauf, was wir als Band noch machen können, mit unterschiedlicher Instrumentierung oder Kleinigkeiten im Hintergrund wie Klatschen oder Akustikgitarren, und welche anderen Zugänge wir uns gegenseitig noch eröffnen können.“
Nathan: „Und wachsen heißt auch vereinfachen, also nicht zuviel in einen Song zu packen, sich auf etwas zu konzentrieren. Meine Lieblingssongs sind eigentlich immer die einfachen.
Nick: Ja, man muss den Dingen Raum zur Entfaltung geben, jeder drängt sich sonst gern in den Mittelpunkt.
Ich höre da aber auch raus, dass es für euch nicht einfach ist, Songs zu schreiben.
Nick: Das ist wirklich anstrengend. Wir schmeißen soviel Material weg, und das kann sehr frustrierend sein, weil sehr viel gutes Zeug dabei ist.“
Nathan: “Wir nehmen immer alles auf Vierspur oder Boombox auf, wenn wir proben, hören uns das nachher an, und mehr als die Hälfte schmeißen wir weg. Wenn nur eine Person etwas nicht mag, dann vergessen wir es. Auf der anderen Seite ist das natürlich cool, weil viel dabei ist, was ich richtig scheiße finde, und dann kann ich das ganz undemokratisch loswerden.
Nick: Deshalb wird das nie was mit uns, haha. Immer, wenn er was hasst, dann liebe ich es, und umgekehrt. Es ist wirklich anstrengend mit fünf Leuten zusammenzuarbeiten. Es ist wie ein kollektives Projekt, mit dem jeder glücklich sein muss, jeder sich einbringen können muss, nicht wie bei Singer/Songwritern. Man muss sehr viele Kompromisse eingehen.
Macht ihr Musik für euch selbst, oder fürs Publikum?
Nick: „Nur für uns. Musik für jemand anders zu machen, ist blöd. Man kann natülich irgendeine Tanzmusik machen, von der man weiß, das sie den Leuten gefällt. Ich bin sicher, viele Leute haben eine Menge Vertrauen in ihre Musik und können sich darauf verlassen, dass sie etwas finanziell erfolgreiches machen. Ich selbst bin noch in einem sehr elementaren Prozess, ich probiere noch herum und mache sehr viele Fehler. Ich habe keine Ahnung, was erfolgreich sein könnte, ich versuche nur, erfinderisch zu sein und das zu spielen, was mich glücklich macht.
Nathan: Immer, wenn ich Musik schreibe, dann habe ich natürlich ein Publikum im Hinterkopf, und ich hoffe, dass es ankommt. Man hofft immer, dass der Hörer sich in die Musik verliebt, dazu vor der Bühne tanzt und mosht, und was man sonst noch zur Musik machen kann.
Was hat es mit dem Pferdeauge auf dem Cover von „The New Romance“ auf sich?
Nathan: Wir wollten etwas Ausdrucksstarkes und Kontrastreiches, am besten was in schwarzweiß. Es war sehr schwer für uns, uns auf etwas zu einigen, keiner von uns hat die gleichen Vorstellungen, was das Visuelle betrifft, T-Shirts usw. Wir können uns auf Musik einigen, aber nicht darauf. Ich fand, das Bild auf dem Cover sollte den Geschmack von jedem in der Band treffen, und es ist sehr offen für Interpretation. Es stellt den klassischen Begriff der Romantik etwas in Frage. Aber es gibt keine Geschichte hinter dem Bild. Oder doch! Das war das Pferd, von dem Nick gefallen ist ...
Nick: Genau, und dabei ist mir die Idee für den Titelsong gekommen, im Schlaf, ich bin aus einem schwarzen, schwitzigen Schlaf aufgewacht ...
Nathan: Aber das war, weil wir dich die ganze Nacht über mit Kokain voll gepumpt haben ...
Bevor ihr zu sehr ins Detail geht, machen wir lieber weiter. Was bedeutet es für euch als Band, dass ihr nun auf Matador seid?
Nick: Wir werden jetzt höchstwahrscheinlich große Rockstars. Nein, ernsthaft. Es könnte uns helfen, ein bisschen besser von der Band zu leben. Ich muss zu Hause Miete bezahlen, kann mir hier ein paar Dinge mehr bei H&M kaufen. Ja, und wir haben jetzt weltweiten Vertrieb. Unsere Platten kommen sogar in Brasilien und Japan raus.
Nathan: Es ist großartig, auf Matador zu sein. Ich wollte ja immer Musiker werden, aber manche haben echt ein Problem damit, meinen, man solle sich einen Job suchen. Und für uns wird das jetzt wahrscheinlich auch einfacher. Ich habe eine Familie und ein Baby, und ich hoffe, dass mir die Band erlaubt, sie zu ernähren.
Nick: Ich bin aber alt und realistisch genug zu wissen, dass ich niemals reich werde, aber das ist mir egal. Ich mache das, weil ich es liebe, Musik zu machen, und wenn es mit dieser Band nicht klappt, dann mache ich halt was anderes. Ich brauche nicht so viel. Auf Tour bekommt man immer was zu essen, und zu Hause habe ich bis auf die Miete keine großen Kosten. Ich habe nicht mal ein Auto, nur ein Fahrrad.
Die Liste der Labels, auf denen ihr veröffentlicht habt, ist recht illuster. Sub Pop, Lookout, Matador ... Und jetzt?
Nick: Wir rechnen fest mit Capitol oder Universal, hahaha. Das mit Sub Pop war nur für den Singles Club und eine einmalige Sache.“
Nathan: Sie haben sogar versucht, unsere Band in Beschlag zu nehmen, weil Derek durch die MURDER CITY DEVILS noch bei ihnen unter Vertrag stand. Sie meinten, er dürfte nur bei ihnen was veröffentlichen, aber wir haben das von uns gewiesen. Ich meine, sie können uns nicht zwingen, auf ihrem Label zu sein.
Ich wünschte, zu mir käme mal ein Label und würde mich zwingen, was zu veröffentlichen ... Viele Leute sprechen von euch als Punkband, aber seht ihr euch selbst auch als eine?
Nick: Heutzutage hat Punk ja viel mehr Bedeutungen als in den 70ern. Bands wie GOOD CHARLOTTE oder BLINK 182 verstehen sich ja auch als Punks, sie haben Tattoos und Piercings und sind böse Jungs, aber ihr Sound erinnert ja nur entfernt an das, was Punk mal war. Wir haben wahrscheinlich ein paar Elemente, die etwas mit Punk zu tun haben, und es hatte auch einen gewaltigen Einfluss auf mich. Ich liebe Punkmusik. Aber letztendlich kann man heute kaum noch sagen, was Punk überhaupt alles ist.
Fotos: Rahav Segev
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