PG.LOST

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Ein Orchester der Herzen

„The medium is the message“, hieß es 1964 bei dem kanadischen Philosophen Marshall McLuhan. Eigentlich könnte man dieses Diktum getrost auf die Musik von PG.LOST übertragen. Auf ihrer Europatour im Frühjahr stellten sie mit „Key“ ein Album vor, das kompakter als alle Vorgängerreleases klingt. Hört man Mattias Bhatt, einem der zwei Gitarristen der schwedischen Post-Rock-Band, genau zu, scheint sich das Quartett geradezu vehement dagegen zu wehren, auf eine eindeutige Aussage reduziert zu werden.

Mattias, ihr wart vor einiger Zeit in China und Korea auf Tour. Mit welchen Erwartungen seid ihr damals aufgebrochen? Gerüchten zufolge wurdet ihr sehr gut aufgenommen.


Wir waren bereits in China, Hongkong und Taiwan und wussten schon, dass es dort großartig sein würde. Eines der Ziele dieser Tour war jedoch, mehr Länder zu besuchen und neben den großen Städten auch die kleineren zu bespielen. In Südkorea hatten wir sechs Konzerte und später erfahren, dass das wohl eine Art Rekord für eine ausländische Band ist, total cool! Ich denke, dass die Subkulturen dort wachsen, insbesondere in China gibt es eine gute Musikszene. Viele Bands fangen gerade an und es ist nicht mehr lange hin, bis chinesische Bands um die Welt touren werden. Wir planen, im Sommer neue Songs aufzunehmen und ein Split-Vinyl mit der Instrumentalgruppe WANG WEN rauszubringen.

Wo habt ihr euer neues Album „Key“ aufgenommen und hatten die äußeren Umstände Einfluss auf eure Arbeit? Mir drängten sich Assoziationen von Isolation und endlosen Wäldern auf – das Artwork bestätigte das dann, es sind viele Tiere zu sehen.

Wir haben das Album in einem Studio außerhalb Norrköpings aufgenommen. Ein sehr ruhiger Ort, an dem wir letzten Herbst zwei Wochen verbrachten und herumexperimentierten, bevor wir später auch das Mixing dort machten. Es mag sich prätentiös anhören, aber wir möchten keine bestimmte Message herüberbringen und sind sehr vorsichtig, wenn es darum geht, was Artwork, Titel und Visuals für uns bedeuten. Das könnte die Assoziationen blockieren bei Menschen, die unsere Musik hören oder uns live sehen. Wir ziehen es vor, die Sachen abstrakt zu halten und nur ein paar Anstöße zu liefern, selbst eine eigene Bedeutung oder Message darin zu entdecken.

Trotzdem sind die Songtitel auf der Rückseite des Coverartworks in eine Art Geschichte eingebettet. Das weist auf ein Konzept hin, wobei die ziemlich philosophische Richtung der Geschichte einer eher esoterischen Herangehensweise an Musik eher widerspricht.

Am Anfang basierte alles, was wir gemacht haben, nur auf Emotionen und allem, was sich zu der Zeit richtig anfühlte, bei „Key“ jedoch war es etwas anders. Wir hatten die Idee, eine Gruppe von uns sehr geschätzten Menschen zusammenzubringen, die ein Konzept zu Musik, Kunst und Visuals ausarbeiten sollten. Also präsentierte Valentin Mellström uns seinen Entwurf für das Cover, als wir einige Songs aufgenommen hatten, reichten wir sie an den britischen Filmemacher Craig Murray weiter, der für jeden einzelnen Track Visualisierungen ausarbeitete. Wir haben Craig sogar nach Schweden geholt, damit er in der Umgebung unserer Heimatstadt Norrköping Landschaften und andere Dinge, die uns inspirieren, filmen kann. Aus all dem setzt sich das Thema von „Key“ ungefähr zusammen.

Ihr seid nun sechs Jahre dabei und habt euch in dieser Zeit künstlerisch merklich entwickelt, nicht nur was das Songwriting, sondern auch die Atmosphäre anbelangt. „Key“ scheint aber dissonanter, härter als die Vorgängerreleases.

Wir hatten immer einen bestimmten Sound im Sinn. Der Hauptunterschied zwischen damals und heute ist, dass wir wesentlich besser darin sind, dieses Ziel zu erreichen. Ich würde aber nicht sagen, dass „Key“ dissonanter, härter sei. Vielleicht aber präziser.

Wie steht ihr eurem alten Output gegenüber?

Ich bin zufrieden und kann die Unterschiede zwischen den einzelnen Alben zunehmend genießen. Für uns sind die Alben auch eng mit dem Prozess des Schreibens und Aufnehmens verbunden, sie erinnern uns jetzt daran, wie wir damals drauf waren. Ein Soundtrack unseres Lebens, besser als jedes Fotoalbum.

Im Interview mit dem Fuze betonte Drummer Martin Hjertstedt, dass ihr eher wenig mit der heutigen Musik anfangen könnt. Stattdessen hört ihr lieber MOGWAI, GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR oder MONO. Was genau stört oder fehlt euch heutzutage, zumal in der Post-Rock-Szene?

Es ist schwierig, solche Fragen zu beantworten, schließlich sind wir vier verschiedene Menschen. Zeitgenössische Musik stört uns nicht per se, und was Post-Rock angeht, so hören wir lieber die Bands, die uns damals angefixt haben, und das sind eben MOGWAI, GY!BE und MONO.

Fühlt ihr euch der Post-Rock-Szene – wenn man von so einer sprechen kann – verbunden?

Wir haben kein Problem damit, so gelabelt zu werden, und die oben genannten Bands übten in der Tat einen großen Einfluss auf uns aus. Wir machen Instrumentalmusik ohne Einschränkungen, wir tun, worauf wir Lust haben, und denken nicht allzu viel darüber nach. Wir hören selbst nicht sonderlich viel Post-Rock, lassen uns woanders inspirieren, aber ich kann nachvollziehen, warum Leute uns diesem Stil zuordnen. Letztlich sind wir Teil einer Musikszene, die weltweit betrachtet und nicht zuletzt in Schweden sehr klein ist, und das trägt einmal mehr zu einer Verbindung bei.

Zudem sagte Martin, es gebe keine Band mehr, die „100% originell“ sei. Was ist in euren Augen das Alleinstellungsmerkmal, was macht PG.LOST für euch einzigartig?

„Originell“ steht im Post-Rock-Kontext dafür, dass man sich immer selbst erneuern und mit seinen Instrumenten und Sounds experimentieren muss. Das stört mich ein wenig, wir haben kein solches Ziel. Wir versuchen nur, aus unseren Instrumenten und Amps das Meiste herauszuholen. Wir wollen ein Orchester der Herzen sein, oder vielleicht so, wie es jemand kürzlich ausdrückte: „Ihr seid wie der Schrei meiner Seele“. Diese Herangehensweise an Musik ist einzigartig für uns und macht uns zumindest zu 66,6% originell. Das reicht uns.