Ich habe die ersten Peter Puck-Zeichnungen bei den LPs der Tübinger Punkband K.G.B. gesehen und bin kurz darauf auf seine süchtig machenden „Rudi“-Comics gestoßen. Der Humor ist schwarz und oft derbe, aber niemals wirklich platt, sondern randvoll mit Ironie. 2005 endete die Serie um den chronisch schlecht gelaunten Rudi und seinen feierfreudigen Freund Fred aber erst einmal mit dem Band „Immer Ärger mit Rudi“, und ich warte seitdem auf eine Fortsetzung. Daher fragte ich bei Peter, der in der Nähe von Tübingen lebt und arbeitet, mal nach, was er selbst und Rudi und Fred so treiben.
Peter, ist „Comiczeichner“ dein Hauptberuf? Ich vermute mal, dass man davon nicht unbedingt leben kann.
Völlig falsch vermutet, haha! Ich lebe tatsächlich seit über dreißig Jahren vom Comiczeichnen — oder versuche es zumindest. Aber ich mache keine regelmäßige Serie mehr, sondern vor allem Auftragsarbeiten für Firmen. Das habe ich schon immer neben den „Rudi“-Bänden gemacht, um Geld zu verdienen. Von so einer Serie allein kannst du, selbst wenn sie einigermaßen erfolgreich ist, nicht leben.
Wie bist du zum Comiczeichnen gekommen?
Ich zeichne, seit ich einen Stift halten kann, und wurde schon sehr früh von Comics beeinflusst. Ich war schon im Kindergarten der „Star“, weil ich Donald Duck zeichnen konnte, haha! Ein Kommilitone während meines Studiums, Edgar Rehberger, hat mir 1985 vorgeschlagen, doch mal einen einseitigen Comic für das damalige Stuttgarter Stadtmagazin „Live“ zu machen. Er hat als Sportjournalist für das Magazin geschrieben. So habe ich eines Nachmittags die beiden Hauptprotagonisten Rudi und Fred erfunden. In der allerersten Story „Im Bunker“ kamen gleich schon Neonazis als Kontrahenten von Rudi und Fred vor, was damals für einen Comic sehr unüblich war. Ab diesem Zeitpunkt habe ich dann 25 Jahre lang jeden Monat eine Rudi-Geschichte gemacht.
Was machen eigentlich Rudi und Fred heute? Siehst du die noch ab und zu?
Wir sehen uns sogar regelmäßig und die zwei sind ziemlich angepisst und sauer auf mich! Beide sind genau wie früher, die haben sich überhaupt nicht verändert.
Ich bin auf deine Zeichnungen durch die LPs der Tübinger Punkband K.G.B. gestoßen, deren Cover du ja mehrfach mitgestaltet hast. Und deren Bandlogo, die „Mittelfinger-Ente“, ist ja auch von dir. Wie kam es damals dazu?
Neben dem K.G.B.-Artwork habe ich auch für einige andere lokale Bands, beispielsweise die GENOSSEN aus Reutlingen, Plakate und T-Shirt-Motive gestaltet. Oder auch das Cover für eine LP von ABSTÜRZENDE BRIEFTAUBEN, die das Bild aber dann nicht genommen haben, weil es ihnen zu gut gezeichnet war. Die wollten es „dreckiger“, haha. Ich habe auch viele Konzertplakate für das Tübinger Epple-Haus gestaltet. Damals gab’s dort fast jede Woche Punk-Konzerte mit drei oder vier internationalen Bands für sieben D-Mark Eintritt. Die Plakate waren alle ohne Computer mit dem Fotokopierer gebastelt. Die Typografie war von Hand, teilweise aus dem Letraset-Schriftarten-Katalog abgepaust oder mit der Schreibmaschine geschrieben, mit flüssigem Tipp-Ex und Pritt-Stift bearbeitet. Ein irrsinniger Aufwand.
Ich habe irgendwo mal gelesen, dass du dich mit türkischer Popmusik gut auskennst.
Irgendwann hatte ich alle anderen Sounds und Stile schon mal gehört und habe was Neues gesucht. Da habe ich in einem Türkeiurlaub den orientalischen Sound entdeckt und angefangen, Türkpop-CDs zu sammeln und als DJ solche Musik auch aufzulegen. Ich war, glaube ich, der einzige Deutsche, der türkische Musik auflegte. Meine „Oriental Beats“-Abende in einem Soziokulturellen Zentrum waren interessante Veranstaltungen. Es kamen hauptsächlich türkische Frauen in Abendkleidern zum Tanzen. Und immer auch ein paar Deutsche, die sich gewundert haben, wie genial tanzbar diese Musik ist und so überhaupt nicht dem Klischee entspricht. Die Mischung aus traditionellem Orientsound mit entsprechenden Instrumenten auf der einen und Pop-Elektronik auf der anderen Seite klingt für mich genial. Leider kam das Publikum hauptsächlich zum Tanzen und hat kaum Alkohol konsumiert, sondern nur Wasser und Cola. Zu wenig Umsatz für die Location, und die Sache wurde abgesetzt. Inzwischen habe ich die Sammlung unter anderem noch auf arabische Musik ausgeweitet, da finde ich die Sprache auch extrem interessant.
Legst du noch ab und zu auf?
Als DJ habe ich hobbymäßig seit den Achtzigern aufgelegt. Punk, Indie und Elektro, aber auch ein gemischtes Programm für jedes Publikum. Ich hatte in den letzten Jahren viel Privates um die Ohren und deshalb schon länger nicht mehr aufgelegt. Seit einiger Zeit arbeite ich aber an einem Programm, das ausschließlich aus extrem ungewöhnlichen Coverversionen besteht. Ich hätte schon wieder Lust, würde mir aber ein älteres Publikum wünschen. Ehrlich gesagt komme ich mir als alter Sack hinterm DJ-Pult, der für Leute auflegt, die seine Kinder sein könnten, ein bisschen deplatziert vor. Wobei eigentlich „Senior-DJs“ viel besser sind als das junge Kroppzeug: Wir haben dreißig Jahre länger Musik gehört und kennen deshalb mehr, haha!
Ist es denkbar, dass du irgendwann nochmal einen neuen „Rudi“-Band machst? Wenn man sich das derzeitige gesellschaftliche und politische Geschehen anguckt, sollte es da ja viele Anregungen geben.
Ein ganzes Album sicher nicht. Aber ab und zu noch mal einen Einzelgag oder eine Seite, das ist nicht gänzlich ausgeschlossen. Fehlende Themen sind auf jeden Fall nicht das Problem, da hast du recht. Eher fehlende Bezahlung und Altersfaulheit. Zum dreißigjährigen Rudi-Jubiläum ist 2015 die gebundene Luxus-Gesamtausgabe „Rudi: Fett & komplett“ erschienen, mit sämtlichen Rudi-Storys und bisher unveröffentlichtem oder nicht in den Alben enthaltenem Material.
In den „Rudi“-Comics spielen auch immer Musik und ihre Szenen eine wichtige Rolle. Welche Musik hat dich geprägt?
Meine früheste popmusikalische Erinnerung war Mitte der Sechziger „My baby, baby, balla, balla“ von der deutschen Beatkapelle THE RAINBOWS. Da war ich fünf oder sechs Jahre alt. 1972 habe ich mir meine erste Platte gekauft: das Live-Album von THE OSMONDS, weil ich den Hit „Crazy horses“ so geil fand. Vor Punk mit seinen Klassikerbands RAMONES, THE CLASH, WIRE und all den anderen stand ich auf Glamrock wie SLADE, SWEET oder Suzi Quatro. Das kann ich alles heute noch gut hören. Für die analoge Aufnahmetechnik war Glamrock damals erstaunlich gut produziert. Der stilistische Einfluss von Glam auf den britischen Punk wird übrigens stark unterschätzt! Punk mit seinem Sarkasmus, bissiger Ironie und dem typischen schwarzen Humor hat Rudi als Figur extrem stark geprägt, obwohl ich absichtlich keinen reinen Punk-Comic machen wollte. Rudi ist ein Typ zwischen allen Szenen – das hat mehr inhaltliche Möglichkeiten für einen Comic geboten.
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© by Ox-Fanzine - Ausgabe #134 Oktober/November 2017 und Hannes Baral