Ja, ich gebe es zu: ich bin ein Weichei! Hab ich doch wegen eines grippalen Infekts die PAVERS verpasst! Wäre ich bloß dahin gegangen, hätte ich damals bloß erahnen können, was ich dort verpassen würde. Naja, sozusagen als Entschuldigung an mich selber habe ich dann halt ein Interview gemacht. Scott Reynolds, manchen noch aus seinen ALL-Zeiten bekannt, beantwortete brav via E-Mail meine Fragen und gab mir Hoffnung, denn die PAVERS kehren womöglich schon nächstes Jahr zurück.
Scott, du verweist im Booklet der neuen CD darauf, dass man dich nach der Häufigkeit deiner Gewichtheberei fragen soll. Also, wie oft die Woche?
Dreimal die Woche.
Gut, dann hätten wir das ja. Und, wie war eure Europa-Tour? Die dürftet ihr ja kürzlich erst beendet haben?
Die war einfach großartig, ich hatte schon lange nicht mehr einen so großen Spaß bei einer Tour. Ich kann es auch gar nicht abwarten zurückzukehren. Und das wäre, wenn alles gut geht, vielleicht schon im Frühjahr.
Ist es wirklich wahr, dass du in deiner Jugend Wrestler warst?
Ja, das stimmt. Während meiner Schulzeit war ich Wrestler, allerdings habe ich aufgegeben, weil ich gemerkt habe, dass ich nicht gut genug bin.
Eure CD “Return To The Island Of No Return“ ist ja noch nicht allzu lang erhältlich, da würde es mich schon sehr interessieren wie denn das Publikum so war, da ihr ja eigentlich noch ziemlich unbekannt seid.
Meistens war das Publikum sehr klein, dafür aber sehr enthusiastisch. Wenige hatten unsere neue CD schon einmal gehört, die meisten aber wohl nicht, aber das macht nichts. Es war einfach großartig.
Du hast auf eurer Homepage eine ganz besondere Plattenvertriebs-Idee vorgestellt. Erzähl doch mal was dazu.
Distribution ist in den USA eine sehr heikle Angelegenheit. Wenn du nicht zu den eher etablierten Bands gehörst oder deine Scheibe auf einem etablierten Label erscheint, ist es sehr schwer einen Vertrieb zu finden. Und da wir hier in den USA versuchen unsere Scheiben selber an den Mann und die Frau zu bringen ist es für uns sehr schwierig, also haben ich und meine Frau die Idee gehabt die Leute anzusprechen, die die PAVERS mögen. Die sollten dann zum nächsten vernünftigen Plattenladen gehen und versuchen unsere CD da zu verkaufen. Die Leute haben die CD dann billig bekommen und der Plattenladen kann mehr Gewinn machen, was ihn dazu animieren soll unseren Scheiß zu verkaufen. Naja, und wir versuchen gerade so etwas wie eine Datenbank über diese Plattenläden und Leute zu erstellen, die vielleicht sogar selber noch in einer Band spielen, so dass man langsam ein kleines Netzwerk im ganzen Land aufbaut, und sich damit gegenseitig hilft seine Platten zu verkaufen. Ich weiß, dass es gut sein kann, dass das alles nicht läuft, aber ein Versuch ist das auf jeden Fall wert, weil der ganze Underground hier in den USA in der Hand von einem halben Dutzend ziemlich langweiliger Leute ist. Und ich würde es liebend gerne sehen, dass sich das ändert.
Ihr scheint ja ziemlich engagiert zu sein, was die Band angeht. Zu jedem Song wird noch einmal die Idee erläutert, die sich dahinter verbirgt, das Coverartwork gefällt mir äußerst gut, und zu guter Letzt ist eure Homepage wohl eine der liebevollst aufgemachten Seiten, die ich je gesehen habe.
Ja, die Musik die wir jetzt machen ist auch die, die mich persönlich am meisten zufrieden stellt. Die Leute in der Band sind alles Freunde aus meiner Kindheit, und die Leute die zu unseren Shows kommen kenne ich auch schon seit Jahren. Es ist also alles sehr persönlich und sehr familiär für uns, weshalb ich diese Band über alles liebe.
Ich muss sagen, dass ich euch bei euren Ideen, die sich hinter den Songs verbergen nur zustimmen kann, aber warum zur Hölle sollte man wie in „Fierce Apple“ beschrieben, in eine Flasche pissen?
Manchmal, wenn du auf Tour bist und morgens früh im Bus aufwachst und du musst pissen wie verrückt, dann ist es meistens so, dass um deinen Bus herum nirgendwo ein stilles Örtchen ist. Und in der Öffentlichkeit seine Notdurft zu verrichten wird in den USA mit Gefängnisstrafen geahndet. Deshalb nimmst du dir eine Flasche und pisst rein. Das ist dann „Fierce Apple“. Und außerdem kannst du den Fahrer auf Tour nicht alle fünf Minuten bitten rechts ran zu fahren, nur weil du hinten mit deinen Kumpels zwei drei oder mehr Bierchen trinkst, und deswegen ununterbrochen pissen musst.
Mich würde mal interessieren, ob die Straße, in der du lebst, wirklich so schlimm ist, oder ob das im Interesse des Songs nicht doch etwas übertrieben ist?
Das Leben in der Deer Street ist letztlich doch etwas besser geworden, was nicht wenig damit zu tun hat, dass das Crack-Haus auf der anderen Straßenseite abgebrannt ist. Es geht das Gerücht herum, dass es Brandstiftung war. Ich wünschte ich wüsste wer das war, dann würde ich demjenigen wohl ein Weihnachtsgeschenk schicken dieses Jahr! Aber die Straße ist immer noch beschissen, seitdem ich dort lebe wurden mir so viele Sachen gestohlen, dass ich nicht mehr mitzählen kann. Vor kurzem erst habe ich meiner Frau ein Autoradio gekauft, und das Ding war keine zwei Stunden im Auto, da war es schon wieder geklaut. Naja, ich würde mein Haus dort ja auch verkaufen, aber wer will in solch einer Gegend schon ein Haus kaufen. Also stecke ich dort wohl fest.
Ihr seid ja allesamt schon etwas länger dabei. Welche wichtigen oder auch beängstigenden Veränderungen innerhalb der Szene habt ihr denn beobachtet in den letzten paar Jahren?
Die Musikszene in Amerika ist äußerst langweilig geworden, da die Indielabels immer wieder denselben Scheiß rausbringen, anstatt mal etwas Neues zu wagen. Und neue Ideen werden meist ignoriert, da sie keine Absatzgarantie bringen. Aus diesen Gründen ist nicht gerade viel Abwechslung in der Szene, und wenn doch, dann musst du schon ziemlich hart danach suchen. Vor zehn Jahren noch hat Musik auch eine viel größere Rolle gespielt als heute noch. Aber lange kann das nicht mehr so weitergehen, es wird irgendwann schon wieder besser.
Denkst du manche Leute kaufen eure CD nur, weil drauf steht, dass du mal bei ALL gespielt hast?
Ja, ich glaube schon, dass manche Leute deswegen unsere CD gekauft haben, weil draufsteht, dass ich bei ALL gespielt habe. Das macht mir aber nichts, denn wir haben uns mit ALL echt den Arsch aufgerissen und, wie ich denke, auch etwas erreicht. Und auf unserer Europa-Tour habe ich auch sehr viele Leute wieder gesehen, die ich noch aus ALL-Zeiten kannte.
Was macht ihr, wenn ihr von eurer Tour zurück seid?
Wir werden ziemlich schnell wieder auf Tour gehen. Geplant ist eine „Pavers in the basement“-Tour. Das heißt wir werden bei jedem, der dies wünscht, gegen einen Betrag von 150 Dollar im Keller spielen. Alles was wir brauchen ist eine Steckdose und einen Platz zum Spielen.
Das klingt ja echt äußerst interessant und nachahmungsbedürftig. Wie geht es danach weiter?
Dann werden wir noch ein paar Songs aufnehmen, die dann für den japanischen Markt gedacht sind, weil wir dort auch auf Tour gehen werden. Dann kommen wir hoffentlich bald zurück nach Europa. Ach, und ich werde wahrscheinlich etwas solo aufnehmen, ein paar Songs halt, die ich geschrieben habe, die aber wohl nichts für die PAVERS sind.
Irgendwie kann man euch als Band ja in kein Muster quetschen, was euch ja auch zu einer gewissen Rarität heutzutage macht.
Ach, da gibt es schon ziemlich viele Bands, die diesbezüglich etwas aus der Reihe tanzen, nur bekommt man die leider nie zu hören, weil sich leider kaum ein Label drum schert. Aber ich hab mal versucht mich so einem Hype anzupassen, und immer wenn ich das tue sehe ich doch ziemlich albern dabei aus.
Wie sieht das eigentlich auf Tour aus? Habt ihr da auch was gesehen vom Land?
Leider ist das ziemlich hart auf Tour noch Zeit zu finden, um sich großartig die Gegend anzuschauen. Aber als wir in Wien waren habe ich mich sehr gefreut, ich liebe Wien! Aber auch St. Andrew’s hat mir sehr gut gefallen. Leider kam es dieses mal nicht dazu, aber ich würde gerne mal wieder nach Berlin oder Hamburg, dort gefiel es mir auch sehr gut. Außerdem freue ich mich schon riesig auf Japan.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #49 Dezember 2002/Januar/Februar 2003 und Paul Tackenberg
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #44 September/Oktober/November 2001 und Joachim Hiller