PALEFACE

Foto© by Lucca Schmerler

Brückenbauer

Im Segment zwischen Beatdown-Hardcore, NuMetal und Slam-Death sind PALEFACE eine Macht. Die Schweizer Band legt mit „Fear & Dagger“ ein Zweitwerk auf, das mit noch mehr Variabilität, tougher Vehemenz und mutigem Selbstbewusstsein punktet.

Die Zeit mit und in der Band hat bei den Musikern aus Zürich bisher keine negativen Spuren hinterlassen. Das aggressive, wütende und vorwärts gerichtete Spiel sorgt gerade dafür, dass sie sich ihre mentale Stabilität bewahren: „Es kommt immer darauf an, was die aggressive Musik mit einem macht, was sie einem bedeutet und vor allem, ob man sie mit der ‚richtigen‘ Technik anwendet“, greift Frontmann Zelli den Gedanken auf. „In meinem Fall ist es so, dass ich unsere Musik als eine Art Ventil für meinen Hass, meine negativen und traurigen Gedanken verwende und sie auch nutze, um ehrlich zu mir zu sein, meine Gedanken nicht zu verstecken oder einigen unserer Fans vielleicht sogar zu helfen. Im Großen und Ganzen bin ich ein sehr, sehr glücklicher Mensch. PALEFACE hilft mir enorm dabei, den Ausgleich zu finden. Natürlich muss man auf seinen Kopf und Körper hören und beides schonen, wenn es nötig ist. In meinem Fall ist es beispielsweise so, dass ich von kleinauf starke Rückenprobleme habe. Wenn ich da kopflos bei jeder Show komplett ausraste, würde das nicht lange gutgehen.“

Die Schweizer arbeiten mit Umsicht und wissen, worauf sie aus sind: „Unser oberstes Ziel ist es ganz klar, Spaß zu haben“, führt der Shouter an. „Die Musik soll in den Menschen etwas bewegen oder auslösen. Das Ganze ist vermischt mit Aggressionen, Horror und Ehrlichkeit, aber auch mit viel Freude! Wir wollten schon immer das rauslassen, was uns stört oder von dem wir denken, dass es enorm wichtig ist, dass es gesagt wird. Das wollen wir aber nicht einfach so ‚nackt‘ in die Lyrics einfließen lassen, sondern es in Geschichten verpacken. Einerseits damit es für uns ‚schöner‘ ist, es umzusetzen, und andererseits damit es für die Hörer:innen einfacher, spannender und interessanter wird, die Message aus der Musik herauszufiltern. Wir haben uns in dem Beatdown/NuMetal-Stil wiedergefunden, weil wir damit groß geworden sind und da kein Blatt vor den Mund genommen wird. Es geht hart zu und her, aber trotzdem auch mit viel Spaß und Freude daran. Das bedeutet nicht, dass das in anderen Genres nicht auch so ist. Doch wir haben es dort zum ersten Mal so richtig entdeckt.“
Dass „Fear & Dagger“ der Debütplatte „Chapter 3: The Last Selection“ aus dem Oktober 2020 vergleichsweise schnell folgt, ist entgegen der Vermutung nicht durch Corona begründet. PALEFACE haben ihre Aufnahmen durchgezogen, als sei nichts gewesen: „Ich bin so ein Typ, der sich nie groß die Zeit lassen kann, um gewisse Dinge mehrfach zu durchdenken“, verrät Zelli. „Dann bin ich lieber schon bei den nächsten Projekten. Demnach haben wir uns trotz Corona nicht mehr Zeit gelassen als sonst, sondern haben die Umstände nur dafür genutzt, um noch mehr Songs aufs Album zu ballern. Dabei ist mir extrem klar geworden, dass wir die Einzigen sind, die uns Stress machen. Von außen gibt es keine Deadlines, keine Richtlinien und keine fixen Ziele. Wir setzten uns das alles selbst und sollten das künftig so halten, dass es für uns am besten passt. Der kreative Prozess läuft bei uns wie bei allen anderen ab: hohe Ziele, großer Ehrgeiz und wie immer, viel Freude an der Sache.“ All das hört man dem in Eigenregie veröffentlichten Album an. Auffällig sind dabei sowohl die Variabilität des Materials als auch die Tatsache, dass die Songs klaren Absichten folgen: „Genau das lieben wir am Musikschreiben“, freut sich der Frontmann. „Es soll genauso breitgefächert sein, aber dennoch unbedingt einen wichtigen, roten Faden aufweisen. So haben wir schon immer probiert, uns textlich leiten zu lassen. In diesem Sinne bin ich sehr froh, dass dies so verstanden wird. Zudem finde ich, dass diese Dynamik in einem über sechzigminütigen Album unbedingt vorhanden sein muss. 16 Songs voll auf die Fresse könnten sonst schon ein wenig zu viel werden. Wir wollen uns definitiv nicht eingrenzen und werden das auch nicht tun. Bislang haben wir damit fast nur gute Erfahrungen gemacht. Am Anfang denkt man immer, man müsse sich irgendwo einordnen lassen können. Doch wir haben schnell realisiert: Scheiß drauf, wir machen unser komplett eigenes Ding und jeder, der es feiert, darf gerne ein Teil davon sein.“

PALEFACE sind nun spätestens mit „Fear & Dagger“ der Beatdown-Nische entwachsen: „Wir haben da nicht bewusst extra noch mehr dagegen gepusht, sondern unsere Schiene einfach weiter gefahren“, erklärt der Shouter. „Wir haben für uns gemerkt, dass wir viel zu gerne Elemente aus dem Thrash, Nu und Death Metal einfließen lassen und auch viel zu gerne herumexperimentieren, als dass wir uns weiterhin als Beatdown-Band bezeichnen könnten oder wollten. Ganz klar, unsere Wurzeln liegen im Beatdown und wir werden das ganz sicher nie aus unserer Musik streichen. Mittlerweile sehe ich mich aber lieber in der Brückenbauerrolle, weil ich möchte, dass sich jede Person, die sich in irgendeiner Weise in unserer Musk wiederfindet, zu unseren Konzerten kommt und Spaß hat.“ Interessanterweise hätten es die Schweizer aber schon gerne, dass man ihren Output entlang der dargebotenen Tracklists hört: „Yes, wir planen alles ordentlich durch“, bestätigt Zelli. „Unsere Alben, EPs, etc. sind so angelegt, dass man sie an einem Stück und in der richtigen Reihenfolge durchhören soll. Da alles, was wir bis jetzt releaset haben, zu einer langen Geschichte gehört, macht das auch Sinn. Wir haben allerdings versucht, dass jeder Song ein kleines Kapitel der Gesamtgeschichte ist und demnach in sich selbst eine kurze Geschichte erzählt. All die kleinen Geschichten, die Songs, verbinden sich zu einer größeren Geschichte, den Alben, welche dann eine noch größere Geschichte ergeben, unsere Diskografie. Fun Fact: Die Story von ‚Fear & Dagger‘ sowie die aller vorherigen Releases war zu dem Zeitpunkt, als wir ‚Chapter 1‘ geschrieben haben, auch schon fertig.“