PALE

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Hello again, lucky thing!

Wenn ich überlege, was mir denn die letzten vier Jahre so gefehlt hat, denk ich an gute Noten in der Schule, guten Fußball, ein bisschen Geld und eine neue Platte von PALE. Mit „Brother.Sister.Bores!“ meldet sich die wohl sympathischste Band der Welt nach einer viel zu langen Zeit wieder zurück. Vieles hat sich getan: Das Plattenlabel ist neu, die Besetzung hat sich geändert und ja, musikalisch hat man sich scheinbar auch entwickelt: PALE sind im Indiepop angekommen. Mit Schlagzeuger Stephan Kochs sprach ich über die letzten vier Jahre, die ersten Reaktionen auf die neue Platte und darüber, warum man ausgerechnet ein „Comeback“ mit dem ruhigsten Song auf dem Album anfangen lässt.


Wie lange habt ihr insgesamt an der Platte gearbeitet?

Über einen Zeitraum von neun Monaten haben wir an den Aufnahmen gesessen, wovon aber effektiv nur drei Monate gearbeitet wurde.

Nehmt ihr euch immer so viel Zeit? Haben die Aufnahmen für eure letzte Platte „How To Survive Chance“ auch so lange gedauert?

Bei weitem nicht. Für „How To Survive Chance“ haben wir 35 Tage gebraucht. Da waren wir aber auch im Studio eingeschlossen. Das waren ganz andere Voraussetzungen, und wenn wir „How To Survive Chance“ so aufgenommen hätten wie die neue Platte, hätten wir auch mindestens das Doppelte der Zeit gebraucht. Jedenfalls war es so, wie wir es diesmal gemacht haben. viel einfacher für uns. Wir wollten zum Beispiel an einigen Stellen ein Saxophon einsetzen. Weil wir nicht unter Zeitdruck standen, haben wir dann einfach einen Termin mit Saxophonisten gemacht. „Hey wir brauchen einen Saxophonisten!“ – „Ja gut, der kommt in zwei Tagen.“ So kann man ganz anders planen.

Wie ist es denn dann, nach vier Jahren wieder die ersten Reviews über seine eigene Band zu lesen?

Es ist ein schönes Gefühl, vor allem wenn man sich verstanden fühlt.

Und wie sind die ersten Beurteilungen zu „Brother.Sister.Bores!“ ausgefallen?

Also erstmal hätte ich selber extreme Schwierigkeiten, die Platte einzuordnen. Bei den alten Sachen fiel es zumindest mir einfacher, Teile von Songs oder eine Melodie mit Bands wie THE SMITHS oder so zu vergleichen. Bei der neuen Platte aber ist es sogar für mich nicht einfach. Komischerweise hat niemand über den wirklich offensichtlichen Vergleich geschrieben, der auf der Hand liegt.

Und der wäre?

Die BEATLES. So was hat keiner geschrieben, aber wenn du mal vergleichst: Die BEATLES waren die erste Band, die rückwärts gespielte Gitarren oder auch ein rückwärts gespieltes Schlagzeug für eine Platte aufgenommen hat. Natürlich sind wir nicht die erste Band, die so was Ähnliches macht, aber bei „Brother.Sister.Bores!“ drängt sich der Vergleich schon auf, haha. Aber das schreibt ja keiner ... Andere haben uns mit GANG OF FOUR oder FRANZ FERDINAND verglichen, wobei unsere CD gar nicht so poppig ist oder tanzbar. Dazu kommt, dass wir uns jetzt mit Dingen herumschlagen müssen, wie dem „Deutsch-Hype“. Man scheint jetzt eher gewohnt zu sein, dass eine Band aus Deutschland auch auf Deutsch singt, wie TOMTE oder KETTCAR. So wurde uns vorgeworfen, dass die Texte, von einem Deutschen auf Englisch gesungen, sehr bemüht klingen. Wen interessiert es bitteschön, ob ein Sänger deutsch oder englisch singt? Selbst in England, wo wir all unsere Platten auch herausgebracht haben, hat noch niemand gesagt, dass das nach einem Deutschen klingt, der bemüht englisch singt oder schreibt. Alles in allem sind es diesmal ganz andere Reaktionen als bei den anderen Platten. Ich finde es gut. Und diesmal taucht wenigstens der Vergleich mit JIMMY EAT WORLD kein einziges Mal auf.

Vielleicht sind das alles Reaktionen auf eine Platte, mit der die Leute so nicht gerechnet haben. Allein der Anfang der Platte mit dem ruhigsten Stück „Take me out bouncers“ ist total untypisch. Von der Stimme ist es natürlich noch PALE, aber musikalisch kann man die Platte gar nicht mehr mit den anderen vergleichen. Es ist eine Pop-Platte.

Es gibt aber Leute, die zum Beispiel sagen, dass der Sprung zwischen dem „Razzmatazz“- und dem „How To Survive Chance“-Album größer sei als der zwischen „How To Survive Chance“ und „Brother.Sister.Bores!“. Das finde ich persönlich nicht. Die Gesangsmelodien sind jetzt ein bisschen anders und die Sachen sind mehr ineinander geschachtelt. Das macht den Zugang zu der Platte nicht einfacher, war uns aber von vornherein bewusst. Es war uns auch klar, dass die Platte keine Kritikerplatte ist, weil man sie fünf oder sechs Mal hören muss und nicht nur zweimal, um sie zu verstehen. Bei den meisten Musikzeitungen haben die Leute vielleicht nicht die Zeit dazu, sich die Platte so oft anzuhören. Übrigens war es Thees Uhlmann, Label-Chef von Grand Hotel van Cleef, der meinte, dass der ruhigste Song an erster Stelle kommen sollte.

Wie haben sich die neuen Songs verändert im Gegensatz zu den „How To Survive Chance“-Songs?

Der textliche Ansatz ist ein anderer. Bei den „How To Survive Chance“-Songs ging es ja noch um die Verarbeitung einer unerwiderten Liebe, was damals sehr aktuell für Holger war. So was hat diesmal vollkommen gefehlt – zum Glück, vielleicht. Es sind eher drei Geschichten, die zwar autobiografisch sind, aber im Storytelling-Stil geschrieben sind. Thematisch geht es darum, wie man sich gegenüber seinem Umfeld verhält. „Take me out bouncers“ handelt von der Zeit, in der wir das Album produziert haben und Holger nach der Produktion abends mit seinen Freuden noch Tanzen gegangen ist. Er hat gerade einen neuen Job angefangen und wollte dann quasi von den Türstehern endlich von der Tanzfläche geholt und zur Vernunft gebracht werden. Die Single „You wanna be so good“ handelt von einem Menschen, der es wirklich allen recht machen will. Er versucht der Gute zu sein, kann es aber eigentlich gar nicht. Die Songs selber sind weniger gitarrenlastig. Aber auf der anderen Seite sind sie auch ... ich kann das schlecht beschreiben. Wenn wir die Songs früher mit Stimmen und Gitarren sehr vollgepackt haben, dann haben wir diesmal eher mehr weggelassen. Unser Produzent Jan hatte auch Anteil daran, weil er oft die Frage aufgeworfen hat, was man weglassen kann und was überhaupt für die Songs wichtig ist. Ich glaub schon, dass es eine andere Platte geworden ist. Das zeigen allein schon die Reaktionen von den Leuten, die die Sachen schon gehört haben. Die sagen, dass das schon nach PALE klingt, aber trotzdem anders sei.

Also ist es diesmal kein Konzeptalbum?

Ja, wir haben diesmal auch erstmalig mehr Stücke aufgenommen, als wir dann auf die Platte gepackt haben.

Die Platte hat den Untertitel: „A Beat Manifesto“. Wie seid ihr darauf gekommen?

Über die Sache mit dem Manifest haben wir lange nachgedacht. „Pamphlet“ klingt zu abwertend und dieses „Manifesto“ klingt ein bisschen augenzwinkernd. Es hat nichts mit Politik zu tun. Eigentlich ist es eine Verknüpfung von dem, was wir musikalisch gemacht haben, also vom Songwriting her, und dem, was sich in den Texten wieder findet. In der Art, dass man sich als Band nach vier Jahren noch mal zusammensetzen und erkennen muss, dass das Leben auch etwas anderes ist, als nur Spaß zu haben. Die Zwänge, die dann an einen herangetragen werden – darauf bezieht sich auch der Titel „Brothert.Sister.Bores!“ –, und wo man sich irgendwann die Frage stellt: Warum machst du das eigentlich? Warum rafft man sich jetzt auf, obwohl man das schon fünfzehn Jahre lang gemacht hat, und warum fühlt man in sich drin den Drang, die Sachen auch aufzunehmen? Und am Ende dessen steht dann: Weil wir nicht anders können. Ich glaube, es gibt viele Leute, die vieles in sich haben, das raus müsste und was sie lieber machen würden als das, was sie gerade tun. Ich meine nicht zwangsläufig alle Leute, die einen Nine-to-five-Job machen, solange das das Richtige für sie ist.

Wie ist das auf euch zu übertragen?

Mit Holger hatte ich in den letzten Jahren eine Phase, in der wir uns so zerstritten haben, dass es nicht mal möglich war, als im Proberaum zusammen zu sein. Wir haben uns dann für die Auftritte zusammen gerauft, aber wir haben keinen Drang verspürt, weiter zu machen. Aus dieser Haltung heraus ist dann auch die Platte entsprungen. Wir haben festgestellt, dass wir gar nicht anders können, als zusammen Musik zu machen und dass wir Wege finden müssen, um gut miteinander klar zu kommen. Das hat seinen Teil dazu beigetragen, warum die Platte so entstanden ist, wie sie entstanden ist, diese Thematik und diese Aussage besitzt. Dass man sich trotz aller Differenzen, die man untereinander hatte, wieder einander annähern kann, einfach aus dem Grund, weil man zusammen die Band machen will.

Eine weitere Neuheit sind die Streicher auf „Brother.Sister.Bores!“ Wie kann ich mir die Umsetzung der Streicher bei einem Konzert vorstellen? PALE vor einem riesigen Orchester?

Das mit dem Orchester würden wir uns auch gerne mal vorstellen. Aber ich glaube, dass das nicht funktioniert. Bei manchen Songs sind es aber auch nur Akzente, die die Streicher setzen. Nur bei zwei Songs sind sie im Vordergrund. Bis wir das anders realisieren können, benutzen wir Samples oder Jonas spielt das einfach.

Jonas, euer Pianist, macht aus THE PALE FOUR nun endgültig THE PALE FIVE?

Ja, Jonas ist ein richtiges Mitglied bei THE PALE FIVE. Er ist nun seit einem Jahr dabei und hatte auch einen großen Einfluss auf die Platte. Wir haben das ganz METALLICA-mäßig eingefädelt: „Hier ist eine Million, du bist dabei!“ Scherz! Hat zur Folge, dass wir nach zehn Jahren als Band nun endgültig zu fünft sind.

Die Entwicklung in der Musikindustrie scheint sich immer weiter weg vom Künstler selbst zu bewegen. Die großen Plattenfirmen können sich Experimente nicht mehr leisten. Ihr seid jetzt nach Jahren bei einer neuen Plattenfirma, dem Indielabel Grand Hotel van Cleef. Wie kam es dazu?

Der Vertrag mit unserem alten Label Defiance ist ausgelaufen und wir wollten uns einfach eine neue Heimat suchen. Wir haben auch mit Major-Firmen Gespräche geführt, die aber überhaupt nicht nach unseren Vorstellungen verliefen: Wir sollten bei unserer Platte an so vielen Stellen Dinge einbauen, nur um in ein Schema zu passen, dass uns das wirklich abgeschreckt hat. Mit Grand Hotel haben wir jetzt eine Firma gefunden, die uns sowohl finanziell als auch menschlich und fachlich eine super Basis bietet.
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