OXBOW

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Das auditive Testament der gescheiterten Menschheit

Eine tatsächlich schwere Band: beeindruckend und Furcht einflößend. Man hat Angst, nahe vor die Bühne zu treten, auf der sich der hünenhafte Eugene Robinson (voc) entkleidet, windet, wimmert, schreit und verstört wirkend verstörend wirkt, während Dan Adams (bs), Greg Davis (dr) und Niko Werner (git) geschickt erdiges Soundpatchwork betreiben, das sich wie eine Schlinge um den Hals legt, aber dann unerwartet wie eine Faust direkt in die Magenkuhle schlägt. Man hat aber ebenso Angst, den Platz vor der Bühne zu verlassen, denn dort passiert etwas, was es in diesem Ausmaß höchst selten gibt: eine musikalische, intellektuelle und physische Herausforderung. Das erste Album, "Fuckfest", erschien im Jahr 1990. Fünf weitere Alben sowie diverse Kleinformate sind seitdem entstanden, einige in Zusammenarbeit mit Steve Albini. Nach Releases auf SST, Neurot und anderen veröffentlichen OXBOW jetzt via Aaron Turners (ISIS) Label Hydrahead. Zur Präsentation des neuen Albums "The Narcotic Story" weilten OXBOW im Juni in Europa. Folgende Konversation fand mit Eugene Robinson statt.


Wie würdest du OXBOW jemandem beschreiben, der euch nicht kennt?


OXBOW ist post-suizider Sound, erzeugt von Leuten, die versuchen herauszufinden, was genau schief gegangen ist.


Und gibt es schon Erkenntnisse?

Ja, sechs Alben voll davon.


Auf eurer Website hab ich folgende Aussage gefunden: "The basic source for all OXBOW music and lyrics is love gone bad." Was hat es damit auf sich?

Nun, das war der Hauptantrieb für "Fuckfest". Und ohne "Fuckfest" gäbe es "King Of The Jews" nicht. Auch "Let Me Be A Woman" nicht, oder "Serenade In Red" oder "An Evil Heat" oder "The Narcotic Story". Gäbe es einen Tag, an dem alles rings um uns herum in Ordnung wäre, so wären wir wohl eher damit beschäftigt, das zu genießen, als etwas so krankhaft Selbstverliebtes zu machen wie Songs schreiben.


Versucht ihr bewusst, etwas Eigenständiges zu schaffen, etwas außerhalb der Grenzen liegendes?

Wir versuchen bewusst, etwas zu schaffen, was uns amüsiert. Und das tut es.


In welcher Hinsicht?

Auf dieselbe Art, wie es ein guter Witz tut. Oder eine Schlägerei. Oder dich die Treppen herunterfallen zu sehen.


Woher nehmt ihr Inspiration?

Wir lassen uns nicht inspirieren. Es scheint, als verhalte es sich eher umgekehrt: die Inspiration beansprucht uns. Zum Beispiel der Blick in das Gesicht deiner Mutter, wenn du zum wiederholten Mal gescheitert bist, oder ein wütender Liebhaber, ein nackter Mann mit einem Messer - das können alles sehr einschneidende Erlebnisse sein.


Eugene, auf der Bühne scheinst du dich komplett in der Musik zu verlieren. Ich finde es äußerst interessant, wie du mit bestimmten ethischen und moralischen Konventionen spielst und das Publikum dadurch verwirrst. Ist das so beabsichtig?

Wenn ich mitten auf die Straße scheißen würde? Ja, das wäre höchstwahrscheinlich so beabsichtigt. Niemand geht doch davon aus, dass ein Mann aus Versehen auf die Straße scheißt, obwohl das wahrscheinlich öfter passiert, als wir glauben. Obwohl man vielleicht erwähnen sollte, dass, falls das tatsächlich jemand machen sollte, die fragliche Person sich wahrscheinlich einen anderen Ort als die Straße aussuchen würde. Wie auch immer, was passiert, wenn wir auf der Bühne musizieren? Das ist so eine Art zufällige Magie. Die Songs haben eine Intention. Die Lyrics haben eine Intention. Die Verbindung von Lyrics und Musik beim Auftritt: vielleicht der glücklichste aller Zufälle.


Denkst du, die Leute mögen, was ihr macht, weil sie verstanden haben, was ihr ausdrücken wollt, oder wegen des bizarren Krams, der da auf der Bühne passiert? Ist das "Unterhaltung durch Verweigerung zu unterhalten"?

Ich weiß nicht, ob die Leute überhaupt mögen, was wir tun. Die nackten Zahlen erwecken nicht gerade den Anschein, dass es irgendjemand mag. Wir sind ja gerade von dieser Tour zurückgekommen, wo wir jeden Abend vor 1.000 Leuten gespielt haben, aber es war offensichtlich, dass die alle nur wegen ISIS gekommen sind, was ja auch in Ordnung ist. Die Zuneigung von 80.000 Leuten würde sich für uns komisch anfühlen, weshalb die Tatsache, dass niemanden es kümmert, was wir machen, ziemlich erleichternd ist. Es mag für dich überraschend klingen, aber OXBOW-Fans sind eine sehr spezielle Gruppe von Individuen. Anders gesagt: Es gibt nicht viele - und manche davon haben uns noch nie live gesehen ...


Ich habe mich bei eurem Konzert musikalisch und intellektuell sehr herausgefordert gefühlt. Das hat mich ziemlich glücklich gemacht, denn ich habe gespürt, dass da etwas Besonderes passiert, etwas, das die meiste Kunst und anderer kultureller Müll nicht bieten kann. Glaubst du, die Leute in unserer Gesellschaft sind intellektuell unterfordert?

Nur so weit, wie sie es selbst wollen. Aber billige Drogen, leichte TV-Kost und süße Passivität sind halt einfacher, als zu versuchen, nicht einfach im Strom des Trügerischen zu treiben. Und du musst zugeben, zu einem gewissen Punkt ist Ignoranz auch Glückseligkeit.


Die letzten OXBOW-Releases kamen über Hydrahead und Neurot raus, beides sehr angesehene Labels, hat das die Bekanntheit gesteigert und einen Anstieg in Verkaufszahlen bewirkt?

Also, "An Evil Heat" kam auf Neurot raus, "Love That's Last" zuletzt auf Hydrahead, genauso wie jetzt "The Narcotic Story". Wie es aussieht, wird über Hydrahead demnächst unser ganzer Backkatalog neu aufgelegt. Und ja, es kaufen jetzt mehr Leute unsere Musik. Das fühlt sich irgendwie komisch an. Aber trotzdem cool.


Ihr seid seit Jahren in der Musikszene unterwegs. Was bedeutet dir Musik? Wie wichtig ist dir das Touren?

Komische Frage. Was bedeutet einem Maler ein Bild, das er gemalt hat? Ich weiß es nicht. Es ist einfach Ausdruck dafür, dass ich noch lebe. Auf Tour zu sein bedeutet, den Leuten deine Musik in einem anderen Format zu erklären. Das scheint das Wichtigste von allem zu sein. Da schließt sich der Kreis, der begann, als wir uns hingesetzt und gesagt haben: Wir werden jetzt etwas erschaffen. Es ist aber auch verdammt hart, denn es kommt nicht genug Kohle dabei rüber, um unsere Jobs hinzuschmeißen und uns voll auf die Musik zu konzentrieren. Aber in kleinen Dosen: absolut perfekt!


Empfindest du OXBOW in irgendeiner Hinsicht als avantgardistisch?

Keine Ahnung. OXBOW ist die Antwort, die all meine Fragen verschwinden lässt. Kann andere Musik das für mich leisten? Eher selten. Ich habe zumindest zu keiner anderen Musik so eine persönliche Verbindung. Habe ich in der Vergangenheit mal Musik gemacht, die sich nicht so angefühlt hat? Sicherlich. Deswegen würde ich sagen: Ja. OXBOW ist etwas

Besonderes.