Selten wird dem Debüt einer Band vor der eigentlichen Veröffentlichung so viel Aufmerksamkeit geschenkt, wie es der Fall bei ONLY CRIME und ihrem Album „To The Nines“ war. Der Grund dafür liegt an den Leuten, die hinter ONLY CRIME stehen. Am auffälligsten ist da natürlich Frontmann Russ Rankin, seines Zeichens Sänger von GOOD RIDDANCE, mit dem ich mich Anfang September über seine neue wie auch seine alte Band unterhalten habe.
Ihr seid soeben von der Warped-Tour zurückgekehrt. Wie ist es gelaufen?
„Die Tour war sehr gut für uns. Wir hatten ziemlich viel Spaß, und ich glaube, dass wir auch ziemlich gut bei vielen Leuten angekommen sind. Auch wenn das nicht unsere erste Tour war, kannte die Mehrheit der Tour-Besucher uns ja noch nicht, daher war es immer wieder schön zu sehen, wie die Zuschauer abgegangen sind bei unseren Auftritten. Auch bei unserer ersten Tour zusammen mit den DROPKICK MURPHYS waren die meisten Kids ähnlich angetan von uns. Das bedeutet uns sehr viel, denn trotz der Erfahrungen, die in dieser Band vereint sind, stellt man sich doch am Anfang die Frage, wie so ein neues Projekt ankommen wird.“
Du hast gerade die Erfahrung angesprochen, die in ONLY CRIME steckt. Erzähl doch mal, wie es zu diesem Line-up und zu eurem Debüt gekommen ist.
„Also, angefangen hat alles im Sommer 2002, als GOOD RIDDANCE gemeinsam mit BANE hier in den Staaten getourt sind. Ich hatte mir zu der Zeit schon ein Jahr lang überlegt eine neue Band zu starten, aber erst als ich Aaron Dalbec von BANE kennengelernt habe, wurden diese Ideen konkreter. Wir haben uns sehr gut verstanden und während der Tour immer wieder einige Ideen ausprobiert. Kurz darauf kam noch Zach Blair dazu, den ich noch von seiner Zeit bei HAGFISH kannte. Das nächste Jahr haben wir damit verbracht, immer wieder miteinander zu telefonieren und an der Idee von einer gemeinsamen Band rumzufeilen. Als GOOD RIDDANCE im Januar 2003 ein neues Album aufgenommen haben, kam Bill Stevenson auf mich zu und sagte, er hätte gehört, ich wäre dabei eine neue Band auf die Beine zu stellen und er hätte Interesse mitzumachen, wenn wir noch einen Schlagzeuger bräuchten. Das war natürlich mehr als cool, schließlich ist Bill eines meiner Idole. Das Line-up von ONLY CRIME wurde dann mit Zachs Bruder Doni Anfang 2004 vervollständigt. Da wir alle über die USA verstreut leben, haben wir uns dreimal für je vierzehn Tage getroffen, in denen wir einfach drauflos gespielt haben. Dabei sind die Songs zu ‚To The Nines‘ entstanden. Ich denke, dass es für uns ein großer Vorteil ist, dass wir schon lange in anderen Bands gespielt haben, so dass wir sehr schnell, aber auch produktiv an die Sache gehen konnten. Und im Studio haben wir einige Sachen dann auch parallel live eingespielt, damit das Ganze kraftvoll klingt.“
Welchen Stellenwert haben ONLY CRIME für dich? Werde ich in Zukunft öfter mit dir wegen GOOD RIDDANCE oder ONLY CRIME telefonieren?
„Haha! Also, ich glaube, wir werden uns definitiv häufiger über ONLY CRIME unterhalten. Uns allen war von Anfang an klar, dass das Ganze mehr als nur ein Nebenprojekt sein soll. Wir alle wollten etwas neues, unabhängig von unseren anderen Bands auf die Beine stellen, was Bestand haben sollte. Und, wir fühlen uns glücklich mit dem, was wir bislang geschafft haben. Die Band wird definitiv aktiv bleiben. Was nun mich und GOOD RIDDANCE angeht, so weiß ich ehrlich gesagt gar nicht, welchen Stellenwert die Band noch für mich hat. Es war ja schon seit drei Jahren so, dass sich die anderen verstärkt um ihre Familien und anderen Bandprojekte gekümmert haben, bzw. Luke sich um sein Studium, so dass für GOOD RIDDANCE immer weniger Zeit blieb. Ich nehme das den anderen nicht übel, aber für mich war das einfach zu wenig. Ich wollte nicht daheim rumsitzen und nichts zu tun haben. Es war mir wichtig, wieder auf Tour gehen zu können und neue Sachen aufzunehmen. Und das ist der Fall bei ONLY CRIME. GOOD RIDDANCE werden auch weiterhin als Band bestehen. Wir werden im Dezember einige Shows in Kalifornien spielen, und wir werden auch noch Alben aufnehmen. Aber ich sehe diese neue Sache eindeutig als die aktivere an, mit der ich in Zukunft mehr Zeit verbringen werde. Es tut einfach wieder gut, viel Zeit unterwegs oder mit Songwriting zu verbringen.“
Ich finde, es gibt so manche Unterschiede zwischen deinen beiden Bands. Zunächst einmal sind ONLY CRIME um einiges härter und mehr am Hardcore der 80er orientiert.
„Ja, das stimmt. Wir wollten etwas machen, das voller Energie ist und das einen beim Zuhören umhaut. Meine musikalischen Wurzeln liegen ja im Punk und Hardcore der frühen 80er, und diese Richtung stand für uns alle von Anfang an fest. Mit GOOD RIDDANCE sind wir immer ruhiger geworden, so dass ich jetzt wieder etwas Härte gebraucht habe. Das hört man dem Album an, aber das sieht man auch bei unseren Live-Auftritten. Bei GOOD RIDDANCE machen wir oft auch etwas Unsinn auf der Bühne, besonders Chuck. ONLY CRIME dagegen gehen direkt raus und versuchen alles in Grund und Boden zu spielen. Wir sind alle geladen und aggressiv, wenn wir live spielen, es wird wenig geredet, und es gibt keine Witze. Wir spielen ein sehr hartes Live-Set, bis es wehtut, und darüber hinaus.“
Dagegen sind die Texte allgemeiner, fast poetischer geworden. Früher hast du über konkrete Sachen gesungen, während die neuen Songs vage sind und düsterer klingen.
„Da hast du vollkommen Recht. Ich habe mir selber Ziele gesetzt, wie ich mich textlich bewegen wollte. Es sollte eine Herausforderung sein an mich und meine Fähigkeiten als Songwriter. Ich wollte nicht mehr so direkte Dinge beschreiben, sondern Worte fast als eigenen Klang benutzen, während der Inhalt nur verschwommen bleibt, so dass sie jeder Zuhörer auf eigene Weise interpretieren kann.“
Was mir besonders aufgefallen ist: politische Themen kommen eigentlich kaum vor. Dabei bist du doch ein sehr politisch denkender Mensch. Oder hast du auch privat deine Denkweise da geändert?
„Nein, das liegt nur an der Idee, die ich hinter allen Texten hatte. Persönlich beschäftige ich mich nach wie vor sehr viel mit Politik. Im Moment versuche ich alle Freunde, die bisher noch nicht als Wähler registriert sind, zum Wählen zu bewegen. Es geht darum, Sachen zu verändern, und das kann nur erreicht werden, wenn viele Leute zeigen, dass sie unzufrieden sind mit den beiden großen Parteien.“
Heißt das, dass du nicht die Demokraten bei dieser Wahl unterstützt?
„Ja, genau. John Kerry hat letzte Woche beim Parteitag der Demokraten gezeigt, dass er nicht anders ist als Bush. Ich glaube nicht, dass er etwas grundlegend ändern oder sich besser verhalten würde. Ich war eine Zeit lang auch der Meinung, dass es wichtig ist, Bush loszuwerden, egal wer der Herausforderer ist. Aber das sehe ich nicht mehr so. Unabhängig vom Ausgang der Wahl wird sich in den nächsten Jahren nichts ändern. Die einzige Möglichkeit, die wir haben, ist mit den Grünen eine dritte Partei zu etablieren, die eine Rolle spielen kann. Vielleicht nicht auf Bundesebene, aber dafür engagieren sich grüne Kandidaten regional viel mehr und können so manches verbessern. Damit sie dazu in der Lage sind, wäre es wichtig die Partei als Ganzes zu stärken. Das ist die Aufgabe, die ich bei dieser Wahl sehe.“
Wie sehen eure Pläne für ONLY CRIME für die nächsten Monate aus?
„Im Moment ist Aaron beschäftigt mit BANE, die ein neues Album aufnehmen. Im Dezember werden GOOD RIDDANCE wieder etwas aktiv sein. Wir überlegen, uns dazwischen schon wieder an neue Songs zu machen. Und nächstes Jahr werden wir dann weiter touren. So wie es aussieht, werden wir im Frühjahr auch nach Europa kommen. Ich freue mich schon darauf.“
Russ, Danke für das Interview.
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