In der Geschichte des Hardcore/Punk gab es einige einprägsame Bandlogos wie zum Beispiel das stilisierte DK für DEAD KENNEDYS, die vier Balken von BLACK FLAG, der Slam-Dancer von D.R.I. oder der Affe von GORILLA BISCUITS. Das Eindrucksvollste war für mich allerdings immer der kahlköpfige Riesentyp in Rückenansicht, der emporsteigt und mit seinem Finger gen Himmel weist – das Logo der Straight-Edge-Band NO FOR AN ANSWER aus O.C., California. 1993 stand ich gespannt mit großen Augen vor der Bühne und im Hintergrund hing ein Banner mit genau diesem Logo. Als die Band die Bühne betrat und ihr Sänger Dan O’Mahony herein kam, war mir klar, es war nicht ohne Grund gewählt. Die Energie und die Aggression, die er auf der Bühne rüberbrachte, waren für mich neu und überwältigend, und passten genau auf das Logo. So eine Performance und so ein Charisma bei einem Sänger hatte ich zuvor bei noch keiner anderen Band gesehen und ist bis heute kaum zu toppen. Fast 20 Jahre sind seitdem vergangen und endlich konnte ich Dan einige Fragen stellen.
Dan, wie erklärst du dir, dass NO FOR AN ANSWER eine der wichtigsten Straight Edge Bands überhaupt waren und sind?
Ich würde uns niemals als so wichtig bezeichnen, weil es vermessen und arrogant wäre, dies zu behaupten, aber es ist schön zu hören, wenn das jemand über uns sagt. Wenn uns eines zu etwas Besonderem gemacht hat, dann war es unsere nonkonformistische Haltung. Unsere Musik klang nicht viel anders als bei jeder anderen Band auch, allerdings scheuten wir uns nicht, unbequeme Aussagen zu machen oder menschliche Fehler einzugestehen.
Euer Bandlogo ist sehr einprägsam und passt zu der Musik von NO FOR AN ANSWER. Steckt eine tiefere Bedeutung dahinter?
Nichts für ungut, aber ich weiß nicht, ob das Logo eine Bedeutung an sich hat. Es repräsentiert, oder besser gesagt: es steht für die Band an sich.
Erzähl uns doch bitte etwas über die Bands, in denen du mitgewirkt hast.
Ich war in den vielen Bands immer der Sänger und habe die Texte geschrieben. In manchen habe ich mich auch um das Visuelle gekümmert, in anderen waren Gavin Oglesby oder John Yates für Cover und Ähnliches verantwortlich. Die Bands, bei denen ich noch gesungen habe, waren CARRY NATION, 411, VOICEBOX, GOD FORGOT, SPEAK 714 und JOHN HENRY HOLIDAY.
Lebst du immer noch in Orange County, California? Wie ist die Hardcore-Szene heutzutage dort, was hat sich seit 1989 verändert?
Es ist lustig, dass du danach fragst, weil ich O.C. in zwei Wochen verlassen werde, um näher an meinem Job zu sein. Es sind zwar nur 18 Meilen, aber eigentlich gehört es dann zu L.A. Ich beschäftige mich heute mehr mit meinen zentralen Werten, meiner Politik und sehe mich mehr als Aktivist, als mich gerade mit der lokalen Musikszene zu beschäftigen. Die meisten Leute, zu denen ich aus der Hardcore-Szene Kontakt habe, sind Menschen von früher. Veränderungen sind etwas, wozu ich jedem raten kann, so wie ich mich ziemlich aus der heutigen aktiven Hardcore-Szene zurückgenommen habe, um andere Dinge zu tun.
Für welche Art von Politik stehst du? Was heißt das, wenn du sagst, du bist Aktivist?
Meine politischen Belange sind ganz einfach: Ich möchte, dass mehr und mehr Menschen begreifen, wie die Regierung arbeitet, nämlich mit der Manipulation von Meinungen und Ansichten. Ich bin sehr tolerant und stehe deshalb für Gesetze oder Politik, die für gleiches Recht für alle stehen und dieses auch beschützen. Ein Aktivist zu sein heißt einfach nur, ein politisch aktives Individuum zu sein, und das bin ich nun mal.
Wie schätzt du die Situation in der heutigen Hardcore-Szene ein?
Wenn es um neue Sachen geht, kann ich nicht viel dazu sagen. Aber es scheint mir, als gäbe es eine Art Nostalgie, die schlussendlich darin besteht, den alten Sachen Respekt zu zollen.
Kannst du uns ein paar gute neue Bands aus den USA empfehlen?
Asche auf mein Haupt, aber OFF! ist die einzige „neue“ Band, die ich höre.
Bist du immer noch in irgendeiner Art verbunden mit der Hardcore/Punk-Szene?
Ich bezeichne mich selbst als Autor und Aktivist, und in diesem Sinne fühle ich mich mehr verbunden mit den Werten des Hardcore als mit irgendeiner anderen Art von Musik, die ich in all den Jahrzehnten kennen gelernt habe.
Wie bezahlst du deine Rechnungen?
Ich habe zwei Jobs: Zum einen bin ich Journalist und als freier Mitarbeiter angestellt, zum anderen manage ich ein Restaurant mit Bar.
Du sagtest, du bist ein Schriftsteller, erzähl uns doch etwas über deine Veröffentlichungen.
Ich habe zwei Taschenbücher geschrieben, das eine handelt von persönlichen Erlebnissen und das andere von dem Leben auf Tour. Ein drittes mit dem Titel „Like Music, Like Magic, Like Words, Like War“ wird bald erscheinen. Des weiteren schreibe ich noch Geschichten übers Boxen und persönliche Dinge für einige lokale Magazine. Ab und zu verfasse ich noch politische Leitartikel für verschiedene Seiten im Internet.
Was ist wichtiger für dich: das Schreiben oder Musik zu machen?
Schreiben, weil man da einen sehr großen Spielraum hat, aber Songs schreiben mag ich auch immer noch sehr.
Was bedeutet es für dich, in einer Band zu sein? Es hatte immer den Anschein, dass ihr mehr zu sagen hattet als andere Bands.
Ich war niemals ein großartiger Sänger, aber ich dachte, dass ich ein ziemlich helles Köpfchen bin, und dass ich mit geschickt gewählten Worten und Aktionen eine gewisse soziale Verantwortung ausüben kann. Das alles zusammen macht das Singen zu etwas Wichtigem.
Welche Dinge machen dich heutzutage besonders wütend?
Ich habe keinen Bock auf Rechtsextremismus oder irgendwelche Vorurteile. Ich verachte jede Art von durch Religion motiviertem Hass, aber das ist genau das, was sich in meinem Land erneut ausbreitet.
Wie fühlst du dich dabei, nach all den Jahren wieder auf der Bühne zu stehen?
Es ist eine viel größere körperliche Anstrengung als früher, aber ich genieße es immer noch und überlege, es wieder öfter zu machen.
Was bedeutet Straight Edge für dich und wie denkst du im Jahr 2012 darüber?
Straight Edge war eine aufregende Subkultur innerhalb einer Subkultur und damals ein sehr positiver Einfluss in meinem jungen Leben. Heutzutage spielt es keine Rolle mehr für mich. Ich werde auch nicht die Tatsachen verdrehen, dass es einfach nur so war. Ehrlich gesagt, denke ich überhaupt nicht darüber nach. Ich lebe nach meinen Vorstellungen und Gewissen. Mit 44 Jahren ist es echt schwer, sich mit diesen zwei Worten zu charakterisieren.
Kannst du dir vorstellen, mit NO FOR AN ANSWER oder einer anderen Band wieder nach Deutschland auf Tour zu kommen?
Oh ja, das kann ich sehr gut, und ich würde es sehr gern, wenn es eine Möglichkeit gibt, dass ich dabei meinen Job nicht verliere, oder wenn mein Umfeld es erlaubt.
Was weißt du über Deutschland?
Um ehrlich zu sein, habe ich eine Menge Zeit dort zugebracht. Ich habe vor einigen Jahren eine Frau in Hannover kennen gelernt und bin immer wieder dort gewesen. Für einen netten Amerikaner ist es echt ein cooler Platz zum Leben. Ich habe einige Zeit in einer Vielzahl von besetzten Häusern verbracht, wo mich das politische Bewusstsein und die Leidenschaft wirklich beeindruckt haben.
Kennst du einige Bands aus Deutschland?
Nicht mehr. Schande über mich, ich weiß!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #103 August/September 2012 und Andreas Zengler