Es ist schon ein paar Jahre her, als mir ein Freund eine selbst gebrannte CD mit dem Titel "Stimmen in U-Haft" überreichte. Der Kommentar dazu lautete in etwa: "Hat ein Mitschüler von mir aufgenommen. Ziemlich kranker Scheiß, aber lustig." Dieser Satz beschrieb den darauf enthaltenen Krach recht gut. Aus mir rätselhaften Gründen wusste die minimalistische Kriegserklärung an konventionelle Hörgewohnheiten nichtsdestotrotz zu gefallen. Zugeben, inzwischen hört sich die Musik von NIN KUJI wesentlich verträglicher an, und ist um einige Lichtjahre ausgefeilter, gut ist sie nach wie vor. Nicht nur das, sondern auch die Tatsache, dass Norman (der Mensch hinter NIN KUJI) ein sehr freundlicher und humorvoller Zeitgenosse ist, waren Grund genug für das folgende Interview.
Norman, die wenigsten Leser werden dich kennen ...
Mit NIN KUJI habe ich Ende 2001, Anfang 2002 begonnen Musik zu machen. Zwar hatte ich dazu nicht wirklich eine Möglichkeit, aber ich wollte unbedingt. Es ging mir darum, Emotionen rauszurotzen. Auch wenn mir dazu nur recht magerer musikalische Mittel, sprich eine Audiospur plus verzerrte gesamplete Stimme, zu Verfügung standen. Die Vorbilder waren damals noch VELVET ACID CHRIST, HAUS ARAFNA, SOPOR AETERNUS und ein bisschen GOETHES ERBEN, aber auch so was wie Johnny Cash oder THE DOORS.
Wie hat sich die Sache entwickelt?
Ich hatte halt nie ein Instrument gelernt und hab mir alles, was ich bis heute kann, autodidaktisch beigebracht. Inzwischen habe ich mehr Equipment und Können. Gerade im elektronischen Bereich ist man stark von seinem Equipment abhängig. Ich kann mir nicht eine x-beliebige Gitarre nehmen und meine Lieder darauf spielen. Allerdings versuche ich, alle mir zur Verfügung stehenden Mittel in die Musik einfließen zu lassen, und bin bemüht, dass die Sache, auch wenn sie elektronisch ist, organisch und emotional klingt. Ich versuche, Komplexität mit Griffigkeit zu verbinden. Musik, die beim Hörer funktioniert und trotzdem nicht dumm ist. Natürlich hat man am Computer nahezu unendliche Möglichkeiten, und ich merke schon, dass ich mich zu entscheiden habe, auf welchen Nenner ich kommen will, und mir das klar vor Augen halten muss, damit ich nicht allzu sehr abschweife. Die Entstehungszeit von Liedern kann eine halbe Stunde, aber auch mehrere Monate betragen.
Was ist dir wichtiger, Rhythmus oder Melodie?
Rhythmus. Aber primär deswegen, weil dort momentan meine Stärken liegen. Melodie ist natürlich wichtig, wenn es um Emotionen geht, und ich würde auch gerne mit der Zeit lernen, gute Melodien zu bauen.
NIN KUJI, Bauch- oder Kopfmusik?
Beides, obwohl ich momentan mehr zu Bauch tendiere. Wird aber auch wieder wechseln. Im Gegensatz zu vielen anderen habe ich sowohl ein paar Stücke zum Tanzen, während andere auch absolut heimtauglich sind - irgendwelche Ambient-Sachen, die im Club natürlich eher schwer funktionieren. Ich höre verschiedenste Arten von Musik. Menschen die nur Sachen hören, die sie selber bedienen, veröffentlichen dann meistens auch recht seelenlosen Kram, der kann zwar handwerklich okay sein, aber ansonsten ... Mir geht es nicht um die Musikrichtung an sich, sondern um das, was transportiert wird.
Ist es für dich Vorteil oder Nachteil, dass du alleine arbeitest?
Ich finde es schon manchmal nett, mit anderen Leuten zu kollaborieren. Trotzdem, die besten Sachen entstehen, wenn ich es zu Hause alleine mache, und mich mit niemandem über irgendetwas streiten muss. Mit anderen Menschen Musik zu machen, kann aber auch ein entspannter Gegenpol zum ernsthaften Arbeiten sein. Man sitzt irgendwo in lockerer Runde zusammen und chillt ein bisschen.
Was motiviert dich inhaltlich?
Eigentlich fast ausschließlich Persönliches und eher wenig Gesellschaftliches. Wenn man sich mit den Inhalten beschäftigt, wird man auch merken, dass viel Humor enthalten ist. Viele der ernsteren Themen werden, beispielsweise durch die Wahl der Samples, persifliert. Obwohl auch Sachen dabei sind, wo ich sage, die soll man wirklich ernst nehmen.
Stichwort: Samples.
Wenn ich Filmsamples benutze, was ich immer eine schöne Auflockerung finde, sind das häufig Dinge, die aus einem völlig anderen Kontext kommen, und zusammen mit meiner Musik völlig anders wirken. Bei anderen Bands nervt mich oft die Mischung: Rhythmus, dann ein plakatives Horror/Metzelfilm-Sample, dann wieder Rhythmus. Das ist mir inzwischen zu billig, ich versuche, die Samples schon mehr in die Sache einzuflechten.
Was für Menschen hören deine Musik, wie kann man das Zeug beziehen?
Ich habe eigentlich keine Lust, für irgendwelche Gruftmotten in der Disco den Hampelmann zu machen, und ich hoffe, dass ich da ein bisschen außen vor bin. Natürlich ist mir schon bewusst, dass das die Leute sind, die meine Musik im Club hören, aber das habe ich beim Machen nicht unbedingt im Hinterkopf. Erhältlich ist meine Musik momentan über mp3.de als Free- und Pay-Download, außerdem stelle ich Zeugs in Heimarbeit her, was man dann über le-petit-machiniste.org ordern kann. Halt D.I.Y.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #71 April/Mai 2007 und Lars Koch