NIMRODS

In einem Review stand mal geschrieben, "Die Nimrods strahlen heller als tausend Kühlschrankinnenbeleuchtungen"*. Ehrlich gesagt verstehe ich nicht so ganz, was das eigentlich bedeuten soll. Ich glaube aber, daß es doch irgendwie etwas Positives ausdrücken sollte, so eine Art subtiles Kompliment nach dem Motto "doof aber niedlich". Möglicherweise sollte es aber auch etwas viel bedeutsameres ausdrücken - der Typ, der das geschrieben hat, ist, glaube ich, nämlich sowas wie ´n richtiger Literat! - aber das haben die Nimrods selbst bestimmt auch nicht verstanden.

Andere Rezensenten drücken sich dagegen manchmal wesentlich unzweideutiger aus, wenn sie die "mangelhafte Soundqualität" der Nimrod´schen Veröffentlichungen rügen. Dem Fachkundigen ist das natürlich nur ein Indiz dafür, daß er es hier also mit der LoFi-Spielart des Punkrock (der war ja sowieso klar, oder?) zu tun hat, die mittlerweile unter der Bezeichnung "Budget-Rock" als eingetragenes Genre in die entsprechenden Rock-Lexika eingegangen ist. Und auch wenn manch einer da nichts anderes als lediglich eine rumpelnde Ramoneskopie in schlechtem Sound hören kann (womit er auch richtig gehört hat), ist genau der (der Budget-Rock!) in lupenreiner Form auch auf den mittlerweile zwei Veröffentlichungen der Band enthalten. Namentlich eine Single und ein kompletter Longplayer der Nimrods liegen uns vor. Die Debüt-7" erschien auf "Wild Weekend", und da dies in einer 1.000er Auflage geschah, liegt davon auch noch ein ganzer Haufen herum. Die 500 Stück, die "Budget Recordings" von der "Sometimes Nimrods Don´t Wear White!"-LP gepresst hat, sind nach Labelverlautbarungen dagegen so gut wie weg; dabei kann es sich aber natürlich auch um einen Marketingschachzug handeln, mit dem Ziel die Nachfrage nochmals anzukurbeln. Wie dem auch sei, beide Platten machen in jedem Fall keinen Hehl daraus, daß es der Band sowohl in künstlerischer als auch in klanglicher Hinsicht um Reduktion und Purismus geht. So wirbt auf dem LP-Cover beispielsweise ein mutmaßlich fiktives "Johnny Ramone"-Prüfzeichen damit, daß die Platte "hundertprozentig frei von Gitarrensolos" ist (was übrigens auch stimmt).

Ich bin mir sicher, daß schon mit etlichen Bands Interviews gemacht wurden, die weniger als dies mitzuteilen hatten. Dies habe ich mir Grund genug sein lassen, das Gespräch mit einem der Nimrods zu suchen. Genauer gesagt unterhielt ich mich mit dem "Supergiant Leader-Nimrod".

Mal abgesehen davon, daß der Name NIMRODS nicht besonders originell ist, ich kenne nämlich mindestens noch zwei Bands mit diesem Namen, was bedeutet "Nimrod" eigentlich?

Das wundert mich aber, daß du das nicht weißt. "Nimrod" bedeutet nämlich Idiot!

(erregt) Moment mal, willst du damit etwa sagen, daß ich ein Idiot bin?

Das hast du gesagt!-Jetzt aber noch zu deinem anderen Punkt: Originalität ist für uns kein Maßstab, unsere Musik ist auch nicht originell und soll es bestimmt auch nicht sein. Rock´n´Roll ist nie originell!

Apropos "Unoriginell"; warum kommt in fast jedem Songtitel und -text das Wort "Nimrod" vor. (grübelnd) Oder ist das jetzt schon wieder originell?

Originell, Unoriginell, Bloody Hell! Jetzt hab´ ich aber gleich genug! Originalität kommt im Nimrods-Universum als Größe überhaupt nicht vor und wird bestimmt schon nicht hinterfragt! Du hast da aber was angesprochen, was immer wieder Thema in Rezensionen ist. Witzigerweise finden das manche Leute lustig, und für andere ist das manchmal ein ganz schlimmer Kritikpunkt. Der Grund warum das Wort so häufig vorkommt liegt ja wohl auf der Hand: Weil wir die Nimrods sind! Da ist es ja wohl auch ganz klar, daß wir über uns singen. Über wen sollten wir denn sonst singen?! Außerdem kann ich wirklich nicht verstehen, wie sich da jemand dran stoßen kann. Rock´n´Roll-Lyrics bestehen ja sowieso immer nur aus ein paar zentralen Termini, und ob wir da jetzt andauernd "Baby" oder "Action " oder eben "Nimrod" singen ist doch wurst!

Bei eurer 7" habt ihr ins Inlet geschrieben, "We´re just a bad copy of a copy!". Wieso stellt ihr euer Licht so unter den Scheffel, und was ist damit eigentlich gemeint?

Wer so tief stapelt, dem kann halt keiner was ans Zeug flicken. Wenn ich mir das nochmal so überlege stimmt das eigentlich auch nicht ganz. Wir sind nämlich eigentlich "a copy of a bad copy", was bedeutet, daß wir eine relativ gute Kopie von SUPERCHARGER sind, die wiederum die schlechte Kopie der RAMONES waren, was natürlich cool war! Ist aber auch alles nicht so wichtig, wir wollten mit dem Spruch halt einfach so´n bißchen auf die Kacke hauen.

Erzähl doch mal ein bißchen was über eure Bandgeschichte!

Bandgeschichte? Okey Dokey! Also die Gründung der Nimrods vollzog sich meiner Erinnerung zufolge Ende ´97 und hing damit zusammen, daß unser Gitarrist Killer und ich einen neuen Schlagzeuger für unsere damalige Band BURGER KINGS suchten. In dem Zusammenhang kamen wir mit Marky in Kontakt. Aus verschiedenen Gründen haben wir dann aber gleich eine ganz neue Band, eben die Nimrods, gegründet. Mit den Nimrods machen wir auch einen anderen Sound als die BURGER KINGS, nämlich South City-Style LoFi-Punk mit Groovie Ghoulies-Einfluß. Die BURGER KINGS, die anfangs übrigens WONDERS hießen, waren ja eher eine reine Pop-Punk Band. Ende letzten Jahres, lange nachdem es die Band aktiv schon nicht mehr gab, kam dann auch erst die LP ´raus. Im Vergleich mit den Nimrods erscheint die mir mittlerweile echt überproduziert, es zahlt sich einfach nicht aus, im Studio aufzunehmen. (Was redet der denn da? Also wenn die BURGER KINGS LP überproduziert ist, dann ist beispielsweise die JET BUMPERS LP aber auf James Last-Niveau!, Anm. d. Verf.) Wie ging´s weiter? Nach 3 Wochen hatten wir unseren ersten Auftritt in Münster, dann kam die Single auf Holger Daniels "Wild Weekend"-Label und dann haben wir, damit es schnell geht, und wir keinen Bock hatten, Demos zu verschicken und Leute bequatschen zu müssen, die LP auf unserem eigenen Label "Budget Recordings" gemacht. Von der haben wir mittlerweile auch nur noch so 50 Stück. Die ist halt ziemlich begehrt, weil da auch ein schönes Poster von uns ´drin ist.

Was hat es denn mit der Strafanzeige gegen euren Drummer auf dem Backcover eurer Single auf sich. Ist die echt?

Die ist aber sowas von echt! Unser Drummer Marky ist halt ein junger Spund, gerade mal 21, der muß sich eben noch so ein bißchen die Hörner abstoßen. Die Sache, um die es da geht, passierte, als er sich mit seinen Gladbecker Kumpeln an einer Tankstelle zum Rumhängen und Biertrinken getroffen hatte. Da kam dann die Polizei und hat die Jungs provoziert, und da Marky ja auch ein Halb-Italiener ist, ist er natürlich aufgebraust und hat sich mit denen angelegt. Wie man auf der Single lesen kann, hat er dem einen Bullen gegenüber einen Kußmund gemacht. Dafür mußte er tatsächlich vor Gericht und hat auch noch Sozialstunden aufgebrummt gekriegt. Die hat er dann im "Maxus" in Gladbeck abgeleistet, wo er gleich einen Auftritt für uns klargemacht hat.

Wenn Marky erst 21 ist und ihr anderen beiden aber schon Ende 20 seid, wie kommt ihr denn dann mit dem Altersunterschied klar?

Super, wir sind geistig eigentlich auch auf demselben Niveau. Außerdem ist es absolut von Vorteil, einen jungen, gutaussehenden Kerl in der Band zu haben.

Wieso denn?

Weiß ich auch nicht, hab´ ich nur so gesagt.

Jetzt muß ich aber doch auch noch mal die Soundfrage stellen. Wieso geht ihr nicht in ein vernünftiges Studio? Dann könntet ihr vielleicht auch viel erfolgreicher sein.

Da glaubst du ja wohl selbst nicht ´dran! (Stimmt!, d. Verf.) Wir sind außerdem absolut zufrieden mit dem Sound unserer LP. Der könnte gar nicht besser sein. Der Gesang ist laut genug und das Schlagzeug rummst so schön. Es geht einfach nichts über eine 4-Spur-Aufnahme. Die kostet uns nichts, und was billig ist mag ich sowieso. Wir sind nun mal eine Budget-Rock-Band, und unser Sound ist authentisch. Außerdem haben wir extra groß auf die LP draufgeschrieben, was den Hörer erwartet. Übrigens bin ich der Meinung, daß so manch fad produzierte Pop-Punk-Kapelle, von denen es ja im Moment tausende gibt, tausendmal interessanter wäre, wenn sie einen schmutzigeren und krachigeren Sound hätte.

Du erwähntest aber vorhin die GROOVIE GHOULIES; die sind ja auch nicht gerade eine LoFi-Band.

Ich hab´ ja auch nicht gesagt, daß ich nur Lo-Fi gut finde. Das Wichtigste ist schließlich der Song, und dann kommt erst der Sound! Und die Songs der GROOVIE GHOULIES sind genial, dabei aber super-simpel und schön primitiv. Ihr Sound ist natürlich ziemlich sauber, aber trotzdem ganz schön fett, das geht schon in Ordnung. Natürlich wären die vielleicht noch besser, wenn sie einen roheren Sound hätten, aber die haben ja die Möglichkeit, mit ihrer Musik Geld zu verdienen, in so einem Fall würden wir natürlich auch sofort in ein Studio gehen.

Ist das nicht ganz schön opportunistisch?

Meiner Meinung nach ist das nicht opportunistisch, sondern opportun!

Ach so. Anderes Thema: Wie sieht´s denn bei euch mit Auftritten aus? Spielt ihr viel "live"?

Geht so. Ich meine, wir sind nicht gerade die JET BUMPERS, die jedes Wochenende zwei Auftritte haben können. Wir sind halt auch nicht die Typen, die sich ans Telefon hängen und alle Leute verrückt machen, um Auftritte zu kriegen. Wenn ich´s mal überschlage kommen wir vielleicht auf durchschnittlich zwei Auftritte pro Monat.

Was war der beste?

Das war ganz eindeutig, als wir auf einem Ausflugsschiff auf dem Rhein-Herne-Kanal anläßlich eines doppelten 40sten Geburtstages gespielt haben. Da hatte jemand das Schiff gemietet, um seinen Geburtstag und den seiner Frau oder Freundin zu feiern. Und uns haben die halt auch gebucht, weil die trotz ihres "hohen" Alters auf Garage-Punk stehen. Und so ein bißchen sollten wir wohl auch die teilweise etwas gesetzteren Party-Gäste kulturschocken. Das war ein Super-Abend! Es gab Essen und Trinken im Überfluß, wir haben gutes Geld gekriegt und auf so einem Ausflugsdampfer bin ich auch schon lange nicht mehr gefahren. Lustigerweise merkten wir erst als wir schon eine ganze Zeit so herumgeschippert waren, daß überhaupt keine Mikros an Bord waren. Deshalb mußten wir dann nochmal anlegen und zu unserem Proberaum fahren, um welche zu holen. Als wir dann nachher gespielt haben, sind wir übrigens unerwarteterweise sehr gut angekommen. Schönen Gruß übrigens von hier aus an den Michael und die Almut. Ich hoffe ihr bucht uns an eurem 50sten auch wieder!

Der schlechteste Auftritt?

Der war im "Sonic" in Velbert, zusammen mit den BAZOOKAS. Da haben wir echt ´ne Lachnummer abgeliefert. Irgendwie haben wir da keinen einzigen Ton getroffen. War aber eigentlich auch egal, war ja sowieso kein Publikum da!

Ich habe gelesen, daß ihr ein sogenanntes "Nimrod-Gesetz" habt, in dem z.B. steht, daß ihr nur die Akkorde A, D und E benutzen dürft, und, daß jeder von euch das Instrument spielen soll, das er am wenigsten beherrscht. Ist das nur ein Witz, oder ist da was dran?

Das ist ganz und gar kein Witz! Das "Nimrod-Law" gibt es tatsächlich, und zwar aus dem Grund, um die Nimrods vor der schlimmsten Seuche, die eine Rock´n´Roll-Band befallen kann, zu schützen: die Pest der "Weiterentwicklung"! An der sind nämlich schon viel zu viele Bands eingegangen. Spielt man nämlich erst mal ´ne Zeit zusammen, schleichen sich einem über kurz oder lang fast zwangsläufig irgendwelche verrückten Ideen ins Hirn, und eh man sich versieht hat man ein Gitarrensolo oder ein 5-Minuten Stück mit 6 Akkorden auf der Platte, also sowas, was ich wirklich nur mit den Worten "progressive Experimente" bezeichnen kann. Dagegen kann man aber kaum was machen, denn mit der Zeit lernt selbst der größte Purist , mehr als drei Töne auf dem Bass zu spielen. Deshalb haben wir uns mit dem Nimrod-Law eine kompromißlose Selbstbeschränkung auferlegt. Momentan sieht´s mir auch so aus, als ob wir bald mal eine interne Umverteilung der Instrumente vornehmen müßten. Da hat sich nämlich für meinen Geschmack schon ein bedenkliches Maß an Perfektion im Umgang mit denselbigen eingeschlichen!

Aber kann man denn überhaupt genug Songs schreiben, wenn man immer nur dieselben drei Akkorde benutzen darf?

Überhaupt kein Problem! Rock´n´Roll wurde ja eigentlich immer nur mit den Akkorden A,D und E gemacht, deshalb nennt man die ja auch das "Rock´n´Roll-Schema". Was mir aber übrigens echt die Eier hartmacht, ist, daß bei fast jeder Punkrock-Band immer was von "3-Akkord-Punk" geschrieben wird. Ein sehr gutes Beispiel sind da die RAMONES, von denen wird das auch immer gesagt, wobei das natürlich absolut nicht stimmt. Eigentlich kann man sagen, daß wir die einzige echte 3-Akkord-Punk-Band sind!

Wieso tretet ihr eigentlich immer mit Sonnenbrillen auf?

Das hängt mit unserer Auffassung von Rock´n´Roll-Entertainment zusammen. Dazu gehört für uns einfach ein gewisser Kleidungsstil, und Sonnenbrillen gehören nun mal zum Rock´n´Roll. Und da die Nimrods R´n´R in seiner reinsten, puristischsten Form transportieren, gehören die Dinger nun mal auf die Nase. Ich persönlich finde Bands, die in einem nachlässigen, unstimmigen Outfit auf die Bühne gehen zum Kotzen. Das sind so Typen, denen es "nur um die Musik geht", die wollen sich nur "ausdrücken". Dabei sehen sie dann aus wie die letzten Penner. Natürlich geht´s nicht nur um die Musik, sondern mindestens genauso um den "Look". Was wären denn die RAMONES ohne ihre Lederjacken und Pottfrisuren gewesen?! "You have to look good to sound good" ist ja auch die älteste R´n´R-Weisheit der Welt. Und weil von uns bis auf unseren Drummer keiner gut aussieht, setzen wir uns wenigstens Sonnenbrillen auf, damit sieht nämlich selbst der größte Freak noch irgendwie cool aus. Ich persönlich habe aber auch noch einen anderen Grund, warum ich eine Sonnenbrille trage. Ich kneife nämlich immer instinktiv die Augen zu, um die deprimierende Szenerie vor der Bühne nicht mitanzusehen, diese paar vereinzelten Figuren, die da wie angewurzelt herumstehen. Und das sähe dann wahrscheinlich ziemlich dämlich aus, die zugekniffenen Augen mein´ ich.

Neben SUPERCHARGER covert ihr ja auch sehr gerne die DONNAS. Kann man sagen, daß ihr sowas wie die männlichen DONNAS sein wollt?

Sehr scharfsinnig beobachtet von dir, mein Kompliment!

Danke, man tut was man kann.

Dazu muß man natürlich sagen, daß wir jetzt nur von den frühen DONNAS bis einschließlich der ersten LP sprechen. Nach ihrem Wechsel zu Lookout waren die ja plötzlich der letzte Mist. Die zweite LP ist einfach nur scheiße und langweilig. Die ersten Singles sind das Beste von denen, absolut grandioses Songwriting und göttlich arrangiert. Zu der Zeit hätte ich die gerne mal live gesehen, aber heute interessieren die mich wirklich nicht mehr.

So jetzt hab´ ich aber langsam keinen Bock mehr. Habt ihr noch irgendwelche letzten Worte oder so?

Ja, aber nur das Übliche, nämlich den Appell an Veranstalter, uns zu buchen. Wir sind wirklich noch sehr günstig zu kriegen und garantieren echte Rock´n´Roll-Unterhaltung, wahlweise auch mit Pyroeffekten. Besonders gerne spielen wir auch auf Familienfeierlichkeiten und Betriebsfesten. Wählt einfach eine der folgenden Hotlines und bucht uns: 0208 60 29 62 oder 02043 488 219.

Interview: He-Who-Cannot-Be-Named-As-The-Author

(* "SUNSET" Nr. 16, S. 28)