Geschätzte drei, vier Mal war ich im New Yorker Traditionsclub CBGB’S, bei jedem Besuch der Stadt in den Neunzigern schaute ich mal vorbei. Das letzte Mal war 1996, es könnte ein Konzert von UNSANE gewesen sein, sicher bin ich mir da aber nicht. Brendan von SFA war damals Türsteher von dem Schmuddelclub in der Bowery im Westen von Manhattan, und ich kann mich vor allem noch an meine Schockstarre erinnern, als ich dort aufs Klo ging: alte New Yorker Häuser sind ja durchweg untenrum etwas angegammelt, aber hier ... eine Kloschüssel in der Ecke, auf der Generationen von Musikern ihren Bierschiss losgeworden waren. Was man auch sah.
Mit heutigen Konzertveranstaltungsorten in Europa, die mittlerweile alle irgendwie gleich durchtechnisiert sind, behördlich gut überwacht und mit energieeffizientem LED-Licht ausgestattet und bester Digitaltechnik und allem Pipapo, hatte der 1973 von Hilly Kristal im East Village gegründete Club nur wenig gemeinsam. Es war ein Drecksloch, aber ein legendäres. Fast jeden Tag spielten Bands, bekannte, unbekannte, erst später bekannte, und ich war bei meinen Besuchen immer überrascht, wie wenig Leute sich oft für Bands interessierten, die wir in Deutschland für viel größer hielten. „Larger than life“ galt da oft nicht nur für die Auftretenden, sondern auch für den Club, dessen Name eigentlich den Zusatz „& OMFUG“ trägt und seinen Genitiv-Apostroph nur inoffiziell anhängen hatte, ausgeschrieben hieß das: „Country, Bluegrass, Blues and Other Music for Uplifting Gormandizers“. 2005 wurde Kristal, der $19.000 Miete im Monat zahlte, dann von seinem Vermieter (einer Non-Profit-Obdachlosenhilfe-Organisation) auf $90.000 Nachzahlung verklagt. Die Miete sollte auf $35.000 Dollar steigen, Kristal zog es vor, nach Las Vegas ins Exil zu gehen, und am 15. Oktober 2006 trat Patti Smith als letzte Musikerin überhaupt im CBGB auf, das danach erst so richtig zur Legende wurde. Kristal starb 2007, seine Familie verkaufte die Markenrechte an eine Gruppe unbekannter Investoren, die Namen und Logo seither fachgerecht „ausbeuten“.
In die Räumlichkeiten des CBGB in der 315 Bowery zog 2008 die Boutique des Mode-Designers John Varvatos ein, ein Typ, der sich auch „philanthropischen“ Dingen widmet, etwa im Rahmen der „VH1 Save The Music Foundation“, und für seine Anzeigenkampagnen schon mal Iggy Pop oder GREEN DAY einkauft. Beim Besuch in der Boutique ist man analog zum früheren Toilettenekel unwillkürlich angewidert vom Gestank des Geldes: Hosen, Mäntel und so weiter zu Preisen, die ein Vielfaches jenseits dessen liegen, was normale Menschen bezahlen können. Wer hier kauft, denn will man nicht kennen. Krasse Luxusscheiße für ekelhafte Bonzen, stilvoll „vintage“ angerichtet, mit alten HiFi-Geräten dazwischen und Rock’n’Roll-Bildchen an der Wand.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #135 Dezember/Januar 2017 und Joachim Hiller