Inzwischen ist Zeckenrap politischer, als es Punk vielleicht jemals war. Wo sich manche Band in Belanglosigkeit und Saufsongs verrennt, zeigen NEONSCHWARZ, dass politische Inhalte leicht transportiert werden und sich im Ohr festfressen können. Mit Leichtigkeit, Spaß, antinationalistischen und antihomophoben Aktionsfahnen gegen existierende Herrschaftsverhältnisse. Die Hamburger Rap-Bande funktioniert als popkultureller Anstoß, sich gegen ungerechte Verhältnisse aufzulehnen, genau so gut wie als tanzbarer Spaßbrocken. Ihre Platte „Fliegende Fische“ kann kaum noch ignoriert werden, das meint auch Johnny Mauser.
Tom Sawyers Abenteuer vs. Neonschwarzs Abenteuer. Gibt es da Analogien?
Den Fluss, das Floß und den Versuch, aus der bestehenden Situation auszubrechen und Neues zu entdecken. Ansonsten war das natürlich noch eine andere Zeit, über die Mark Twain schrieb. Schlimmster Rassismus und Sklaverei im 19. Jahrhundert in Nordamerika.
Ausbrechen und mit dem Floß Kokosnuss schlürfend in die Sonne vs. Verändern, oder ist doch beides möglich?
Es ist kein Widerspruch, für ein schöneres Leben zu kämpfen und dabei auch darauf zu achten, dass man selber ein schönes Leben hat. Im Gegenteil, wenn das eigene Leben schön ist, hat man mehr Kraft, sich für Veränderung einzusetzen.
Gegenwind abwehren, Wände kennenlernen, Durchbrüche suchen? Wie schafft man es immer wieder, auch Risse in der Wand zu sehen?
Das scheint manchmal tatsächlich etwas aussichtslos, aber wenn man merkt, wie viele Gleichgesinnte es gibt, dann gibt einem das immer wieder Kraft und Hoffnung, irgendwie doch weiter zu machen.
Die freie Entfaltung für jeden Menschen scheint unmöglich und der rechte Flügel sammelt wieder fleißig Stimmen. Wer sich gegen solche Zustände wehrt, wird als „gefährlich“ eingestuft. Wie kann man dieses Bild positiv gestalten, während Medien weiter am Klischeebild arbeiten?
Die Kriminalisierung von Menschen, die die herrschenden Verhältnisse hinterfragen oder sogar angreifen, ist nicht neu. Paradox wird es aber tatsächlich, wenn Inhalte oder Positionen, die unserer Band oft als „engagiert“, „wichtig“ oder „mutig“ positiv angerechnet werden, bei anderen als „extrem“ oder „gefährlich“ gelten. Ein Weg über Musik, Offenheit und Inhalte in anderen Settings als den gewohnten, finden wir gut.
Kann die Zeckenrapcrew etwas dazu beitragen, Inhalte zu verbreiten und Denkanstöße zu vermitteln, um im Endeffekt schönere Verhältnisse auf der Erde zu schaffen?
Ja, ich glaube, das unsere TickTickBoom-Zeckenrapcrew schon jetzt etwas verändert hat. Langsam finden wir auch außerhalb unserer eigenen Szene statt und die „Hiphop-Szene“ kann uns nicht mehr einfach ignorieren. Dafür sind wir jetzt wohl zu groß. Wir sind ein Gegenpol zu dem ganzen homophoben, sexistischen, menschenverachtenden Scheiß, den leider so viele Kids heutzutage hören. So können wir Inhalte verbreiten und Denkanstöße geben.
Schafft es euer eingängiges, oft spaßiges NEONSCHWARZ-Gerüst, dass man sich einfach mit sozialkritischen Themen beschäftigen kann?
Vielleicht schaffen wir es, damit Leute anzusprechen, die sich über manche Themen noch keine Gedanken gemacht haben; als Einstiegsdroge sozusagen. Mit den Songs können wir ja eigentlich nur Denkanstöße zu Themen geben, mit denen die Leute sich dann im besten Fall weiter beschäftigen. Das oft eher fröhliche „Gerüst“ der Songs sorgt vielleicht für Eingängigkeit, aber wahrscheinlich stolpert man doch zu oft über den Text, um sie einfach so wegzukonsumieren.
Tanzen und Spaß haben gegen langweilig-mühsames politisch-soziales Engagement. Zeigt NEONSCHWARZ, dass beides zusammen passt und nicht langweilig sein muss?
Klar, da muss man einfach mal auf eines unserer Konzerte gehen. Wir vertreten bestimmt unsere Meinung und bleiben darin auch sehr stabil, aber wir feiern auch einfach mit den Leuten. So langweilig und mühsam muss politisches Engagement ja gar nicht sein. Es fängt schon im Kleinen an, wenn man zum Beispiel rassistische oder sexistische Kommentare kritisiert und nicht einfach so stehen lässt. Besonders mühsam und kompliziert ist das auch nicht.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #116 Oktober/November 2014 und Benja Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #126 Juni/Juli 2016 und Frank Weiffen