Post? Doom? Metal? Ambient? Alles Nebensache. Hauptsache, den Kopf ausschalten, meint Jan Korbach. Wir haben mit dem Gitarristen der Berliner Instrumental-Fraktion über ihr drittes Studiowerk „III“ gesprochen. Und nicht zuletzt darüber, worauf es für eine Band am Ende des Tages wirklich ankommt.
An so einer Albumproduktion hängt ja immer eine ganze Menge dran. Wie ist der gesamte Prozess vonstatten gegangen? Und was waren die Herausforderungen dabei?
Es gibt immer verschiedene Phasen. Es gibt eine Chaosphase und eine Ordnungsphase, würde ich grob sagen. Am Anfang bist du einfach kreativ, da hat man aus teils unerfindlichen Gründen auf einmal Ideen. Manchmal lockt dich irgendwas an. Und dem folgst du dann. In dieser Zeit läuft alles erst mal sehr intuitiv ab, du lässt dich treiben. Irgendwann entstehen dann die ersten Demos. Und dann irgendwann beginnt die Phase, die so ein bisschen mehr Handwerk ist. Da werden die Songs, die mitunter erst mal sehr lang sind, für einen selbst logisch gemacht. Gehört der und der Part überhaupt da rein? Ist das eine Familie oder ist das jetzt irgendwie ein entfernter Cousin, der gar nicht in dieses Stück gehört. Das gilt es zu klären. Wenn du das dann geschafft hast, dann geht es ins Studio. Wir machen immer eine kleine Vorproduktion, bevor es ins richtige Tonstudio geht. Dort werden erst die Drums aufgenommen, dann Gitarre und Bass, dann Overdubs. Anschließend geht es an den Mix und ans Mastering. Und zwischenzeitlich hat man dann schon mindestens drei bis viermal seinen Verstand verloren, haha.
Wieso genau?
Nun, man zeigt es zwischendurch ja auch Leuten. Und dann wird man unsicher und fängt an zu zweifeln. Und dann ist man doch wieder überzeugt. Deswegen ist es auch echt wichtig, dass Alben auch einfach stumpf fertig gemacht werden. Weil ansonsten ist die Gefahr auch echt groß. Ich selbst arbeite bei einem Label und erlebe das bei vielen Artists, dass Platten irgendwo auf dem Rechner schlummern, weil die Leute es irgendwann einfach nicht mehr hinbekommen, das Album rauszubringen.
Mittendrin musstet ihr auf einer Position ja auch noch mal umdisponieren ...
Ende 2023 hatten wir mit dem Songwriting angefangen, dann ist leider Anfang dieses Jahres unser Schlagzeuger Sebastian ausgestiegen. Wir hatten aber auch schon eine Förderung für die Platte zugesagt bekommen und das halbe Album fertig. Dadurch waren wir ein bisschen in der Bredouille. Auch eine Tour war schon gebucht. Zum Glück ging es dann relativ fix, weil unser eigentlicher Fahrer, der Florian, auch ein ziemlich guter Schlagzeuger ist. Er hat früher bei EARTH SHIP gespielt. Dort hat ihn witzigerweise Basti damals abgelöst. Jetzt hat er Basti bei uns abgelöst. Und so schließt sich da eigentlich ganz schön der Kreis. Es gibt kein böses Blut und alle sind zufrieden. Dann haben wir mit Flo die Platte fertig geschrieben. Es war ein bisschen mit heißer Nadel gestrickt. Aber so eine heiße Nadel, die strickt meistens doch ganz gut.
Wenn Geld keine Rolle gespielt hätte: Was hättest du bei diesem Album anders gemacht?
Ach, wenn man in einer Band spielt, dann ist das ja von Anfang an sowieso schon fast kommerzieller Selbstmord. Insofern wussten wir ja, worauf wir uns einlassen. Klar wäre es schön, in einer Position zu sein, wo man sich einfach drei Monate einschließen kann. Aber da müssen wir realistisch bleiben. Wir haben in einem Song Violinen dabei. Aber wenn jetzt Geld wirklich überhaupt kein Thema wäre, hätten wir vielleicht ein ganzes Orchester eingeladen. Vielleicht würde irgendwo ein Chor eine Melodie mitsingen. Man könnte mehr Gastmusiker ins Boot holen oder noch mal andere Instrumente kaufen. Allerdings läufst du dann auch Gefahr, dass du dich arg verzettelst. Am Ende ist das alles Spekulation. Und: Es läuft ja auch so ganz wundervoll.
Mit Genrekategorisierung ist es ja immer so eine Sache. Von daher anders gefragt: Was ist es, was du am meisten an der Musik schätzt, die ihr spielt?
Ich würde sagen, es sind vor allem die Bilder, die erzeugt werden. Die Interpretationsfreiheit, die man als Hörer hat, dadurch dass man nicht durch Lyrics „abgelenkt“ wird. Vor allem aber kann ich ganz gut meinen Kopf ausschalten, wenn ich in instrumentale Musik abtauche. Wenn ich beispielsweise in einer hektischen Stadt wie Berlin im Taxi sitze und solche Musik auf den Ohren habe, dann entschleunigt das einfach. Das ist das richtige Wort: Entschleunigung.
Wonach beurteilst du generell, ob du Musik magst oder nicht? Geht es dir ums Handwerk? Geht es dir darum, dass sie dich emotional catcht?
Letzteres, auf jeden Fall. Ich mag auch Bands, die richtig geil abknödeln. Ich habe da hohen Respekt vor. Ich finde persönlich aber den Ansatz eigentlich fast schöner, vielleicht technisch gar nicht so viel zu können – und damit trotzdem viel hinzubekommen. Ich mag auf jeden Fall keine überproduzierten Sachen mehr. Wahrscheinlich weil ich auch selbst irgendwann mal bei Platten den Fehler gemacht habe, dass ich zu viel bearbeitet habe. Dann hört man sich das an und denkt: Ja gut, das hättest du auch gleich von irgendeinem Rechner machen lassen können. Das Schöne ist doch, wenn man die Menschen hinter der Musik hört.
Was würdest du dir wünschen für euch als Band? Was darf nie verloren gehen? Woran wird es hängen, dass ihr noch lange zusammenbleibt?
Ich finde es wichtig, dass Sachen passieren und dass Sachen auch funktionieren. Weil ich es schon von vielen Bands kenne: Da funktioniert ein Album nicht, da ist die Tour schlecht besucht. Und dann zerbricht einem das Ganze sehr schnell. Es ist immer ein schmaler Grat: Wann ist es zu wenig und wann ist es vielleicht auch zu viel? Man darf sich als Band auch nicht verheizen. Gerade in Produktionsphasen und auf Tour ist es ganz schnell ein Vollzeitjob. Und dann geht es darum, die eigenen Leute nicht zu überfordern und nicht zu sehr zu stressen, man muss sein Schiff irgendwie souverän durch die Gewässer schippern. Aber solange Sachen passieren und es Veränderungen gibt, positives und gutes Feedback kommt, macht das ja alles auch Bock. Die Shows, die Gespräche mit Menschen, die Erlebnisse. Das gibt uns jedenfalls unheimlich viel Kraft weiterzumachen.
© by Fuze - Ausgabe #109 Dezember 2024 /Januar 2025 2024 und Anton Kostudis
© by Fuze - Ausgabe #109 Dezember 2024 /Januar 2025 2024 und Anton Kostudis
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #144 Juni/Juli 2019 und Daniel Müller