METZ

Foto© by Norman Wong

Gediegene Verzerrung

„No more asking why / We’d sit and watch as the world passed by“ – damit bringt METZ-Frontmann Alex Edkins in „Hail taxi“ die Einstellung der Band ziemlich genau auf den Punkt: kein Intellektualisieren, für den Moment und die Musik an sich leben. Nicht verwunderlich also, dass der Kanadier lieber über den immer noch üppig noisig-lärmenden, aber mittlerweile recht zugänglichen Klang des jüngsten METZ-Albums „Atlas Vending“ spricht, als auf seine Texte einzugehen.

Ihr spielt normalerweise mehr als hundert Konzerte pro Jahr, wie fühlt es sich an, jetzt nicht unterwegs sein zu können?

Es war auf jeden Fall ein Schock und hat mir schmerzlich bewusst gemacht, wie sehr ich auf das Touren angewiesen bin, um wirklich glücklich sein zu können. Dieses Gefühl der Verbundenheit mit den Menschen, das vermisse ich schon sehr.

Gibt es da auch etwas, auf das du gerne verzichtest?
Die anderthalb Stunden auf der Bühne sind eigentlich der zentrale Teil, für das sich das Touren lohnt. Alles andere kann auch mal ein wenig anstrengend werden, denn es ist schon verdammt hart, so lange von der Familie getrennt zu sein.

Hat sich die Interaktion innerhalb der Band durch den Lockdown generell verändert?
Wir haben gerade erst langsam wieder angefangen, gemeinsam zu proben. Davor haben wir das alle sehr ernst genommen und uns mit unseren Familien zurückgezogen. In gewisser Weise hatten wir aber auch Glück im Unglück, weil wir das Album eigentlich schon vor dem Lockdown fertig eingespielt, abgemischt und gemastert hatten. Also hätten wir zu diesem Zeitpunkt sowieso eine Pause voneinander gebraucht, haha, also war das eigentlich ganz okay so. Touren waren dann erst ab August angesetzt, da hätten wir eigentlich in Europa unterwegs sein sollen. Wir arbeiten jetzt schon so lange zusammen und sind nicht nur Freunde, sondern eine Art Familie, aber wenn wir zu Hause sind und nicht gerade zusammen Musik machen, treffen wir uns eigentlich generell nur selten. Diesbezüglich war das also nicht so viel anders als sonst, aber gar nicht zusammenzuarbeiten oder einfach mal jammen zu können, war schon seltsam und wir mussten uns erst einmal daran gewöhnen. Auf „Atlas Vending“ hatte das alles aber wie gesagt noch keinen Einfluss.

Aber es gab vermutlich dennoch Dinge, die bei diesem Album anders gelaufen sind als bei den Vorgängern?
Ja, klar, die üblichen Faktoren wie der Aufnahmeort und die in die Aufnahme involvierten Personen. Die Stimmung im Studio und die Arbeit dort mit Seth Manchester und Ben Greenberg waren durchweg locker und vertrauensvoll. In Sachen Sound haben wir uns die Zeit zum Ausprobieren und Entdecken genommen, die wir brauchten. Wir haben uns viel mehr Raum dabei gelassen, jede Idee bis zum Ende auszutesten, es war einfach ein sehr entspanntes und freundliches Umfeld. In der Vergangenheit war das häufig eher strikt, zwar nicht unbedingt trist, aber oft sehr businesslike: Im Studio musst du produktiv sein und darfst dabei nicht trödeln oder herumspielen. Aber dieses Mal waren wir uns bei dem vorhandenen Material einfach sehr sicher, wir hatten eine lange Vorproduktions- und Demophase vorgeschaltet und dadurch das Gefühl, das Material schon da zu haben, wo wir es brauchen. Und unsere eigene Vorstellung des Ganzen war nie irgendwie in Gefahr, Seth ist wirklich ein großartiger Toningenieur. Es war einfach alles im Flow.

In der Vergangenheit hast du mit ProCo Turbo RAT, Tech 21 SansAmp GT2 und einem Boss DD-5 Digital Delay ein paar recht klassische Pedale benutzt, hat sich daran diesmal etwas verändert? Verzerrung ist jedenfalls noch reichlich vorhanden.
Ja, daran hat sich schon etwas geändert. Auf „Atlas Vending“ ist der Grad der Verzerrung auf jeden Fall geringer ausgefallen, ich habe die Sättigung meines Verzerrers schwer heruntergefahren, um den Klang ein wenig cleaner zu gestalten. Das habe ich noch nie zuvor gemacht und ich finde, es fügt dem Sound in einem seltsamen Umkehreffekt an klanglichem Gewicht etwas hinzu. Die Instrumente sind jetzt deutlicher voneinander zu unterscheiden, es gibt insgesamt gesehen mehr Luft und Raum. Der Punch ist durch das Fehlen dieser fizzeligen Verzerrung unserer vorangegangen Aufnahmen deutlich härter. Das war schon eine einschneidende Veränderung, unabhängig davon baue ich meinen Sound aber eigentlich eher um den Charakter meiner Gitarren auf und benutze nicht allzu viele Pedale. Ich probiere also zuerst verschiedene Verstärker und Gitarren aus, weil ich schon sehr an mein sehr reduziertes Pedal-Setup gewöhnt bin. Es kann ganz schön schwierig werden, sich im Studio mal an etwas anderes heranzuwagen, bei mir läuft das dann in der Reihenfolge Gitarre, Amp, Pedals. Dieses Mal habe ich auch mit dem Einspielen einer zweiten Gitarrenspur eine zusätzliche Variation reingebracht, in der Vergangenheit haben wir eher auf die Kraft des Trios gesetzt und alles bewusst recht einfach gehalten. Jetzt habe ich gezielt ineinander verwobene Gitarrenparts geschrieben und dabei mit verschiedenen Sounds für Lead- und zweite Gitarre herumexperimentiert, das war schon ein Heidenspaß. Es war definitiv eine ganz neue Herangehensweise und wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Für die Live-Auftritte muss ich dann mit Loopingpedalen arbeiten, was sich als unglaublich schwierig herausgestellt hat, haha. Aber ich nehme die Herausforderung gerne an.

Du hast gerade gesagt, dass Gitarren für deinen Klang wichtiger sind als alles andere, welche hast du auf „Atlas Vending“ eingesetzt?
Meine Hauptgitarre war eine Jazzmaster, meine Live-Gitarre, die ich bislang auch eigentlich bei jedem METZ-Album und jeder Show benutzt habe. Mein jüngster Kauf ist eine Rickenbacker 330, eine Semi-Hollow mit einem recht klassischen Sound, die geht klanglich schon fast in Richtung Classic Rock, die Pickups sind nicht ganz so hot und geben dem Ganzen eine leicht janglige Note, was ich für einen ziemlich coolen Mix halte. Ben, unser Co-Produzent, hat noch seine Gitarre mitgebracht, die er auch in seiner Band UNIFORM einsetzt, eine Travis Bean aus Acryl mit einem Aluminiumhals und einem dichten, leicht angezerrten Klang, die habe ich recht viel verwendet. Bei einer Handvoll Tunes haben wir Kontaktmikrofone eingesetzt, um den Klang möglichst unverfälscht einfangen zu können und dem Ganzen eine gewisse Textur hinzuzufügen. Im Mittelteil von „Hail taxi“ zum Beispiel. Sonst habe ich noch eine seltsame japanische Gitarre namens Zenon im Einsatz gehabt. Die hat einen unglaublich höhenreichen Sound, den ich sehr mag. Die benutze ich immer für den Rhythmustrack von ein paar Songs, die habe ich auch schon auf „Strange Peace“ ausgiebig eingesetzt.

Welche Faktoren beeinflussen eure Musik inhaltlich?
METZ waren vom ersten Tag des Bestehens an stark von ihrer Umgebung beeinflusst. So richtig Fahrt aufgenommen hat die Band eigentlich erst, als Hayden, unser Drummer, und ich nach Toronto gezogen sind. Meiner Meinung nach gibt es da durch das Stadtleben eine Spannung, ein gewisses Tempo und Stresslevel, was sich auf jeden Fall auch in meinen Lyrics niederschlägt. Aber nicht nur da, auch in der Art der Musik, die wir spielen. Sie ist ein großes Ventil für uns, wir reden zwar nicht viel drüber und ich weiß nicht genau, wie die anderen das wahrnehmen, aber bei mir ist das jedenfalls so. So sehr ich das Stadtleben und die Vorteile schätze, die es vor allen Dingen im Hinblick auf die Musikszene und Inspirationsquellen mit sich bringt, es ist definitiv ein Stressfaktor in meinem Leben. Aber es gibt ja auch Lichtblicke. Die Liebe zum Beispiel. „No ceiling“ ist wohl das METZ-Lied, das man am ehesten in einem positiven Sinne als Liebeslied bezeichnen könnte.

Gibt es eine Art höheres Ziel, das ihr als Band verfolgt?
Wenn du was in die Welt setzt, wird es nicht jedem gefallen, und das ist auch überhaupt nicht unser Ziel. Wir versuchen, unserem Motto treu zu bleiben, und das ist, zu tun, was wir tun wollen. Und wenn das die Leute da draußen glücklich macht und sie sich darin wiederfinden können, ist das natürlich phänomenal und macht uns wirklich stolz. Und natürlich wird es auch immer jene geben, die das, was wir tun, überhaupt nicht abkönnen, das finde ich auch vollkommen in Ordnung so.

Wohin wird es METZ in der nächsten Zeit tragen?
Im Moment kann ich mir wirklich gar kein Bild machen, dazu ist die aktuelle Lage einfach zu vertrackt, ich fühle mich derzeit auch völlig machtlos. Ich hoffe, dass wir bald wieder touren können. Touren und unsere Musik direkt mit Menschen vor Ort zu teilen, bedeutet uns so viel. Sobald es wieder sicher ist, werden wir unterwegs sein. Wir brennen auf jeden Fall nach wie vor für unsere Sache und werden noch lange mit Freude als Band gemeinsam Musik machen.