Seit der Gründung der Band ging es mit der Karriere von MENTAL CRUELTY steil nach oben. Rückblickend betrachtet würde Sänger Lucca es nicht glauben, wenn man seinem 17-jährigen Ich gesagt hätte, wie weit er mit dieser Band kommen würde. So leben die Karlsruher einen wahr gewordenen Traum, dessen Erfolgsgeschichte noch am Anfang steht, sich aber durch das Kapitel „A Hill To Die Upøn“ in eine andere Richtung entwickelt, als man hätte erwarten können. Sänger Lucca und Gitarrist Marvin erzählen von diesem Reifeprozess.
Selbstfindung
Als Lucca und Marvin sich 2016 bei einem Konzert kennen lernten, hätten beide nicht daran geglaubt, in so kurzer Zeit eine solche Karriere zu machen. Zum ersten Mal hatten beide Musiker das Gefühl, jemanden gefunden zu haben, der ihre musikalische Vision teilt, die sich zunächst auf Downtempo fokussieren sollte. Über Slamming Deathcore sind MENTAL CRUELTY mit ihren Alben „Purgatorium“ und „Inferis“ schnell zu internationaler Popularität gekommen. Doch die Tage des eklatanten, aggressiven Deathcores voller Slam- und Downtempo-Parts sind gezählt.
Das neue Album „A Hill To Die Upøn“ entpuppt sich als fortschrittlich gedachter Deathcore, der vor allem mit Black-Metal-Elementen und orchestralen Aspekten an Reife gewinnt. Diese Vision der Musik, die sich wohl mit Blackened Deathcore am besten beschreiben lässt, ist ein Sound, den Songwriter Marvin schon lange spielen wollte. „Ich habe das Gefühl endlich dort angekommen zu sein, wo ich mit der Band immer hin wollte.“ Grund dafür sind die orchestralen Elemente, die Choreinlagen und die cleanen Vocals, die vor allem dank der neuen Bandmitglieder endlich umsetzbar wurden. Inspiriert durch Acts wie DIMMU BORGIR und FLESHGOD APOCALYPSE, versuchte Marvin das Arrangement so authentisch wie möglich zu gestalten und die epischen Momente dieser Bands auf den Sound von MENTAL CRUELTY zu projizieren.
Ehrlichkeit
Diese Veränderung ging auch mit großer Unsicherheit einher, wie Marvin gesteht. „Es war das, was ich unbedingt schreiben wollte, und es dauerte etwas, bis wir unseren Manager davon überzeugen konnten.“ Diese Differenzen konnten aber bald beigelegt werden, da schnell eine große Zuversicht und Selbstsicherheit überwogen. „Ich habe für mich entschieden, sollte das Album floppen, dann sei es eben so“, sagt Marvin. „Es gibt immer ein Risiko, aber ich stand so sehr dahinter, dass es mir egal war, wie es ankommt. Ich war absolut davon überzeugt und das Album zu schreiben hatte für mich eine fast selbsttherapeutische Wirkung.“
Sänger Lucca war hingegen sofort begeistert. „Als wir mit dem Songwriting im Februar 2020 begannen, merkte ich schnell, dass es in eine andere Richtung geht. Ich dachte mir,geil, wir machen jetzt Black Metal, denn es gibt Tracks, die sind eher Black Metal mit Deathcore-Einflüssen und nicht andersrum.“ Maßgeblich dafür war auch der Black Metal-zentrierte Einfluss von Gitarrist Nahuel, so Lucca. All das hatte zur Folge, dass „A Hill To Die Upøn“ das wohl ehrlichste Album der Band ist, wie der Sänger hinzufügt. „Purer und roher können wir gar nicht Musik machen. Es war harte, ehrliche Arbeit mit der Erwartung, dass es entweder gut ankommt oder total schiefgeht.“
Ästhetik
Mit dem neuen Ansatz der Musik geht auch ein neues Branding einher, das ebenfalls einer Black-Metal-Ästhetik entspricht. „Wir Menschen wollen immer alles irgendwo einordnen, weil es uns hilft zu erkennen, ob uns etwas möglicherweise gefällt“, sagt Marvin. So dient als Albumcover das Ölgemälde einer Gebirgslandschaft, die Songtitel werden in Anlehnung an BEHEMOTH stilisiert („King ov fire“) und auch das „Ø“ im Albumtitel sei an die norwegische Sprache angelehnt, um einen Black-Metal-Style zu kreieren.
Vor „A Hill To Die Upøn“ setzte die Band auf eine andere Ästhetik, wie Marvin hinzufügt. „Da waren immer Monster auf unseren Covern. Wir sind dahingehend erwachsener geworden. Auch das neue Logo soll direkt eine Vorstellung davon vermitteln, welche Musik die Hörer:innen erwartet. Das alles soll in das musikalische Gesamtbild passen. Denn am Ende ist Musik immer etwas Ästhetisches.“
Dass dieser neue Sound und die damit verbundene Ästhetik den Karlsruhern steht, bestätigt auch die Rezeption der bisherigen Singles. Den Faktor Erfolg sollte man laut Lucca jedoch immer hintanstellen . „Musik ist, wie jede Kunst, immer eine enorm persönliche Sache, hinter der man komplett stehen muss. Wenn man Musik macht, um erfolgreich zu werden, ist das meiner Meinung nach der falsche Anspruch.“ Stattdessen geht es um Ehrlichkeit, Authentizität und Reife – die MENTAL CRUELTY mit „A Hill To Die Upøn“ nun vollends erreicht haben.
© by Fuze - Ausgabe #88 Juni/Juli 2021 und Rodney Fuchs
© by Fuze - Ausgabe #101 August/September 2023 und Arne Kupetz
© by Fuze - Ausgabe #88 Juni/Juli 2021 und Rodney Fuchs
© by Fuze - Ausgabe #100 Juni/Juli 2023 und Rodney Fuchs