Marcia Hanson ist eine Hälfte des Powerchord-Punkduos MOBINA GALORE und besticht trotz ihrer gerade einmal 26 Lebensjahre durch eine ebenso lässige wie routinierte Bühnenpräsenz. Sie beherrscht die ruhigeren Töne ebenso souverän wie den ansonsten eher vorherrschenden treibenden Trümmersound der Band. Wo der Bass vermeintlich fehlt, muss die Drummerin natürlich doppelt arbeiten, um die entstehende Lücke auf der Bühne zu schließen, und diese Aufgabe erledigt die Kanadierin mit sehr viel Energie. Es war mir daher eine große Freude, Marcia – als erst drittes Drummergirl dieser Serie – beim Konzert in Hannover interviewen zu dürfen.
Marcia, gibt es von dir irgendwelche Geschichten, dass du schon als kleines Kind deinen Eltern mit Trommeln auf die Nerven gegangen bist?
Nein, eigentlich nicht. Die ersten Erinnerungen, die ich an das Trommeln habe, stammen aus meiner frühen Teenagerjahren. Ich war bei Freunden in deren Blockhütte zu Besuch und wir haben Karten gespielt und Musik gehört. Dazu habe ich dann so ganz klassisch immer abwechselnd mit den Händen auf dem Tisch und meinen Oberschenkeln herumgetrommelt. Die Mutter meiner Freundin war am Anfang auch noch ganz entspannt, aber im Laufe der Zeit ging ihr mein andauerndes Getrommel wohl doch auf die Nerven und sie meinte dann sichtlich verstört: „Mädchen, du brauchst dringend ein Schlagzeug oder irgendetwas Ähnliches, aber hör auf, auf meinem Tisch herumzuklopfen.“ Das fand ich schon sehr spannend und mein Interesse am Schlagzeugspielen wurde wohl in dieser Zeit geweckt.
Hattest du, bevor du dich für das Schlagzeug entschieden hast, schon Unterricht mit anderen Instrumenten?
Ich bin mit Klavierunterricht aufgewachsen, so wie viele andere Kinder auch, und das hat mir auch viel Spaß gemacht, bis ich dann ein typischer Teenager wurde, der seine Zeit lieber mit anderen Dingen verbringen wollte als mit Klavierstunden. Wir hatten zu Hause zwar auch eine Akustikgitarre, aber da habe ich nie Unterricht genommen, sondern mir nur so aus Büchern ein paar Akkorde beigebracht.
Wann wurde dir klar, dass du vom Klavier zum Schlagzeug wechseln wolltest?
Ich habe mir zu meinem 16. Geburtstag von meinen Eltern ein Schlagzeug gewünscht und habe es auch tatsächlich bekommen. Glücklicherweise waren meine Eltern grundsätzlich sehr offen für neue Ideen und haben mich eigentlich immer unterstützt, wenn ich etwas Neues ausprobieren wollte. Ich habe ja mein Klavier auch nicht endgültig entsorgt, sondern zu Hause immer mal wieder gespielt, und darüber haben sich meine Eltern immer gefreut. Als das neue Schlagzeug dann da war, habe ich ein paar Unterrichtsstunden genommen, aber schnell festgestellt, dass es mir keinen Spaß macht, immer nur alleine zu spielen. Ich war nie ein besonders engagiertes Kind, weder im Sportverein noch bei der Musik, und ich war auch später nie der Typ, der sich einfach die Kopfhörer aufsetzt und stundenlang zu seinen Lieblingssongs spielt. Das langweilte mich doch ziemlich schnell. Ich habe dann meinen Eltern gesagt, ich bräuchte keine Unterrichtsstunden mehr, und die waren sehr erfreut, weil sie dachten, ich wäre weit genug, um allein üben zu können, aber ich wollte einfach nicht mehr weitermachen. Ein paar Jahre später habe ich dann Jenna – jetzt Sängerin und Gitarristin von MOBINA GALORE – getroffen und sie hatte damals schon ein Schlagzeug, Gitarren, Keyboards, Mikrofone und das ganze musikalische Equipment, was man sich so vorstellen kann. Ich hatte noch niemals jemanden getroffen, der so viele Instrumente bei sich zu Hause hatte, und so haben wir einfach angefangen zu jammen. Ich hatte jahrelang nicht getrommelt, aber als wir so zusammen spielten, hat es mir so viel Spaß gemacht, wie noch niemals zuvor. Wir spielten und schrieben Songs und ich empfand ein Glücksgefühl, wie ich es vorher nie erlebt hatte, als ich noch ganz allein im Keller spielte.
Wie bist du mit deinem Schlagzeuglehrer zurechtgekommen?
Ach, der hat mir einen klassischen Rockbeat gezeigt und dann hat er mich aufgefordert, Musik mitzubringen, zu der ich gern spielen wollte. Ich habe dann einfach zu den CDs getrommelt und er hat mir die richtigen Beats zu dieser Musik beigebracht. Aber um ehrlich zu sein, muss ich sagen, dass mir dieser Unterricht gar nicht gefallen hat, weil ich immer dachte, es müsse doch bessere Wege geben, Spaß am Schlagzeugspielen zu haben. Heute glaube ich, dass mir ein paar weitere Unterrichtsstunden sicher guttun würden, und vielleicht probiere ich es ja irgendwann einmal mit ein bisschen Unterricht in Jazzdrumming, um mich zu verbessern.
Gab es in deinen Teenagerjahren irgendwelche Drummer, die du besonders mochtest und denen du nacheifern wolltest?
Nein, da gab es niemand Speziellen, den ich wirklich verehrt habe. Ich habe sehr lebendige Erinnerungen daran, wie ich mit meinem Vater im Auto unterwegs war, bei ihm liefen im Radio immer diese klassischen Rockbands wie CREAM, Van Morrison, FLEETWOOD MAC und dieses Zeug. Immer wenn ihm bestimmte Parts besonders gut gefielen, drehte er die Lautstärke auf und dann haben wir uns über diese Musik unterhalten. Er war sehr an den unterschiedlichen Instrumenten interessiert und so haben wir uns auch häufig über bestimmte Drummer und ihre Besonderheiten ausgetauscht.
Warst du damals schon auf der Suche nach einer Band, um nicht immer allein spielen zu müssen?
Tatsächlich kannte ich niemanden, der irgendein Instrument spielte und Musik machte, sonst hätte ich sicherlich in einer Band gespielt, aber keiner meiner Freunde machte Musik. Mein Vater ging immer mal wieder in den örtlichen Musikladen und hat sich dort an der Pinnwand die Aushänge mit „Musiker gesucht“ durchgelesen, aber ich war immer zu schüchtern, um mich auf irgendein Gesuch hin zu melden. Als ich dann Jenna traf, war uns beiden sehr schnell klar, dass wir zusammen Musik machen wollten. Wir hingen mit Freunden ab, hatten ein paar Drinks und endeten sehr schnell in ihrem Jam Room, wo wir den ganzen Abend zusammen Musik gemacht haben. Jenna hatte auch noch nie in einer Band gespielt. So hatten wir beide die gleichen Voraussetzungen und entdeckten schnell, dass zusammen zu spielen einfach viel mehr Spaß macht. Jenna ist viel geschäftstüchtiger als ich und es ging dann alles sehr schnell mit unserer Band. Von den ersten Versuchen im Proberaum über öffentliche Jamsessions, die Jenna für uns buchte, bis hin zur ersten Tour, verging die Zeit irgendwie wie im Fluge. Ich hatte kaum Gelegenheit, nervös zu sein, obwohl ich doch ein paar Jahre lang überhaupt nicht Schlagzeug gespielt hatte. Zum Glück erinnerte ich mich schnell an die Basics, die ich gelernt hatte, aber bei unseren ersten Sessions muss ich wohl furchtbar gespielt haben. Es hat also definitiv viel Arbeit, gemeinsames Proben und hunderte von Shows gebraucht, bis ich mich wieder wirklich wohl hinter den Drums fühlte.
Hast du damals auch mal für dich allein geübt?
Nein, eigentlich nicht. Nachdem wir die Band gegründet hatten, haben wir immer zu zweit geprobt. Das ist auch heute noch so. Manchmal, wenn ich sehr motiviert bin und neue Dinge ausprobieren will, setzte ich mir meine Kopfhörer auf und mache Übungen für mich allein, aber das kommt sehr selten vor.
Hast du auf Tour andere Drummer getroffen, von deren Stil du besonders fasziniert warst?
Ich schaue mir unterwegs alle Drummer an, mit denen wir auftreten, weil ich finde, dass es besonders viel Hingabe und Energie erfordert, in einer Band zu spielen, zu proben und die Songs dann auf die Bühne zu bringen. Davor habe ich viel Respekt und ich versuche darum immer, mir die Drummer anzusehen und mir so viel wie möglich von ihnen abzuschauen.
Wie liegt dir die Arbeit im Studio?
Oh, so langsam fange ich an, auch die Studioarbeit zu genießen. Es wird immer besser. Ich war früher immer gut vorbereitet, wenn wir ins Studio gegangen sind, und konnte alle meine Parts, aber sobald der Aufnahmeknopf gedrückt wurde, hat sich bei mir alles zusammengezogen und ich brauchte manchmal sehr viele Anläufe, bis ein Song endlich fertig war. Heute fühle ich mich im Studio viel wohler, kann mich entspannen und bekomme die Songs sehr viel schneller hin. Ich bin auch eine Schlagzeugerin, die sehr schnell mit etwas zufrieden ist und im Studio nicht viel herumexperimentiert. Ich spiele die Songs so, wie wir sie geprobt haben, und fange nicht an, in letzter Minute noch Neuheiten einzubauen. Manche Drummer basteln ja bei jeder Aufnahme noch an neuen Fills oder Breaks herum, aber das liegt mir einfach nicht. Ganz selten kommt es mal vor, dass der Produzent mich fragt, ob ich nicht etwas anderes in einem Song ausprobieren möchte, aber eigentlich ändern wir nie etwas.
Wie würdest du deinen eigenen Stil beschreiben?
Ich würde sagen, ich spiele sehr simplifiziert und versuche immer, die Songs nicht zu überladen. Je einfacher und reduzierter ich einen Song spiele, desto besser fühle ich mich dabei. Ich versuche natürlich, mich auch immer weiterzuentwickeln und nicht immer dasselbe zu spielen, aber einfache Beats sind mein Ding. Nur langweilig sollte es nie sein.
Fühlst du dich hinter deinem Drumset am wohlsten oder würdest du auch gern mal vorn am Bühnenrand als Sängerin aktiv sein?
Oh nein, ich liebe es, hinter meinem Drumset zu sitzen und die Band von hinten anzutreiben. Einen kleinen Traum habe ich aber dennoch, auch wenn es keine wirklich realistische Vorstellung ist, sondern mehr so ein Kleinmädchentraum. Ich wäre gern eine dieser klassischen Backgroundsängerinnen, die mit mehreren anderen auftreten und diese komplett koordinierten Schritte und Bewegungen auf der Bühne präsentieren. Aber das wird wohl nie passieren und somit bin ich sehr zufrieden damit, bei uns im Hintergrund die Backgroundvocals zu übernehmen. Vorne am Bühnenrand zu stehen ist nichts für mich.
Gibt es neben MOBINA GALORE noch andere musikalische Ideen, die du gern ausprobieren würdest?
In naher Zukunft ist da erst einmal nichts geplant. Eventuell würde ich später gern mehr in Richtung Jazz oder Funk ausprobieren, wenn ich irgendwann einmal die richtigen Leute für so ein Projekt finden sollte. Ich würde da erst einmal nichts grundsätzlich ausschließen, aber zur Zeit bin ich sehr glücklich mit dem, was wir tun, und da bleibt sehr wenig Raum für andere Dinge. Für eine zweite Band ist schon gleich gar keine Zeit vorhanden.
Wie sind eure Pläne für die Zukunft?
Wir haben eine neue Single mit dem Titel „Fade Away“ aufgenommen, die gerade erschienen ist und für die wir ein Video gedreht haben. Ein neues Album werden wir wohl erst Anfang des nächsten Jahres aufnehmen und dann im Frühjahr 2019 veröffentlichen. Da wir sehr viel auf Tour sind, dauert es bei uns eben sehr lange, bis wir genug neue Songs geschrieben haben und Zeit finden, sie aufzunehmen. Wir sind in diesem Prozess wohl nicht die Allerschnellsten.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #139 August/September 2018 und Christoph Lampert