MANIACS

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Rotenburger Punkrock-Legende

MANIACS aus Rotenburg in Nordhessen gehören seit 1983 zu meinen Lieblingsbands in Sachen Hardcore-Punk made in Germany. Damals war es ihre Split-LP mit TIN CAN ARMY, die mich aufgrund ihres brachialen Sounds faszinierte (Haupteinfluss waren CHARGED G.B.H) und die definitiv zu den Alben gehört, die ich mit auf eine einsame Insel nehmen würde. Aber auch ihre anderen Studio-LPs, die sie bis zu ihrer Auflösung 1991 einspielten, können sich hören lassen. Nachdem ich vor rund zwanzig Jahren schon einmal die Gelegenheit hatte, mit Peter, Gesang und Gitarre, ein Interview für das Plastic Population-Fanzine zu führen, nehmen wir nun die aktuellen Rereleases der „Salute The Survivors“-EP und der „The White Rose Of Resistance“-LP zum Anlass, mit Peter zu sprechen. Die übrigen MANIACS waren Kai, Drums, Kümmel, Bass, und Tom, Gitarre.

Wie bist du damals in Nordhessen auf Punk aufmerksam geworden?

Die bittere Wahrheit ist, dass mich die Bravo zum Punk gebracht hat. Es muss eine Ausgabe vom Herbst 1977 gewesen sein. Ich hatte damals in einer Bravo etwas über eine Band namens SEX PISTOLS gelesen und gedacht: Was für ein blöder Name ... Dann stand da noch was von „Punk Rock“ und ich dachte, was ist das denn? Ich wollte wissen, was das denn für eine neue Musik ist. Beim nächsten Besuch in der Großstadt, Kassel, rein in den Plattenladen. Dort habe ich mich geschämt wie jemand beim Kauf eines unanständigen Magazins, als ich sagte, dass ich mal in diese Platte reinhören wollte und dabei die „Never Mind The Bollocks“ über den Tresen reichte. Ich dachte, das muss bestimmt richtiger Kokolores sein. Ich bin damals gerade auf so Sachen wie EMERSON, LAKE & PALMER, YES und solche Helden abgefahren. Dann krachte „Holidays in the sun“ los und mein Hirn sagte: Hoppla! Damit war es passiert. Ich erinnere mich noch daran, wie ich auf dem Rückweg nach Hause mit meiner Tüte in der Hand die Straße entlanglief und dachte, dass ich wohl ein ganz besonderes Stück Plastik erworben hätte. Und dies bewahrheitete sich ja auch über die nächsten Jahrzehnte.

Was bedeutete Punk damals für euch und wie ist das heute?
Zunächst waren es damals einfach der Sound und die Kraft der Musik. Das hatte ich noch nie erlebt. Ich höre die Sachen von damals natürlich heute noch, bin dazu aber auch in viele andere Stilrichtungen gewandert. Ich machte und dachte, damals wie heute, das, was mir gefällt. Zufällig war vieles von dem eben das, was man mit Punk assoziiert. Im Verlauf der Jahre merkte ich, rückblickend, auch noch, dass das, was mich wohl besonders angezogen hatte, die Kreativität war, die man in dieser neuen Jugendbewegung spürte. Und ich beobachtete, dass es wohl mindestens zwei Arten von Punk gab. Die einen wollten Sachen kaputtmachen, die anderen Sachen verändern und aufbauen. Ich neigte zu Letzterem.

Gab es von deiner Seite aus von Anfang an die Idee, Musik zu machen?
Nein, ganz am Anfang hatte ich zunächst, glaube ich, nicht daran gedacht, selber Musik zu machen. Allerdings hat es nach dem Kauf der „Never Mind The Bollocks“-LP nicht mehr allzu lange gedauert, bis es damit langsam losging. Die Punks sagten ja, dass jeder Musik machen könnte. Also dann mal los, war mein Gedanke. Irgendwann merkte man schließlich auch, dass man in den Texten ja Sachen ausdrücken konnte, die einen bewegen. So kam eines zum anderen.

MANIACS waren nicht deine erste Band. Was kannst du uns zu den Vorgängerbands wie BLUTVERLUST erzählen?
BLUTVERLUST war die erste Punkband, in der ich spielte. Die hat sich in der Dorfdiskothek Portrait in Waldkappel bei Kassel beim Trinken und zwischen zwei Punkliedern gegründet. Im Portrait wurde damals viel Punk gespielt, jeder Punk der Region, der was auf sich hielt, trank da. Dort habe ich Wolfgang, den BLUTVERLUST-Schlagzeuger, sowie Kai-Uwe, den Bassisten, später auch Schlagzeuger der MANIACS, kennen gelernt und mit den beiden fing es an. Ich sang und spielte Gitarre. Wir hatten damals auch noch einen zweiten Gitarristen dabei. Dieser erwies sich aber, spätestens beim zweiten Proben, als ungeeignet, da er nur Flamenco konnte. Er wurde ersetzt durch einen Gitarristen, der nur ROLLING STONES-Lieder draufhatte und somit ebenfalls ungeeignet war. Dann stieß Rainer dazu, auch Ulepp genannt. Ulepp konnte eigentlich, im herkömmlichen Sinne, überhaupt nicht Gitarre spielen. Er hatte sich das irgendwie selbst beigebracht, ohne dabei auf die üblichen Akkorde zurückzugreifen. Er war aber, trotz seiner Nörgeligkeit, bei Weitem der Geeignetste für uns und blieb bis zum Ende von BLUTVERLUST in der Band. In einer Band namens ZV, ZENTRALVERRIEGELUNG, habe ich auch gespielt. Das wird wohl so in der Übergangsphase zwischen BLUTVERLUST und MANIACS gewesen sein. Das war jedoch ein kurzlebiges Projekt. Wir hatten maximal eine Handvoll Gigs.

Wer hatte die Idee zu eurem Namen MANIACS? Und was bedeutet er für dich?
Der Name MANIACS wurde, soweit ich mich erinnere, von unserem Bassisten Kümmel vorgeschlagen. Der Name war inspiriert von dem Lied „Maniac“ von PETER AND THE TEST TUBE BABIES. Zu der Zeit, als wir damals einen Namen brauchten, grölte Kümmel, Tag und Nacht, die Liedzeilen „I’m a maniac, insaniac. I’m a maniac, are you a maniac too?“ vor sich hin. Wir nahmen die Einladung an und, schwupps, hießen wir so. In dem Namen steckte keinerlei tiefere Bedeutung. Hätte ich damals gewusst, dass man mich fast vierzig Jahre später in einem Interview mal nach der Bedeutung des Namens fragen würde, dann hätte ich bestimmt darauf bestanden, dass wir uns was Intellektuelleres einfallen lassen. Aber selbst Gruppen mit Namen wie BEATLES haben es zu was gebracht. Deshalb bin ich, noch immer, voller Hoffnung, dass der Name MANIACS uns eines Tages zum Weltruhm führt.

Ihr hattet bei eurem ersten Tape, mit Kümmel und Xox zwei Skinheads in der Band. War das seinerzeit ein Thema?
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass das damals bei uns in der Provinz ein Thema war. Xox, der ersten Sänger, kam ursprünglich eigentlich aus dem linken Spektrum. Er hatte vorher bei der Göttinger Kultgruppe KRAETZE gespielt. Das war eine Punkband der allerersten Stunde. Ich selber habe sie leider nie live gesehen, ich bin etwas zu spät in Göttingen angekommen. Xox war aber bald wieder bei den MANIACS raus. Dann kamen Socke, und danach Sebastian, um sich im Singen zu versuchen, beide damals auch Skins. Sie waren ebenfalls nur relativ kurz in der Band. Mit Xox und Socke existieren aber Demokassetten. Danach machten wir erst mal zu dritt weiter, ich sang und spielte Gitarre. Dies strapazierte meine Fähigkeiten jedoch gewaltig. Dadurch stieß dann Tom zu den MANIACS. Er war damals, im Vergleich zu uns, den älteren Jugendlichen, quasi noch Kind. Er sah uns immer beim Proben zu. Als wir irgendwann zwischen zwei Liedern mal laut dachten, dass wir einen zweiten Gitarristen bräuchten, schnipste er eifrig mit den Fingern und rief: „Ich, ich, ich!“. Bezüglich Skins, glaube ich, war das gerade erst so die Zeit, als die richtig damit anfingen, sich ihr schlechtes rechtes Image zusammenzuzimmern. Allerdings hat mir ein Kumpel aus Bremen neulich auch erzählt, dass er nach der Veröffentlichung der ersten Platte mal für uns ein Konzert im Schlachthof organisieren wollte und dabei auf ein Veto stieß, weil wir eben Kümmel, einen Skinhead, in der Gruppe hatten. Allerdings war Kümmel kein Vollblutskinhead. Auf dem Cover unserer letzten Platte, der „Thrown To The Dogs“, hat er schulterlange Haare. Ich kann mich noch daran erinnern, wie wir Mitte der Achtziger mal nach Berlin gefahren sind. Ich im froschgrünen alten Opel Kadett, mit Tom und Kai von den MANIACS. Wir drei in unseren Punk-Klamotten. Kümmel fuhr mit ein paar Skinheads im Mercedes hinter uns. Tom, Kai und ich wurden von den westdeutschen Grenzern bis auf die Unterhosen durchsucht. Wir mussten uns wirklich ausziehen. Aber wir hatten nur legale Sachen dabei. Kümmel wartete draußen vor dem Haus der Grenzpolizei auf uns, in seinem alten Mercedes. Die Polizei kam gar nicht darauf, die Skins auch zu durchsuchen. Das hätten sie aber machen sollen. Da hätten die bestimmt etliche Sachen gefunden. Unsere Skins waren ja eigentlich harmlos, aber ich glaube, sie brauchten diese Ausrüstung, um sich in der Szene zurechtzufinden. Wie auch immer, Herren im Mercedes, mit gepflegtem Haarschnitt, standen damals offenbar nicht auf den Fahndungslisten. Kann man der deutschen Polizei auch nicht vorwerfen. Das war alles noch in der RAF-Phase der Republik und deren Mitglieder waren bekanntlich, im Allgemeinen, keine Skinheads.

Wo habt ihr proben können?
Mit BLUTVERLUST haben wir in einer Garage im Haus meiner Eltern geprobt. Jeden Samstagnachmittag, zum Leidwesen der Mieter. In der Probenpause, gegen 16 Uhr, ging es hoch in die Küche. Dort hatte meine Mutter dann immer Frikadellen oder Nussecken für uns zum Kaffee vorbereitet. Mit den MANIACS wurde es allerdings wesentlich professioneller. Wir sind dann in das Jugendzentrum in Rotenburg an der Fulda umgezogen. Dort wurde die sogenannte „Grotte“, ein schwammbefallenes Kellergewölbe, zu unserem Proberaum. Dieser Raum gilt in Rotenburg noch heute als geweiht und wird als Rock’n’Roll-Wallfahrtsort genutzt.

Wie sah die Punk-Szene in Nordhessen aus? Wie viel musstet ihr damals selbst organisieren?
Damals war quasi alles selbstorganisiert. Sogar Konzerte in den großen Arenen, wie dem Dorfgemeinschaftshaus in Werleshausen. Das war der Wohnort, oder besser: das Wohndorf von Kai. Da haben die Punks bei unserem Konzert noch die Blumenbete vor dem Gebäude zertrampelt. Mit Kais Mutter, die damals wohl gerade so was wie Ortsvorsteherin war, hätten wir fast noch großen Ärger bekommen. Alles wegen so ein paar Tulpen oder was immer es auch für Blumen waren. Für Autonome Zentren musste man schon in die Großstadt, das heißt nach Kassel oder Göttingen.

Exzessiver Alkohol- und Drogenkonsum, gab es den bei euch in der Band? War das der Grund für euren Song „Hardcore Punk“?
Alkohol? Höchstens mal in der Form von einer 24er-Packung „Mon Chéri“-Pralinen. Nein, exzessiven Alkoholkonsum gab es bei uns selbst nicht. Bei den Leuten im Publikum eher. Und Drogen hat zumindest bis zum Ende der MANIACS quasi gar keiner von uns genommen. Kümmel hat wahrscheinlich hin und wieder mal einen Joint geraucht, vielleicht hier und da auch was Koks geschnupft. Aber Kai, Tom und ich waren total clean. Soweit ich das von Kai und Tom weiß ... Die Motivation für „Hardcore Punk“ war, dass ich viele Sachen um mich herum in der Punk-Szene zu sehen begann, die eben gar nicht so auf meiner Linie lagen. Und das war ja schon relativ früh, das Lied ist ja auf der ersten Platte, der Split-LP mit TIN CAN ARMY.

Welche Aktionen, Peinlichkeiten, Konzerte sind dir in besonderer Erinnerung geblieben? Ihr habt ja öfter auch mit TIN CAN ARMY gespielt.
Wir haben eigentlich gar nicht oft mit TIN CAN ARMY gespielt. Vielleicht am Anfang hier und da mal um Göttingen rum, aber dann kaum. Ich glaube, in Salzgitter haben wir später noch mal mit ihnen gespielt. Drei MANIACS-Konzerte sind mir in besonderer Erinnerung geblieben. Einmal irgendwo in Holland, in einer alten Fabrik. Als wir mitten in der Nacht fertig mit Spielen waren und fragten, wo wir denn schlafen könnten, wurde uns gesagt, wir sollten in die leere Halle im ersten Stock gehen und uns dort irgendwo auf den Fußboden legen. Das war eine riesige Fabrikhalle mit nichts drin. Nun ja, an einem Ende stand ein Sofa und irgendwo noch ein Sessel. Mit diesem Mobiliar haben wir uns dann ein Wohnzimmer für die Nacht gebastelt. In Hamburg, in der Hafenstraße, wurde uns nach einem Konzert gesagt, wir sollten einfach durch das Haus laufen und wenn wir in irgendwelchen Zimmern leere Betten fänden, so könnten wir uns da reinlegen. In Paris hatten wir alle vom Essen vor dem Konzert eine Lebensmittelvergiftung. Und selbst nachdem die erste Nacht überstanden war, musste Kümmel am nächsten Abend, in Le Havre, noch mal, mitten in einem Lied, seinen Bass abnehmen und zum Kotzen rauslaufen. Ich dachte, wo will der denn hin!? Aber er war noch zurück am Bass auf der Bühne, bevor das Lied zu Ende war. Magdeburg war auch schön. Das war ganz kurz vor der Einführung der D-Mark im Juli 1990. Konzert im ehemaligen Stasiknast. Riesen-Metalltor, das sich vor uns öffnete und hinter uns quietschend wieder schloss. Nachts gab es Gage in Ost-Mark. Auf dem Heimweg, Richtung BRD, fragten wir uns, was wir mit dem Geld eigentlich machen sollen. Es war abzusehen, dass wir vor der Währungsumstellung nicht mehr in die DDR kommen würden. Wir versuchten dann noch verzweifelt auf der Autobahn, mitten in der Nacht, wenigstens Zigaretten für das Geld zu kaufen. Es war aber nix zu machen, das Volk schlief. Daheim angekommen, hat sich dann jeder von uns ein paar der Scheine für sein Andenkenalbum mitgenommen. Wenn wir damals in Magdeburg gleich daran gedacht hätten, dass wir das Geld zu nix gebrauchen können, hätten wir es dort auch gleich für den weiteren Ausbau ihres Zentrums spenden können. Hat aber eben vor der Abfahrt keiner dran gedacht.

Habt ihr oft in anderen Städten gespielt? Ihr wart ja auch mehrmals im Ausland unterwegs, wie in Frankreich oder der Schweiz. Wie wurden die Konzerte in einer Zeit ohne Internet organisiert?
Ja, sicher sind wir damals kreuz und quer durch die Republik gereist. Das mit den Touren lief auch viel per Telefon oder über Kontakte mit anderen Bands. Manchmal fing es auch damit an, dass irgendwann ein Brief von jemandem ins Haus flatterte, der schrieb, man wolle was organisieren.

Hast du das Gefühl, dass eure Texte immer noch aktuell sind? Und wenn ja, wie fühlt sich das für dich an? Und warum habt ihr überwiegend englische Texte gehabt?
Sicher sind viele der Texte heute noch aktuell, insbesondere Sachen wie „Deutschland“ oder „The White Rose of resistance“. Oder auch der Text von „Die es nie gewesen sind“, von unserer „Thrown To The Dogs“-LP. In dem Lied singen wir ja: „Die es nie gewesen sind, die wählen jetzt wieder braun“. Etwas spooky fühlt es sich an, dass zum Beispiel das Lied „Dust of a decade“ über 25 Jahre nach seinem Erscheinen der Titel des Doppelvinyl-Reissues der Sachen von Mitte der Achtziger wurde. Ich dachte beim Schreiben des Liedes in den Achtzigern daran, dass man den Titel später, bei Bedarf, mal für so was verwenden könnte, und so kam es dann auch.

Gibt es Texte beziehungsweise Songs, die du so heute nicht mehr schreiben oder auch spielen würdest?
Ich würde heute die Musik von keinem einzigen unserer Lieder mehr so spielen oder schreiben wie damals. Das ist so, weil ich nämlich die Akkorde sämtlicher Songs vergessen habe. Aufgeschrieben hat sich die Akkorde damals keiner. Dazu wurden wir jedoch eines Tages mal aufgefordert, das war, als ich kurzeitig bei der GEMA angemeldet war. Als die GEMA allerdings Noten wollte, habe ich mich sofort wieder abgemeldet. Ich wollte nicht zugeben, dass ich gar kein richtiger Musiker bin. Wenn ich unsere Lieder heute spielen sollte, müsste jemand für mich die Platten durchhören und mir sagen, was ich damals für Akkorde verwendet habe. Falls jemand dies liest, der daran Interesse hat, könnte er oder sie ja gerne ein MANIACS-Songbook mit Texten und Noten veröffentlichen; am liebsten im Vierfarbdruck.

Wie ist der Kontakt zu Mülleimer Records entstanden, wo eure beiden ersten Platten erschienen sind?
Der Kontakt zu Mülleimer kam durch einen Freund von uns aus Rotenburg zustande. Arne, der jetzt das Noisolution-Label in Berlin betreibt. Er begann damals gerade in die Fanzine-Macherei einzusteigen. Arne schickte unser Demo zu Mülleimer und dann ergab sich eins aus dem anderen. Ich hatte das Demo auch noch zu Rock-O-Rama geschickt. Die wollten dann ebenfalls eine Platte mit uns machen. Zu der Zeit war aber die Rechtslastigkeit der Firma noch nicht bekannt. Ich hatte damals mit Herbert Egoldt, dem Rock-O-Rama-Chef, über das potenzielle Projekt am Telefon geredet. In diesem Gespräch schlug er mögliche Cover-Motive vor. Ich kann mich nicht an Details des Gesprächs erinnern. Ich weiß aber noch, dass mir seine Ideen bezüglich des Hintergrunds für ein Bandfoto befremdlich vorkamen. Ich muss sagen, dass ich sehr froh bin, dass es mit Rock-O-Rama damals nichts wurde und wir bei Mülleimer landeten. Der Egoldt hätte unsere Lieder wie „The White Rose of resistance“, „Deutschland“ oder „Die es nie gewesen sind“ bestimmt nicht auf seinem Label erscheinen lassen, oder er hätte die Texte wohl für uns, vor deren Aufnahme, umgeschrieben haben wollen. Dass wir dann mit TIN CAN ARMY, die wir gut kannten und die quasi aus der gleichen Gegend wie wir selbst kamen, die erste Platte zusammen machten, war totaler Zufall. Soweit ich weiß oder mich erinnere, wollte Mülleimer eine Split-LP machen und da war es wohl so, dass MANIACS und TIN CAN ARMY gerade zufällig zur gleichen Zeit an die Tür klopften.

Wie hast du die Aufnahmen zu euren LPs in Erinnerung?
Zu den Aufnahmen für die Split-LP muss ich sagen, dass dies bei uns, im Gegensatz zu dem, wie es wohl bei TIN CAN ARMY war, sehr problemfrei abgelaufen ist. Ich kann wirklich nichts Negatives hinsichtlich der Zeit im Studio sagen. Der Sportwagen, in dem Thomas Ziegler, dem das Mülleimer-Label gehörte, anreiste, war schon ein bisschen ein Stilbruch für den Chef eines Punklabels. Aber selbst ein Punkrock-Chef sollte ja die Freiheit haben, sich seine Automarke frei wählen zu dürfen. Für Thomas Ziegler möchte ich hier auch eine kleine Lanze brechen. Es wurde ja viel Negatives über ihn gesagt und geschrieben. Ich selbst kann aber im Grunde, bisher, nichts Schlechtes sagen. Als er das Label auflöste, schickte er mir noch eine Kiste mit mehreren unserer Bänder zu, die wir für Mülleimer aufgenommen hatten. Es gibt allerdings zwei Sachen, auf die ich gerne eine Antwort hätte. Die erste Frage wird wohl niemand beantworten können, außer er selbst. Es geht darum, ob die Abrechnungen hinsichtlich verkaufter Platten immer ganz richtig gewesen sind. Ich will damit nicht sagen, dass irgendetwas nicht richtig gelaufen wäre. Allerdings würde ich bei einer Wiederholung der Geschichte der MANIACS auf etwas mehr offizielle Einsicht in die Abrechnungen bestehen. Die zweite offene Frage kann, außer Thomas Ziegler, bestimmt noch irgendjemand, irgendwo auf dieser Welt beantworten. Die Frage ist, ob die brasilianische Version der „The White Rose of Resistance“-LP ein Bootleg ist oder ob Mülleimer mit denen einen Deal hatte. Falls es einen Deal gab, dann wussten wir davon nichts und es wurde geschummelt.

„The White Rose of resistance“, der Titeltrack eurer zweiten LP, ist eine MANIACS-untypische Ballade. Wie ist dieser Song entstanden?
Wenn ich mich recht erinnere, kam ich durch die Ballade „Solidarity“ von der ANGELIC UPSTARTS-Platte, die live in Jugoslawien aufgenommen wurde, auf die Idee, so was auch mal zu versuchen. Wir hatten eigentlich schon alle Lieder zusammen für die LP, die dann „The White Rose Of Resistance“ wurde. Es waren nur noch zwei oder drei Wochen, bis es nach Berlin in das Musiclab zum Aufnehmen gehen sollte. Bei einer der letzten Proben schlug ich vor, wir könnten ja noch versuchen, eine Ballade zu machen. Und das ging dann ganz schnell, das Lied war in ganz kurzer Zeit fertig. Ich weiß nicht mehr genau, ob ich die Idee für den Inhalt des Textes schon im Kopf hatte, als ich das mit der Ballade vorschlug, aber ich gehe davon aus. Ich hatte mich zu der Zeit, gerade das erste Mal, sehr mit der Geschichte der Weißen Rose beschäftigt und so lag es nahe, einen Text darüber zu machen. Übrigens wollte ich seitdem immer nach München in das Uni-Gebäude, wo das mit den Flugblättern der Weißen Rose passiert ist. Im Dezember 2019 bin ich endlich dort gewesen, auch an den Gräbern der Mitglieder der Gruppe, die damals hingerichtet worden sind.

Warum ist eure vierte LP „Thrown To The Dogs“ gefühlt doch ziemlich untergegangen?
Das war allerdings ein herber Schicksalsschlag für den Weltpunk. Es kam wohl deshalb so, weil wir uns ganz kurz nach dem Erscheinen der Platte aufgelöst haben und der Vertrieb dazu auch noch nicht richtig angelaufen war. Eine Tour war in Planung und Konzertplakate waren gedruckt. Aber dann entschied sich die Zeit dafür, die Geschichte anders verlaufen zu lassen. Schade eigentlich, ich finde, dass „Thrown To The Dogs“ bei weitem unsere beste LP ist. Insbesondere die Lieder „Danger eyes“, „Jacky’s last party“, „Chainsaw blues“, „The boys of company C“ und „Die es nie gewesen sind‘ gefallen mir. Und natürlich unsere Coverversion von Kim Wildes „Kids in America“, woraus bei uns mit neuem Text „Kids in West Germany“ wurde. Das letzte Lied auf der Platte heißt „The last song“, ich hatte wohl schon irgendwie geahnt, dass diese LP unsere letzte sein könnte. Schade auch, dass die „Thrown To The Dogs“ bis heute noch nicht auf Vinyl oder CD wiederveröffentlicht wurde. Viele der Originale von damals liegen vielleicht noch irgendwo in einem Keller. Die Vinyl-LP wurde damals vom Black Fantasy Label aus Kassel gemacht. Der Chef des Labels betreibt heute wohl noch den Scheibenbeisser-Plattenladen dort.

Die Chaostage 1984 in Hannover waren für viele ein einschneidendes Erlebnis. Warst du selbst da?
Ich war nicht auf den Chaostagen in 1984 und auch nicht auf ähnlichen Veranstaltungen in anderen Jahren. Es war das Wort „Chaos“, das mich von einer Reise dorthin abhielt. Ich hatte Punk für mich nie als Aktivitäten in Sachen „Chaos“ gesehen. Ich wollte etwas verändern und aufbauen. Aber ich erinnere mich, dass viele Leute aus unserer Gegend zu den Chaostagen gefahren sind.

Im Rückblick, wie war es für dich, in den Achtzigern in einer Punkband gespielt zu haben?
Es fühlt sich gut an, von 1977 an dabei gewesen zu sein. Auch wenn es nur in der Provinz, im nordhessischen Zonenrandgebiet, gewesen ist. Es fühlt sich gut an, zu den ersten deutschen Bands gehört zu haben, die damals geholfen haben, den Stil der „Second Wave der Punkmusik“ nach Deutschland zu transportieren, und mit dem begannen, was bald als Hardcore bezeichnet wurde. Außerdem war es ja auch nicht nur der Punk damals, sondern es war auch die Jugend. Es gibt viele schöne Erinnerungen an die Zeit. Man hat viele Leute kennen gelernt. Manchmal trifft man heute noch Leute wieder, die man seit damals nicht mehr wiedergesehen hat.

Es gibt mittlerweile mehrere Rereleases von den MANIACS, unter anderem die „Dust Of A Decade“-LP und die Split-LP mit TIN CAN ARMY.
„Dust Of A Decade“ kam wie schon die erste Platte bei Mülleimer, auch wieder über Arne von Noisolution in die Gänge. Arne kennt ja viele Leute in der Independent-Szene. Er muss sich irgendwann mal mit David Hockwin vom Angry Voice-Label unterhalten haben und hat dabei wohl erzählt, dass er uns kennt. Daraufhin wurde der Kontakt zwischen David und mir hergestellt. Der Rerelease der Split-LP mit TIN CAN ARMY kam dadurch zustande, dass Thomas Lenz vom Power It Up-Label wohl irgendwoher meine Kontaktdaten bekam und sich bei mir meldete. Daraufhin haben wir uns in Hannover auf ein Bier getroffen, um das Projekt zu besprechen, während ich auf den Abflug eines Fliegers wartete.

Was ist noch geplant?
Sehr Großes ist noch geplant. Der finanzielle Gewinn der MANIACS belief sich am Ende der etwa zehnjährigen Karriere der Band auf circa 1.200 DM, also etwa 600 Euro, oder 150 Euro pro Kopf. Die 300 Euro von Tom und mir liegen heute noch sicher auf einem Geheimkonto bei der Sparkasse in Göttingen. Tom und ich dachten immer, von dem Geld könnte man mal eine Single machen von zwei Liedern, die wir im Tequila-Rausch Anfang der Neunziger geschrieben hatten. Da Kai und Kümmel nicht dabei waren, nannten wir uns RUMPFGRUPPE. Diese Platte hat sich aber nie ergeben. Wer lange genug sucht, kann Demos der Lieder aber, glaube ich, noch auf Facebook finden. Das eine hieß wohl „Wir sind die Crew von Captain Wunderbar“, das andere war ein Lied über zwei Trucker, die am Frankfurter Kreuz im Stau feststeckten. Nun haben Tom und ich uns vor ein paar Jahren jedoch dazu entschieden, dass wir das Restgeld der MANIACS auch dafür benutzen könnten, um im Rotenburger Schlosspark eine Parkbank für Spaziergänger zu stiften. Wir möchten da gerne ein Schild anbringen mit der Aufschrift: „Gespendet von den MANIACS, die Punkrock-Legenden der Stadt Rotenburg“ anbringen lassen, um unserem Namen Unendlichkeit zu verleihen. Hoffentlich reicht das Geld für die Parkbank ...

Ich meinte eigentlich noch weitere Rereleases ...
Ach so, was unter Umständen neben den beiden Rereleases der EP und der LP „The White Rose Of Resistance“ noch kommt, ist eine LP mit unseren Demotracks, die dann zu unserer ersten Platte mit TIN CAN ARMY führten. Wir hatten alle Lieder, die von uns auf der Split-Platte waren, als Demo gemacht und dies ging an Mülleimer, die uns darauf hin angeboten haben, bei ihnen eine Platte zu machen. Dann haben wir in Berlin für die Platte alles noch mal richtig aufgenommen. Bei den Demoaufnahmen könnten allerdings Lieder dabei sein, die nicht auf der Platte sind. Denn zwischen dem Demotape und der LP lagen ja bestimmt mehrere Monate und wir haben sicher in der Zeit noch neue Lieder geschrieben. Ich meine mich zu erinnern, dass wir einige von den alten Stücken weglassen mussten.

Bist du heute noch musikalisch aktiv?
Ich habe seit dem Ende der MANIACS nur noch zum Hausgebrauch Musik gemacht. Ursprünglich wollte ich in UK zunächst eine neue Band finden. Kaum da angekommen, war einer der ersten, die ich dort kennen lernte, der Neffe von Syd Barrett von PINK FLOYD. Da dachte ich, sei vorsichtig, dass du hier nicht in Musikstile abrutschst, wo du nicht hinmöchtest. Als das mit einer neuen Band nie so richtig anlief, merkte ich irgendwann, so um 1993 oder 1994, dass ich eigentlich gar keine Lust mehr hatte, mir Nächte nach Konzerten mit der Heimfahrt auf der Autobahn zu vertreiben oder auf kalten Betonfußböden zu schlafen. Dabei blieb es dann. Ich treffe mich heute ab und an mit Leuten bei mir daheim und mache etwas Musik. Dafür benutzen wir den Phantomnamen HORSESHIT, weil wir meistens alte Country-Sachen zerschreddern. Manchmal spielen wir auch in einem Pub ein paar Lieder, bei einem Open Mic, zumindest dann, wenn nicht gerade ein Virus die Welt unsicher macht. Das war es dann aber auch. Die professionelle Musikerkarriere liegt mir nicht im Blut.

Wie sieht es mit deinen früheren Bandkolleg:innen aus?
Der Kontakt mit Kai und Kümmel ist schwierig. Beide sind seit nunmehr fast 15 Jahren im Himmel. Ob die dort Harfe spielen, weiß ich nicht. Mit Tom bin ich noch sehr gut befreundet. Wir sehen uns immer, wenn die Reiseroute nach Deutschland einen Abstecher nach Göttingen zulässt. Tom macht auch keine Musik mehr. Somit ist eine MANIACS-Reunion ausgeschlossen. Außer wir buchen uns vier Musikanten, die dann im Schummelstil von MILLI VANILLI unsere alten Lieder im Playback für uns vortragen. Mit Wolfgang, dem Drummer von BLUTVERLUST, bin ich über Facebook in Kontakt, und wir haben uns vor ein paar Jahren mal bei ihm zu Hause getroffen. „Tante Irmchen“, die Bassistin von BLUTVERLUST, nachdem Kai dort ausgestiegen war, habe ich, wie du bestimmt noch weißt, vor circa zwanzig Jahren bei der Durchfahrt durch Hannover mal kurz wiedergesehen. Rainer, den Gitarristen von BLUTVERLUST, habe ich seit unserem letzten Konzert etwa 1982/83 leider nie wieder getroffen. Aber Wolfgang und ich haben neulich per Internet seine Telefonnummer gefunden und die Kontaktaufnahme ist geplant. Ich gehe davon aus, dass Rainer heute bestimmt noch immer mindestens genauso nörgelig und missmutig ist wie damals.

Heute wird der Status von Musikerinnen stark diskutiert. Wie männlich/machistisch oder emanzipatorisch hast du die damalige Szene wahrgenommen?
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ganz am Anfang irgendjemand an männlich/machistisch oder emanzipatorisch gedacht hätte. Bei uns in der Gegend empfand ich es so, dass die allgemeine Stimmung einfach nur „Hey, ho, let’s go!“ war. Ich schätze, Themen wie männlich/machistisch oder emanzipatorisch, wie auch viele andere Aspekte, wurden erst im Laufe der Achtziger richtig aktuell, als sich die Zeit weiterbewegt hatte. Ich meine damit, dass sich alles in immer mehr Fraktionen zersplitterte, die alle irgendeine Meinung zu irgendwelchen Themen hatten und dabei ihre eigenen Musikstile entwickelten. Das ist in vieler Hinsicht gut so, birgt aber Gefahren. Es war ja beim Turmbau zu Babel ähnlich.

Diskografie
„Attack“ (MC, Bunker Tapes, 1982) • Split w/ TIN CAN ARMY (LP, Mülleimer, 1983, Rerelease: Power It Up, 2017) • „German Tanks“ (MC, Bunker Tapes, 1983) • „... Salute The Survivors“ (7“, Pogar, 1984, Rerelease: Mad Butcher, 2021) • „Live AZ Freiburg 1.9.84“ (MC, AZ Freiburg Booties, 1984) • „The White Rose Of Resistance“ (LP, Mülleimer, 1986, Rerelease: Mad Butcher, 2021) • „Chainsaw Blues“ (7“, Terminal, 1987) • „Bootlegged At The Bootleg – Live In Baväria“ (LP, Rise & Fall, 1988) • „Thrown To The Dogs“ (LP, Black Fantasy, 1990) • „,The White Rose‘ & ,Debut-Album‘“ (CD, A.M. Music, 1992) • „Dust Of A Decade“ (2LP, Angry Voice, 2012) • Split w/ ZYKLOME A (7“, Power It Up, 2017)