LULU & DIE EINHORNFARM

Foto© by Ania Sudbin

Urlaub fürs Gehirn

Fast hätte ich es vergessen: Luise Fuckface von THE TOTEN CRACKHUREN IM KOFFERRAUM hat ja noch eine zweite Band. Eine richtig coole Punkband namens LULU & DIE EINHORNFARM. Schlappe sieben Jahre sind seit dem letzten Studioalbum „Ihr seid alle scheisse“ vergangen. Aber jetzt tut sich was auf der Einhornfarm. Elf rotzfreche Hits zwischen roughem Eighties-Punk und poppigem Garagensound hat das Quartett aus Berlin aufgenommen – „alles klärchen bärchen“ heißt das dritte Album. Sängerin Luise Fuckface aka Lulu und Schlagzeuger Molch schildern uns, warum es bei der Einhornfarm viel entspannter zugeht als bei den Crackhuren.

Warum hat das mit dem neuen Album so lange gedauert?

Luise: Weil wir einfach faule Schweine sind, haha. Die Einhornfarm ist ja neben den Crackhuren immer ein bisschen nebenbei gelaufen. Mit denen war ich oft schon komplett überfordert. Deshalb hat es in den letzten Jahren überhaupt nicht in meinen Zeitplan gepasst, etwas für die Einhornfarm zu schreiben. Aber jetzt habe ich mal wieder Urlaub fürs Gehirn gebraucht und deshalb hat es gerade gut gepasst.

Urlaub fürs Gehirn heißt, du hast hier ein komplett anderes Mindset als bei den Crackhuren?
Luise: Mit der Einhornfarm schreiben wir viele Songs, die vor allem Quatsch und Nonsens sind. Die haben nicht die politischen Botschaften und sind nicht tausendfach durchdacht wie bei den Crackhuren. Wir treffen uns, labern Müll und manchmal entsteht daraus ein neuer Song. Es ist also sehr viel entspannter, weil es auch irgendwie ein bisschen egaler ist.
Molch: Der Schreibprozess ist ganz anders. Wenn wir Songs für die Crackhuren schreiben, brauchen wir für einen Track so lange wie für ein komplettes Album der Einhornfarm. Für dieses Album hatten wir gerade mal zwei Sessions im Studio, und zu diesem Zeitpunkt waren noch nicht mal alle Songs fertig.
Luise: Der Aufnahmeprozess läuft ähnlich schnell wie der Schreibprozess. Die drei Boys spielen die Songs live ein und wir müssen uns nur noch entscheiden, welchen Take wir nehmen. Oft ist es sogar der erste Take, der es aufs Album schafft. Am nächsten Tag singe ich dann dazu und fertig ist das Album.

Eure Lieder sind ja vor allem Alltagsbeobachtungen. Wie werden aus diesen Ideen fertige Songs? Hast du eine Art Ideen- oder Tagebuch?
Luise: Die Texte entstehen alle auf meinem Handy in dieser Notiz-App. Da stehen jede Menge Sachen drin, die ich nebenbei mitschreibe. Ideen, aus denen irgendwann was werden soll, die es aber nicht aufs Crackhuren-Album geschafft haben. Oder Dinge, die uns super spontan einfallen. Zum Beispiel „Morgen kommt das neue iPhone“. Ich habe mir wirklich ein neues iPhone bestellt, obwohl ich das niemals haben wollte. Ich hatte so lange drüber nachgedacht, ob ich das machen soll oder nicht. Das hat mich emotional so aufgewühlt, dass ich einfach ein Lied darüber schreiben musste. Dann haben wir das einfach gemacht.

Wie entscheidest du, was für die Einhornfarm verwendet wird und was für die Crackhuren?
Luise: Die Entscheidung fällt in dem Moment, in dem der Song entsteht. Aktuell war klar, dass wir ein neues Album mit der Einhornfarm machen. Ich schreibe auch nicht parallel Songs für beide Bands, das bekomme ich in meinem Gehirn nicht gebacken. Ich kann mich immer nur auf eine Sache konzentrieren. Die Idee für das Stück „Nazis zuscheißen“ stammt zum Beispiel von meiner Taubenfreundin Coco, die viel mit den Jungs von ALARMSIGNAL herumhängt. Die hat so einen Tauben-Unterstützungs-Button auf dem „Nazis zuscheißen“ steht. Dann habe ich sie einfach gefragt, ob ich mir den Slogan klauen darf. Das war im Studio total random. Die Jungs haben was gespielt und der Text hat zufällig gut dazu gepasst. Fertig.

Am besten finde ich den Text von „Ich bin so lustig, wenn ich betrunken bin“. Bist du wirklich lustig, wenn du betrunken bist?
Luise: Ich selbst fühle mich sehr lustig, aber viele Leute denken, ich bin der traurigste Mensch der Welt. Ich weine zwar nicht, aber ich werde immer ganz still und sehe nicht so aus, als hätte ich viel Spaß. In dem Song geht es aber auch um Leute, die ätzend werden, wenn sie betrunken sind. Die wenigsten Leute sind mir besoffen sympathischer als nüchtern. Die meisten Besoffenen finde ich schon ziemlich nervig.

Du hast auch einen Song über Dickpics geschrieben. Der ist ernster als die meisten Einhorn-Songs. Welche Erfahrungen hast du damit gemacht?
Luise: Eigentlich wäre das ein typischer Song für die Crackhuren gewesen, aber in dem Moment habe ich mich mit der Seite dickstinction.com beschäftigt. In Gedanken habe ich gerade einen Jingle dafür geschrieben. Wenn du ein Dickpic bekommst, kannst du das direkt über diese Seite anzeigen. Du musst also nicht zur Polizei rennen und dich offenbaren, sondern kannst das gleich hier online erledigen. Das baut schon mal eine große Hemmschwelle ab. Das finde ich wirklich großartig.
Molch: Ich habe schon den Eindruck, dass die Texte der Einhornfarm in den letzten Jahren ein bisschen ernster geworden sind. Wir haben inzwischen öfter Songs im Repertoire, die eine klare Botschaft vermitteln. Das finde ich auch gut.

Sehr lustig finde ich „Im Bus wird nicht gekackt“. Eine Grundregel für alle Busreisen. Ist das ein größeres Thema bei euch?
Luise: Wir reden in der Band sehr viel übers Kacken. Molch schickt mir fast jeden Tag ein Emoji oder ein GIF. Damit ich weiß, er sitzt gerade auf dem Klo. Er hat es sogar schon so weit gebracht, dass unser Labelboss Bönxi mir auch schon solche Dinge schickt. Damit ich immer weiß, wann alle am Kacken sind. Auf Tour isst man einfach wahnsinnig viel Müll, trinkt viel Bier und Kaffee, deshalb bekomme ich früher oder später immer ein Problem mit meiner Verdauung. Deshalb müssen wir auch immer so oft anhalten und das ist natürlich immer wieder Thema in unseren Gesprächen. Kacken ist also ein bisschen unser Hobby.

Was hat denn die Polizei mit deinen Tauben zu tun? Du engagierst dich ja schon lange im Tierschutzprojekt „Graue Flügel“ in Berlin, aber das ist ja nicht illegal. Was hat zum Song „Überall Bulln“ geführt?
Luise: In Berlin gibt es ja kein Fütterungsverbot, hier darf man Tauben füttern. Aber trotzdem gibt es immer wieder Polizisten, die Stress machen und fragen, ob ich das wirklich darf. Obwohl sie es eigentlich besser wissen müssten. Die kacken einen dann an, wenn man Tauben füttert. Immer wieder werden an meiner Futterstelle auch Tauben vergiftet und dann muss ich auch immer wieder die Bullen rufen. Die haben mich als Tauben-Lady natürlich nicht ernst genommen und wollten mit mir diskutieren, ob Tauben Wirbeltiere sind oder nicht. Also Bullen und Tauben gehören für mich einfach nicht zusammen.

Und wie kommt Chris von KOTZREIZ in den Song?
Luise: Den habe ich zufällig getroffen und ihn gleich gefragt, ob er spontan Bock hat. Hatte er natürlich, wenn es um Bullen geht. In Berlin findet jeder die Bullen scheiße. Die Institution Polizei ist einfach kacke. Man hat einfach keinen Bock auf Stress und Chris eben auch nicht.
Molch: Wenn man in dieser Punker-Bubble herumhängt, läuft man sich in Berlin praktisch ständig über den Weg. Wir mögen Chris auch alle und KOTZREIZ sind einfach eine legendäre Band. Die haben früher viel in der Rigaer Straße herumgehangen, so wie wir auch. Wir kennen uns also schon ewig. Eigentlich ist es eine Schande, dass wir erst jetzt was zusammen machen.

Der Titel „Bau mir nen Schrank“ kommt mir bekannt vor. Ist das ein Remix des Crackhuren-Songs?
Luise: Weil wir einfach faul sind und nicht genug Songs haben, covern wir live gerne mal Songs von den Crackhuren. In Hamburg zum Beispiel sollten wir neulich eineinhalb Stunden lang spielen. Selbst wenn wir alle unsere 43 Songs spielen würden, kämen wir niemals auf eineinhalb Stunden. Und die Punk-Version von „Bau mir nen Schrank“ fanden wir so cool, dass wir sie einfach aufgenommen haben. Eigentlich wollten wir ja nur eine EP machen, aber dann kam die Förderung von der Initiative Musik und plötzlich hatten wir so einen Zeitdruck, dass wir ganz schnell noch Material gebraucht haben.

Lass uns mal über den Sound reden. Der schwankt ja zwischen Deutschpunk-Gekloppe und schrammeligen Garage-Songs. Seht ihr LULU & DIE EINHORNFARM als klassische Punkrock-Band?
Molch: Als Musiker finde ich es sehr erfrischend, in einer Band zu spielen, die völlig reduziert ist auf Gitarre, Bass und Schlagzeug. Warum das so klingt? Das ist die Musik, die sich Lulu gewünscht hat.
Luise: Ich finde schon, dass wir eine Punkband sind. Als ich die Einhornfarm gegründet habe, wollte ich eine Band haben, die klingt wie eine Mischung aus KOTZREIZ und DxBxSx. Weil ich dieses Stoner-Gekloppe und das Punk-Geschrei zusammenbringen wollte. Anfangs war unsere Mucke auch noch mehr Stoner-lastig. Inzwischen hat sich das gewandelt, weil die neue Besetzung mehr Garage-Rock als Stoner hört.

Ist es ein großer Unterschied, mit der Einhornfarm auf Tour zu gehen, verglichen mit den Ausflügen mit den Crackhuren?
Luise: Eigentlich ist es nicht viel anders, weil die Boys auch bei den Crackhuren dabei sind. Und weil sich das Publikum, das wir mit beiden Bands ansprechen, immer ähnlicher wird. Also sehr divers und FLINTA-lastig. Menschen, bei denen ich mich sehr gut aufgehoben fühle. Deshalb macht es eigentlich keinen großen Unterschied, mit wem ich unterwegs bin. Ich finde beides gleich schön.

Was gibt dir die Einhornfarm, das dir die Crackhuren nicht bieten können?
Luise: Vielleicht die Schlichtheit der Musik. Dass es so schnell geht und dass es so laut ist und ballert. Eigentlich behandle ich die Einhornfarm ein bisschen stiefmütterlicher als die Crackhuren, muss ich gestehen. Weil die einfach unkomplizierter und pflegeleichter sind. Deshalb bekommen sie auch weniger Aufmerksamkeit. Ich brauche einfach diesen Ausgleich. Das eine Baby erfordert ganz viel Arbeit und das andere ist einfach laut und brutal. Diese Abwechslung zu haben, finde ich schon ganz geil. Mit der Einhornfarm ist außerdem alles ein bisschen reduzierter. Es gibt kein Bühnenbild, keine Kostüme und keine Choreografie. Den ganzen Scheiß, um den ich mich sonst kümmern muss, muss ich bei der Einhornfarm nicht machen. Und trotzdem kann ich auf der Bühne mein Ego füttern.

Was läuft gerade bei den Crackhuren? Gibt es da auch ein neues Album?
Luise: Ich würde gerne bald wieder ein neues Crackhuren-Album machen. Wir haben auch schon damit angefangen, Demos zu schreiben. Das heißt aber noch gar nichts. Das letzte Mal kam die Crackhuren-Platte sechs Jahre nach den ersten Songideen. Ich will mir jetzt auch keinen Druck machen.

Was ist rund um den Release von „alles klärchen bärchen“ geplant?
Luise: Wir fahren erst mal auf Tour mit den Crackhuren und haben ehrlich gesagt noch gar nichts geplant. Wir haben jetzt erst angefangen, nach Locations für eine Release-Party zu suchen. Aber alle Clubs, die wir angefragt haben, sind voll. Inzwischen haben wir aber zufällig eine Anfrage für diesen Tag bekommen, also wird da irgendwas stattfinden. Wir haben letztens außerdem das alte Keyboard von unserem Bassisten ausgegraben. Das HM 200. Deshalb habe ich mir überlegt, ob ich vielleicht damit ein Straßenkonzert gebe. Die anderen in der Band sind noch nicht so richtig begeistert, aber ich finde die Idee sehr gut. Mal schauen. Ende Mai, Anfang Juni wollen wir dann mit dem Album auf Tour gehen. Also wer Interesse hat, kann uns buchen.