Es ist noch gar nicht so lange her, dass LÜT auf der Bildfläche aufgetaucht sind. Die Band aus dem hohen Norden überzeugte uns im Februar 2021 mit ihrem Album „Mersmak“. Schneller, eingängiger Punkrock mit Screamo-Vocals, der an Bands wie KVELERTAK, ONDT BLOD oder HONNINGBARNA erinnert. „Mersmak“ ist aber nicht das Debütalbum der Norweger, das heißt nämlich „Pandion“ und ist im Juli 2017 in Eigenregie erschienen. Allerdings nur in Norwegen, deshalb hat sich die Band entschlossen, ihr erstes Album auch dem Rest der Welt zugänglich zu machen und es nun international zu veröffentlichen. Mit „Pandion“ haben LÜT den Grundstein für ihren Erfolg gelegt, wie uns Sänger Markus Danjord und Gitarrist Mads Ystmark erzählen.
Wie sind damals die Aufnahmen für „Pandion“ gelaufen?
Markus: Wir haben uns mit ein paar Paletten Dosenbier im Haus von Marius eingenistet und versucht, Songs zu schreiben. Ein paar von diesen Stücken sind auch richtig alt, sie gehören zu den ersten, die wir überhaupt geschrieben haben. Zum Beispiel „Skyt mæ“, „FetteLÜT“ oder „Boytoy“. Bei den Aufnahmen waren wir zum ersten Mal überhaupt in einem professionellen Tonstudio. Ein erster Vorgeschmack auf das, was wir heute sind. In dieser Zeit sind unser damaliger Gitarrist Hans-Marius und ich immer seltener in der Schule aufgetaucht. Im Herbst 2016 wurde an den norwegischen Highschools eine neue Regelung eingeführt, dass man nur noch eine begrenzte Zahl an Fehltagen haben darf. Ich glaube, ungefähr nur noch 10% der Schultage, sonst wirst du nicht zum Examen zugelassen. Wir hatten damals sowieso keine große Lust mehr und haben die Schule geschmissen, weil gerade so viel mit der Band passiert ist. Seitdem haben wir auch keine Schule mehr betreten. Im Nachhinein betrachtet hätte ich den Abschluss vielleicht doch machen sollen, aber erzähl das bloß nicht meiner Mutter, haha.
Lasst uns über die Songs von „Pandion“ sprechen. Ihr müsst sie mir allerdings übersetzen, denn die Texte sind alle auf Norwegisch.
Markus: In „Prisen“ zum Beispiel, dem ersten Song auf dem Album, geht es um den Preis, den du bezahlen musst, wenn du in einer Rockband spielen willst. Wenn du viel herumreist und versuchst, der coolste Typ auf der Welt zu sein. Es gibt eine Menge richtig blöder Texte auf dem Album. Am Ende der zweiten Strophe zum Beispiel wusste ich nicht, wie es weitergehen sollte, dann habe ich vom Lama-Mann gesungen, das hat sich gereimt. „FetteLÜT“ haben wir uns selbst genannt, bevor wir den Plattenvertrag unterschrieben haben. So hießen wir damals auch auf Twitter, Instagram oder Facebook. Das bedeutet so viel wie „die großartigen LÜT“. „Skyt mæ“ dagegen ist ein Song über all die dummen Menschen, die man ständig trifft. Die nicht auf unserer Wellenlänge sind. „Erschieß mich, wenn ich jemals so werden sollte“, heißt es im Refrain. Damals waren wir 17 Jahre alt und ich habe immer so eine komische Waffle-Jacke getragen, mit der normalerweise nur reiche Kids rumlaufen. In diesem Song hat Hans-Marius direkt mit dem Finger auf mich gezeigt. Ich solle mir lieber eine Denim-Jacke kaufen und ein halbes Jahr später hatte ich die dann auch. Als ich damit in die Schule kam, hat er mich gleich umarmt. In diesen Texten steckt jede Menge Frust und Abneigung gegenüber unseren Mitschülern und sonstigen Menschen um uns herum. Wir selbst fanden die Texte damals ziemlich erwachsen und ausgereift, haha.
Wer ist der Typ mit der Verbrechervisage auf dem Cover?
Markus: Das ist der Vater von unserem damaligen Gitarristen Viljar. Der ist in den frühen Neunzigern aus Bosnien nach Norwegen geflohen. Er ist der netteste Kerl überhaupt und total gebildet. Er hat gleich zwei Bachelor-Abschlüsse geschafft. Aber er sieht einfach aus wie ein ganz schlimmer Verbrecher. Wie der größte Mafiaboss aller Zeiten. Wir hatten also diese blöde Idee, eine Person aufs Albumcover zu nehmen, die einfach nur cool aussieht. Damals habe ich auch jede Menge Mädchen angeschrieben, ob sie nicht vielleicht Lust hätten, aufs Plattencover zu kommen. Die sollten dann im Hintergrund sitzen, also hinter uns. Letztendlich sind beim Fotoshooting nur drei Mädchen aufgetaucht: Meine Schwester und zwei von ihren Freundinnen. Das sah dann total merkwürdig aus, weil wir alle 17 waren und die Mädchen alle ein paar Jahre älter als wir. Deshalb haben wir uns für Viljars Papa entschieden.
Wie fühlt sich das an, wenn ihr heute die Songs von „Pandion“ auf Konzerten spielt?
Markus: Wenn wir diese Songs live spielen, ändere ich die Texte auch schon mal spontan, das hängt immer davon ab, wer vor der Bühne steht. Wir haben diese Songs wahrscheinlich schon tausendmal gespielt, deshalb müssen wir uns auf der Bühne nicht mal so richtig konzentrieren wie bei neueren Songs. Die flutschen einfach. Wir spielen sie auch manchmal doppelt oder halb so schnell wie normal. Sie funktionieren aber immer noch hervorragend bei Konzerten. Das macht wirklich Spaß. Wir haben nie über eine Bühnenchoreografie gesprochen, aber bei diesen Liedern gibt es Momente, in denen alle gleichzeitig dieselbe Bewegung machen.
Ihr habt damals sehr positives Feedback auf euer Debütalbum bekommen. Wie hat euch das geholfen?
Markus: Sehr. Das ist uns noch mal klar geworden, als wir unser zweites Album „Mersmak“ veröffentlicht haben und wegen Corona kein einziges Konzert spielen konnten, um das Album zu promoten. Wir sind damals für eine Reihe von Musikpreisen in Norwegen nominiert worden, haben aber nie einen gewonnen. Weder den norwegischen Grammy namens Spellemannprisen noch den Award als „New Band of the Year“ im norwegischen Radiosender P3. Meistens hat uns die Popsängerin Sigrid die Preise weggeschnappt, haha. Wir haben noch nie was gewonnen und bekommen dann immer tröstliche Textnachrichten von unseren Kumpels und Freundinnen. Diese Verleihungen sind sowieso immer furchtbar langweilig. Vier Stunden ohne Alkohol herumsitzen für nichts. Aber die Aftershow-Partys sind immer gut. Auf jeden Fall war „Pandion“ ein Türöffner für uns. Wir haben 2017 jede Menge Interviews in Norwegen gegeben. Damals haben wir die Pressearbeit noch selbst gemacht. Wir bekamen Radio-Airplay und es hagelte positive Reviews. Dadurch haben wir jede Menge Angebote für Shows bekommen. So haben wir unseren Booking-Agenten und letztendlich auch unsere Plattenfirma kennen gelernt. Die Platte hat uns schlagartig in ganz Norwegen und ein bisschen darüber hinaus bekannt gemacht.
Nach dem Album hat sich euer Line-up aber stark verändert, oder?
Markus: Drei von LÜT haben die Band verlassen. Erst ist mein guter Kumpel Hans-Marius ausgestiegen, dann Viljar. Die beiden waren Gitarristen und wurden durch Mads ersetzt, der vorher bei HEAVE BLOOD AND DIE gespielt hat. Unser Bassist Marius ist damals auch für zwei Wochen ausgestiegen und hat sich seinem Job als Pizzabäcker gewidmet. Bis ihn seine Arbeitskollegen gefragt haben: Bist du verrückt? Dann ist er zurückgekommen. Außerdem ist noch unser damaliger Drummer Sven ausgestiegen und wurde durch Sveinung ersetzt. Die Band hat sich also damals verändert und verkleinert. Aber die jetzige Besetzung funktioniert wirklich gut.
Aktuell arbeitet ihr ja bereits an eurem dritten Album. Was könnt ihr schon verraten?
Mads: Musikalisch wollen wir genau da anknüpfen, wo wir mit „Mersmak“ aufgehört haben. Wir haben uns nicht entschlossen, eine andere Richtung einzuschlagen. Trotzdem versuchen wir natürlich auch, neue Elemente in unseren Sound einzubauen. Wir müssen aber alle dahinterstehen, erst dann setzen wir neue Dinge um. Momentan sind wir noch im Songwriting-Prozess. Vielleicht bringen wir vor dem Album sogar noch eine EP heraus. Das steht aber noch nicht fest. 2022 wird es also auf jeden Fall neue Musik von LÜT geben.
Für Mai 2022 ist geplant, dass ihr mit Hank von Hell, dem früheren Sänger von TURBONEGRO, nach Deutschland kommt. Das passt ziemlich gut, finde ich.
Mads: Das ist natürlich sehr cool für uns. Wir sind alle mit TURBONEGRO aufgewachsen. Das ist eine große Ehre für uns. Außerdem haben Hank und TURBONEGRO eine riesige Fanbase in Deutschland, das hilft uns sehr. All die Turbojugend-Chapter mit ihren Kutten werden da auftauchen. Leute, die vielleicht das nächste Mal zu Shows von LÜT kommen, wenn wir alleine unterwegs sind. Unter unseren Fans gibt es wahrscheinlich große Schnittmengen. In Tromsø zum Beispiel kenne ich ein Mitglied der Turbojugend, das ein LÜT-Tattoo hat. Außerdem bin ich neugierig, wie das Publikum in Deutschland auf uns reagiert. In Norwegen kennen uns ja unheimlich viele Leute, das ist bei euch noch nicht so.
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