LONSDALE

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... loves all colours

Ende der 90er Jahre lief ich öfters mit einem Lonsdale-Hoodie durch die Gegend. Zwei Neonazis in einer Kleinstadt gefiel nicht, dass ich dazu Dreadlocks hatte, weshalb ich dann Prügel auf einem Kneipenklo bezog. Ein paar Jahre später fragte mich ein linker Skinhead, ob ich rechtsradikal wäre, da ich ein Lonsdale-Poloshirt anhatte. Schließlich schmiss ich die Klamotten genervt in den Müll. In den letzten Jahren nahm ich Lonsdale nur noch am Rande als Sponsor des antirassistischen Sportvereins Roter Stern Leipzig wahr. Umso mehr verwundert war ich, als auf einem Foto der ersten „Hooligans gegen Salafisten“-Demo ein Teilnehmer mit Lonsdale-Collegejacke zu sehen war.

Das war für mich der Auslöser, mich ernsthaft mit der Geschichte von Lonsdale zu befassen, nach dem, was ich wusste, passte das einfach nicht zusammen, hatte ich doch noch das Bild von Muhammad Ali im Kopf, der mit Lonsdale-Trikot im Ring stand, und wusste vom Sponsoring linker Vereine und Initiativen und unzähligen Punks, die deren T-Shirts tragen. Während der Arbeit an dem Artikel erfuhr ich auch noch von der aktuellen Zusammenarbeit von Lonsdale mit FEINE SAHNE FISCHFILET.

Die Anfangsgeschichte ist schnell erzählt: Bernhard Hart gründete 1960 die Sportartikelmarke „Lonsdale“. Der Name bezieht sich auf Hugh Lowther, den fünften Earl of Lonsdale, dessen Nachkommen Hart die Rechte überließen. Anfangs beschränkte sich die Marke auf Boxsportartikel, Hintergrund war vor allem Lowthers Engagement im Boxsport, er hatte 1891 den National Sporting Club (NSC) in England mitgegründet, der dem Boxen ein festes Regelwerk verpasste. 1909 stiftete der Earl, bis zu Beginn des Ersten Weltkriegs ein Freund des deutschen Kaisers, den „Lonsdale Belt“, den weltweit ersten Boxgürtel, um den auch heute noch geboxt wird. Der Gürtel war eine Reaktion auf die Kommerzialisierung des englischen Boxsports, der NSC hatte durch Kämpfe außerhalb, zum Beispiel in der Royal Albert Hall, Konkurrenz bekommen. 1929 wurde schließlich die „British Boxing Board of Control“ gegründet, der Earl blieb bis zu seinem Tod an der Spitze.

Hart selbst war auch Boxer und eröffnete in Londoner Stadtteil Soho, unweit der bekannten Carnaby Street, seinen ersten Laden, welchen ich Anfang der Neunziger Jahre zufällig entdeckte. In Deutschland waren zu der Zeit Neonazikrawalle an der Tagesordnung und hier im Laden arbeiteten Schwarze – meine erste wundersame Begegnung mit der Marke außerhalb der „Tagesschau“.

1962 bekam Hart endlich die Zulassung, den Namen des Earls verwenden zu dürfen, und von da an begann eine Erfolgsgeschichte. Im Laufe der Jahrzehnte wurde die Marke Lonsdale von Boxweltmeistern wie Muhammad Ali, Evander Holyfield, Sugar Ray Robinson oder Mike Tyson getragen. Irgendwann sollten sogar Madonna und George Michael mit einem Lonsdale-Shirt herumlaufen.

Nach der Eröffnung des Geschäfts in der Beak Street weitete sich die Kundschaft aus. Das damalige London galt aufgrund seiner Einwohner, die aus unzähligen Nationen gekommen waren, als multikultureller Ort, an dem die verschiedenen Subkulturen zusammentrafen beziehungsweise entstanden. Im Zuge der Mod-Bewegung, die sich auf alles Mögliche berief wie zum Beispiel Northern Soul, Ska, Rocksteady oder Beat, wurde Mode ein wichtiger Bestandteil im Versuch, sich abgrenzen zu können, vereinzelt trat die Marke Lonsdale hier auch außerhalb von Boxclubs in Erscheinung. Besonderes Merkmal der Mods war die hochwertige Kleidung, die sie trugen, man schätzte Anzüge und polierte Schuhe. Insgesamt nahm Lonsdale aber in der zweiten Mod-Welle gegen Ende der Siebziger eine weitaus größere Rolle ein.

Im Laufe der Jahre entstand dann die Londoner Skinheadszene. Von den Mods übernahm der Großteil der Skins das Bewusstsein, dass das Äußerliche schick, aber auch eigenständig sein musste. Die Skins der ersten Jahre trugen nicht unbedingt Lonsdale-Klamotten, das waren für sie erst mal Sportklamotten von Boxern. In der Szene, die musikalisch vor allem auf Rocksteady und Ska Bezug nahm, bewegte man sich schrittweise von den Edelklamotten der Mods weg. Anfangs kleidete man sich eher marken-, aber in der Tat auch makellos. „Kleidervorschriften“ gab es kaum.

Das heute 49-jährige Skingirl Theresa aus London erzählte mir, dass die ganze Klamottengeschichte anfangs überhaupt nicht so starr war, wie man heute meint. Viele jüngere Skinheads der folgenden Generationen hätten Regeln und Definitionen aufgestellt, die sie den „alten Skins“ andichteten. Im Laufe der Zeit kamen dann Klamotten auf wie zum Beispiel von Ben Sherman oder Fred Perry in allen Variationen (zum Beispiel Poloshirts, Button-down-Hemden, Pullunder, Pullover mit V-Ausschnitt), ansonsten waren zum Beispiel Levi’s 501-Jeans und deren Jeansjacken sehr begehrt.

Dann entdeckten vor allem südenglische und Londoner Skinheads Lonsdale für sich – im Norden wäre man nicht auf die Idee gekommen, ein Shirt mit der Aufschrift „London“ anzuziehen. Mit der Sportmarke konnte man sich wiederum abgrenzen vom Rest der Gesellschaft, sogar noch weiter als es die ersten Skins konnten. Lonsdale war nicht so edel wie zum Beispiel Ben Sherman. Es war bekannt, dass die Klamotten aus den Boxclubs stammten, sie waren einfach, schlicht, praktisch und das Logo prägte sich leicht ein. Theresa und ihren Freundinnen in London trugen überwiegend Lonsdale-Sachen, weil sie bequem und auf gewisse Weise trotz der Boxclub-Herkunft schick waren. Favorisiert wurden bei den Londoner Skingirls dieser Zeit blaue Shortsleeve-Tops mit schwarzem „Lonsdale London“-Logo. Das graue T-Shirt rangierte an zweiter Stelle. Das Skinheadoutfit wandelte sich weiter, es tauchten nun auch die ersten Bomberjacken auf.

In Deutschland schwappte die Welle spätestens zu Beginn der Achtziger Jahre von England herüber. Das Outfit-Trio Bomberjacke, Lonsdale-Shirt, und Doc Martens oder Rangers war nun öfter zu sehen. Für CANALTERROR-Sänger Tommy beispielsweise gehörte Lonsdale von außen betrachtet einfach zum Skinheadoutfit dazu. Das Outfit der „Domestosjeans“ der Skinheads hatten damals auch viele Punks übernommen. Wie in England hingen Punks oft zusammen mit Skinheads rum, man hörte die gleiche Musik wie COCK SPARRER, COCKNEY REJECTS oder PETER AND THE TEST TUBE BABIES.

Im Laufe der Zeit trennten sich die Wege von Punks und Skins allerdings, was der zunehmenden Vereinnahmung von Skinheads durch Rechtsextreme geschuldet war. Skinheads traten laut Tommy zum Beispiel Burschenschaften bei und hatten ihren Spaß in Wehrsportgruppen. Zwischen diesen Gruppen und den Punks gab es politisch natürlich keine Gemeinsamkeiten, so dass hier der Hass aufeinander seinen Anfang nahm. Für Tommy war die Klamotte Lonsdale damals allerdings kein Synonym für Neonazis, man musste genauer hinschauen wie zum Beispiel auf die damals beliebten „Ich bin stolz ein Deutscher zu sein“-Aufnäher. Aber dann war die Sache klar.

Nun begannen für Lonsdale ambivalente Jahre – finanziellen Zuwächse vor allem durch den Verkauf an Rechtsextreme stand zum einen das Selbstverständnis von Lonsdale gegenüber. Man war eine Sportklamottenfirma, die alle möglichen Menschen im Boxsport ausrüstete, viele davon waren natürlich auch Schwarze. Zum anderen muss man davon ausgehen, dass diese Problematik in der Zentrale in London überhaupt nicht wahrgenommen wurde. Mitte der Achtziger trug zum Beispiel auch der Boxer Mike Tyson Lonsdale. Umso weniger war zu verstehen, dass nun vor allem Fascho-Skins damit rumliefen.

Überhaupt war in Presse und Fernsehen ab Ende der Achtziger Jahre und dann insbesondere nach der Wiedervereinigung das Lonsdale-Sweatshirt ein Synonym für rechtsextreme Skinheads. Dass die Marke eine andere Geschichte hatte und auch von linken oder unpolitischen Skinheads oder auch von Mitgliedern beispielsweise der „Gay Skinhead Movement Sektion Deutschland“ getragen wurde, war kaum bekannt. Im Skintonic beispielsweise, einem antirassistischen Skinhead-Fanzine der SHARP Section Germany, erschien regelmäßig Werbung des Lübeckers Eastend-Versands zu Lonsdale-Shirts. Der Hooliganismus, zu dem sich Skinheads oft hingezogen fühlten, tat ein Übriges – Hools liefen mit Lonsdale-Klamotten rum, einfach weil es eine Sportmarke war. Im Vergleich zu England kann man durchaus sagen, dass Lonsdale in Deutschland viel eher als „Einstiegsklamotte“ in die Skinhead- und Hooligan-Szene galt, eben weil die Marke so stark medial transportiert wurde. Zu Zeiten der Wende ging der Absatz weit nach oben – die rechtsextremen Skinheads, die nun in Massen vor allem in den neuen Bundesländern auftauchten, leisteten sich die Lonsdale-Sweatshirts, um wiedererkannt oder gleich „richtig“ zugeordnet zu werden. Das Lonsdale-Logo hatte sich dem Nachrichtenzuschauer eingebrannt als klares Indiz für Rechtsextremismus in diesen Zeiten der Pogrome, Brandanschläge und Morde.

Diese Entwicklung ist für die alten Skinheads der Siebziger und Achtziger Jahre in England nur sehr schwer zu verstehen. Sie alle begriffen meine Frage kaum, was Lonsdale mit Rechten zu tun haben sollte. Carmen, Skingirl der zweiten Generation aus London, brachte es auf den Punkt, als sie mir sagte: „Lonsdale was a British company favoured in the sport boxing. Many skins did boxing training. That’s all I can suggest.“ Sie und ihre Freunde interessierten sich nicht sehr für Lonsdale. Sie war eher eine der traditionellen Skinheads, die Fred Perry oder Ben Sherman trugen. Und die „Lonsdale-Fraktion“ war mehr auf Oi!-Konzerten anzutreffen, auf die sie nicht ging. Für Theresa ist die Frage auch Humbug – all ihre Freundinnen und Freunde, die Lonsdale trugen, waren weder links noch rechts. Sie hatte viele schwarze Skinhead-Freundinnen, die genau wie sie Lonsdale-Shirts anhatten. Das ist ein weiterer Hinweis, dass die Vereinnahmung der Marke durch Neonazis eher ein deutsches Phänomen war. In den deutschen Medien kam dann die Behauptung auf, die Marke Lonsdale würde wegen dem „NSDA“ im Namen von Rechtsextremen getragen, weil es an die Hitler-Partei erinnere: Trägt man eine Jacke offen über dem Shirt, sieht man von „LONSDALE“ nur noch die vier Buchstaben „NSDA“. Doch alle, die ich dazu befragte, sagten, dass sei ein altes Märchen und Schwachsinn und sonst nichts.

Die „Buchstabentheorie“ wurde aber immer wieder gebracht wie zum Beispiel vom Neuen Deutschland und dem Focus im Jahr 2001. Dieses Jahr war ohnehin das Jahr der bürgerlichen Aufklärung. Bundesweit gab es zu dieser Zeit immer mehr Warnungen vor rechtsextremen Codes, Lonsdale galt neben New Balance-Schuhen (deren „N“-Symbol für Rechte angeblich für „Nationalist“ steht) beispielsweise beim Verfassungsschutz als Neonazi-Erkennungszeichen. Der Berliner Verfassungsschutzbericht enthielt diese Erklärung und die Beamten boten sich an, „jungen Leuten sowie der Lehrerschaft und anderen Bürgern faktenreiche Hintergründe zu diesem Thema“ zu vermitteln. An vielen Schulen wurde eine Kleiderordnung eingeführt – nicht wie in den USA wurde eine Uniform verordnet, sondern es wurden bestimmte Labels verboten. In der Schulordnung des Niedersorbischen Gymnasiums Cottbus beispielsweise wurde Schülern, die „Bekleidung mit den Aufdrucken Lonsdale und Consdaple“ trugen, die Teilnahme an Schulfeierlichkeiten untersagt. Lonsdale wurde hier in einem Atemzug mit dem aus der rechtsextremen Szene stammenden Label Consdaple (das die Buchstabenfolge „NSDAP“ enthält und sich bei der Lonsdale-Ästhetik bedient) und sogar „Schriftzügen wie White Power, Ku Klux Klan“ gleichgesetzt.

Die Bild-Zeitung berichtete im selben Jahr regelmäßig von der 15-jährigen „aufsässigen Tanja“ aus Dortmund, die aus dem Unterricht geflogen war, weil sie Kleidung der Marke Lonsdale getragen hat. So ging es auch in den Folgejahren weiter. Die Frankfurter Rundschau verbreitete noch 2006 die Geschichte der vier Buchstaben, obwohl die Kampagne „Lonsdale loves all colours“ bereits seit sieben Jahren lief und Lonsdale den Christopher Street Day (CSD) 2004 gesponsort hatte.

Im Jahr 2007 war in einem Auflagenbescheid zu einer Nazi-Demo in Bad Nenndorf das Tragen beziehungsweise die Zurschaustellung von Lonsdale-Bekleidung untersagt worden. Stadt und Landkreis Schwäbisch Hall warben auf einem Plakat zur Ausstellung „Von Lifestyle bis Hatecrime. Rechtsradikale Kleidung und Symbolik im öffentlichen Raum“ noch 2010 mit einem Bild von einem jungen Mann, der ein Lonsdale-Hoodie trägt. Die Ausstellung war unter anderem auf Schulklassen ausgerichtet. Im Verfassungsschutzbericht 2011 des Landes Brandenburg erkennt die Behörde die Distanzierung der Marke von Nazis zwar an, beschreibt aber immer noch die Bedeutung der vier Buchstaben im Zusammenhang mit dem Namen. Die taz schrieb in einem sonst recht informativen Artikel über das antirassistische Engagement Lonsdales sogar noch 2014, dass Lonsdale wegen den vier Buchstaben „in der Skinheadsubkultur“ (sic!) so beliebt war. Der Zentrale Arbeitskreis Rassismus und Rechtsextremismus von ver.di empfiehlt auf seiner Homepage auch heute noch, das tragen unter anderem von Lonsdale als „Neonazi-Kleidungsmarke“ über eine Betriebsvereinbarung zu verbieten.

Ende der Neunziger Jahre überprüfte Lonsdale Deutschland alle Händler und Versandhändler daraufhin (und macht es heute noch stichprobenweise), ob es sich bei ihnen um Rechtsextreme handelt, und falls ja, wurde diesen gekündigt. Lonsdale nahm die daraus folgenden Umsatzeinbußen gerne hin, so sagt das Unternehmen selbst – alleine in Sachsen 70%. Die Firma nahm in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen einen entsprechenden Passus auf: der jeweilige Händler musste versichern, „dass er in seinem Sortiment keine Produkte solcher Hersteller führt oder zu führen beabsichtigt, deren Herstellung, Vertrieb oder Zielgruppe dem rechtsextremen Umfeld zuzuordnen sind“. Die Beendigung der Geschäftsbeziehungen drohe dann, „wenn der Käufer in Ausstellungs- oder Verkaufsräumen, in Schaufenstern oder Vitrinen, auf Websites oder über andere Medien wie Kataloge, Werbeflyer o. Ä. oder durch Sponsoring Positionen artikuliert oder Positionen Gehör verschafft, die nach unserem alleinigen freien Ermessen diese rechtsextremen Umfeld zuzuordnen sind“. 2005 berichtete die Junge Welt darüber, dass Lonsdale Deutschland 14 rechten Vertrieben gekündigt hatte – was den Nazis natürlich überhaupt nicht gefiel.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wieso dies alles nicht gleich Anfang oder spätestens Mitte der Neunziger Jahre passierte, als die Marke laufend in der Mainstreampresse in Zusammenhang mit Rechtsextremismus auftauchte, ebenso warum die Kampagne „Lonsdale loves all colours“ so spät initiiert wurde. Ralf Elfering, Pressesprecher von Lonsdale in Deutschland, erklärte mir am Telefon, dass das aufgrund der lizenzrechtlichen Lage in den Neunzigern nicht geschah – in dieser Zeit konnte sich jeder Lonsdale-Lizenzen besorgen und dann mehr oder weniger machen, was er wollte, seine Firma Punch GmbH war nur eine unter mehreren. Eine einheitliche Kampagne wurde erst möglich, als „Sports direct“ 2002 die Markenrechte erworben hatte. Trotzdem ging man in Deutschland auf eigenes Risiko schon 1999 voran, und startete die oben genannte Kampagne und trennte sich von rechten Händlern.

Lonsdale Deutschland spricht selbst davon, dass die Neunziger Jahre sehr prägend und der Auslöser gewesen waren, über die öffentliche Bedeutung der eigenen Marke nachzudenken. Von nun an wurde kräftig investiert, wie in die Kampagne „Lonsdale loves all colours“, in der man bewusst mit farbigen Models gegen Rassismus antrat. Zu dieser Kampagne sprach das Neonazi-Fanzine RockNord der Marke jedenfalls den Status „szenetypische Kleidung“ ab und bezeichnete es als „antifaschistischen Werbeschachzug“, dass Lonsdale nun auch mit farbigen Models warb. Als Ersatz war bereits die erste Anzeige des aus der Naziszene stammenden Labels Consdaple in der Ausgabe 77/78 erschienen. Neben dem Vertrieb engagierte sich Lonsdale Deutschland in den letzten Jahren auch bei der bekannten Initative „Laut gegen Nazis“, unterstützte die Wanderausstellung „der Z/weite Blick“ des Archivs der Jugendkulturen in Berlin gemeinsam mit der „Aktion Mensch“ und wendet sich wieder vermehrt dem aktiven Sport zu.

Seit 2011 wird die Boxabteilung des FC St. Pauli gesponsert. Im Fußballsponsoring, das auch bei Lonsdale in England Tradition hat, hat Lonsdale mit den explizit antirassistischen Vereinen Babelsberg 03 und Roter Stern Leipzig (RSL) eine Zusammenarbeit begonnen. Im Stadion von Babelsberg 03 prangt auf einer Bande der Schriftzug „Für einen Fußball ohne Rassismus. Immer und überall“ – mit dem Logo von Lonsdale. Im Fall des RSL war es ganz offensichtlich eine Win-win-Situation. Der Verein hatte einen Kleinbus von Lonsdale bekommen, dazu hatten die 1. und die 2. Mannschaft der Fußballabteilung einen Satz Trikots erhalten. Ralf Elfering von Lonsdale Deutschland verfolgt wie der RSL dasselbe Ziel, das weit über die Seitenlinien hinaus geht: „In Leipzig haben wir mit dem Roten Stern zusammen einen Kleinbus auf die Straße gebracht, der als Vereinsfahrzeug genutzt wird, aber in Sachsen auch als Lautsprecherwagen bei antirassistischen und antifaschistischen Demos im Einsatz ist. Das ist unser gemeinsames Projekt.“

Paul Kroneck vom RSL, der für das Sponsoring zuständig ist und in der 1. Mannschaft spielt, berichtete mir von der durchweg positiven Presse, die die Zusammenarbeit brachte. Er erzählt auch davon, dass einige andere Mannschaften erst mal komisch geschaut hätten, in den Köpfen war eben immer noch teilweise das stereotype Bild des – in diesem Fall sächsischen – Neonazis mit Lonsdale-Sweatshirt. Roter Stern Leipzig ist die Kooperation eingegangen, weil ihnen von vornherein klar war, dass Lonsdale keine Nazimarke war und ist.

Der Marke hat es insofern etwas gebracht, als dass viele ihre Meinung zu Lonsdale geändert hätten, ist sich Paul Kroneck sicher. Dazu, dass Lonsdale hier ja durchaus linke Vereine sponsort, sagt Ralf Elfering: „Wir haben da keine Berührungsängste. Wir fühlen uns allen verbunden, die ein wenig über die Dinge nachdenken und daher aufrecht und ehrlich ihre Stimme gegen jede Form von Diskriminierung und Rechtsextremismus erheben. Unsere Partner sehen wir nicht primär als linke Vereine und Institutionen, sondern einfach als Verbündete, die dafür eintreten, was einfach nur grundanständig ist und was man von einer vernünftigen Gesellschaft erwarten darf: ein Leben ohne Benachteiligung oder Verfolgung aufgrund der Hautfarbe oder Herkunft.“

Mit dem Aufdruck „Lonsdale London against racism and hate“ zeigen sie auch nach außen hin auf ihren T-Shirts, welchen Hintergrund die Marke in Deutschland hat und was ihr dadurch in den letzten Jahren ziemlich viele Sympathien in linken oder „alternativen“ Milieus gebracht hat.

Und wie hat das abgefärbt, welche Reaktionen gibt es beispielsweise heute, wenn man mit Lonsdale unterwegs ist? Holger, Alt-Punker der zweiten Generation aus München, trägt die Lonsdale-T-Shirts, weil er sie cool findet und ihm zum einen das Logo optisch gut gefällt, außerdem wegen deren Engagement gegen rechts. Darauf angesprochen wird er überhaupt nicht. Anders dagegen Marcel, Kleinstadt-Fitnesstrainer. Er hat seine Lonsdale-Ausstattung, weil es eine Boxermarke ist, die ihm sehr gefällt und er selbst Kampfsport betreibt. Außerdem ist die Kleidung im Vergleich zu anderen Sportmarken sehr günstig, wie er sagt. Er bezieht sie immer aus dem Real-Markt, in dem Lonsdale wie andere Sportmarken auch immer wieder mit Aktionen vertreten ist. Im Gegensatz zur Großstadt wird Marcel oft angemacht, in der Regel von Punks und Antifa-Mitgliedern. Entweder ist es einfach Unwissen oder es liegt daran, dass er zu den Lonsdale-Klamotten einen Bürstenhaarschnitt hat und in Turnschuhen von New Balance (die ebenso einen Verkaufsstop an Nazi-Läden vorgenommen haben) rumläuft. Aber ihm wird auch die Eastpak-Bauchtasche als „billiger Thor Steinar-Ersatz“ vorgeworfen, so dass man hier doch von einer Kleinstadtproblematik ausgehen muss.

Auf die Frage an Ralf Elfering, was denn solche Bilder wie zum Beispiel das des Hooligans auf der ersten „HoGeSa“-Demo, der eine Lonsdale-Collegejacke trägt, auslöst, sagt er: „Natürlich waren wir not amused. Aber wir haben uns auch an den Kopf gefasst: Wie blöd muss ein Nazi-Hool sein, wenn er heute noch Lonsdale trägt?“

Doch statt sich passiv mit solchen Fragen zu beschäftigen, geht Lonsdale weiter den direkten Weg nach vorne. Neben den Vereinen Roter Stern Leipzig, Babelsberg 03 und FC St. Pauli arbeitet Lonsdale seit Kurzem mit der Punkband FEINE SAHNE FISCHFILET zusammen: „Die Initiative hierzu ging noch nicht einmal von uns aus. Wir haben uns nett unterhalten und unterstützen nun die Band bei der aktuellen Tour zur Platte „Bleiben oder Gehen“. Wir bemerken also, dass Lonsdale heute sehr oft in einem antirassistischen Kontext gesehen und getragen wird. Genau da fühlen wir uns auch wohl“, sagt mir Ralf Elfering von Lonsdale abschließend.