Kaum ein Videospieleentwickler hat so eine eingeschworene Fangemeinde wie FromSoftware, gerade was die dichte Atmosphäre und das Worldbuilding angeht, rangieren die Titel des japanischen Entwicklers ganz weit oben bei ihren Fans. So auch bei Niklas, Sänger der dänischen Band LIVLØS, der die Spiele als einen großen Einfluss auf das aktuelle Album „The Crescent King“ nennt.
Kannst du uns erklären, was es mit eurem dritten Album „The Crescent King“ auf sich hat?
Der „Crescent King“, der Halbmondkönig, ist die Hauptfigur der Geschichte. Im wörtlichen Sinne ist er sowohl der Retter als auch der Untergang der Menschheit, aber im übertragenen Sinne ist er ein Symbol für die Menschheit als Ganzes, sowohl für unsere Tugenden als auch für unsere Laster.
Diesmal habt ihr euch für eine fiktive Herangehensweise an die Themen des Albums entschieden – habt ihr das Gefühl, dass es auf diese Weise einfacher ist, euren Standpunkt zu vermitteln?
Anfangs dachten wir, dass dieser Ansatz einfacher wäre, da man so viel Freiheit hat, worüber man schreiben kann, und in gewisser Weise war das auch so. Aber diese Freiheit war schnell dahin, weil wir auch ein Konzeptalbum mit einer chronologischen Geschichte machen wollten. Viele Ideen mussten verworfen werden, weil sie weder in die Geschichte noch in das begrenzte Format der Songtexte gepasst hätten. Generell brauchte es viel mehr Planung, wie zum Beispiel die Erstellung einer Story-Skizze und die frühe Festlegung der Tracklist, was wir sonst nicht gewohnt sind. Auch wenn die Charaktere und die Welt, in der sie leben, fiktiv sind, sind die zugrunde liegenden Themen immer noch in der Realität verankert. Wie unsere vorherigen Alben dreht sich auch „The Crescent King“ wieder um Existenzialismus, die Menschheit und ihre Natur.
Fiktive Konzepte und mahnende Geschichten waren für die Menschheit schon immer ein Mittel, um bestimmte Ideen zu vermitteln. War es für dich eine Herausforderung, einen Schauplatz, Figuren und mehr zu schaffen, um ihre Geschichte zu erzählen?
Die größte Herausforderung bestand darin, eine relativ große Geschichte textlich in das begrenzte Format eines Albums zu bringen. In anderen Formaten, vor allem in Büchern, kann man bei fast allem wirklich ins Detail gehen. Wenn man diese Art von Geschichte durch Songtexte erzählt, muss man sich wirklich einschränken und vieles ungesagt lassen. Mit diesen Einschränkungen vom Anfang bis zum Ende der Geschichte zu kommen, war der schwierige Teil. Das Album ist eine Mischung aus Fantasy und Science-Fiction, also war es gar nicht so schlimm, das Setting und die Charaktere zu erschaffen, da es eine Menge großartiger Werke gibt, von denen man sich inspirieren lassen kann.
Hattet ihr irgendwelche Einflüsse wie Bücher, Autoren oder Filme, die euch geholfen haben, dieses Konzept und diese Welt zu schmieden?
Unser Gitarrist Franz hatte die Idee, ein Konzeptalbum über eine Weltraum-Odyssee zu machen. Ursprünglich sollte das Konzept eine Erweiterung des Tracks „The purest black“ von unserem vorherigen Album „And Then There Were None“ sein, wobei diese konzeptionelle Weltraum-Odyssee eine Metapher für verschiedene existenzielle Fragen und Ideen sein sollte, wie zum Beispiel, ob es ein Leben nach dem Tod gibt oder nicht. Bei einem so losen Konzept konnte ich jedoch nicht genügend interessante Ideen einbringen, damit das funktioniert. Ich hatte diesen Titel im Kopf, „The Crescent King“, ohne Kontext, also begann ich stattdessen, ein neues Konzept mit einer Geschichte zu entwickeln, die nur auf diesem Titel basiert, während ich einige der Ideen des Originals beibehielt. Was den Aufbau der Welt angeht, habe ich mich stark von anderen fiktiven Universen inspirieren lassen. Ich bin ein begeisterter Fan der Welten und Überlieferungen in den Spielen von FromSoftware, sei es die düstere Fantasy von „Dark Souls“, der kosmische Gothic-Horror von „Bloodborne“, die dystopische Zukunft von „Armored Core“ und natürlich die erstaunliche Welt von „Elden Ring“. Natürlich habe ich mich auch von anderen Orten anregen lassen, aber diese Spiele sind definitiv die größten externen Inspirationen, die in unserer Geschichte zu finden sind.
Diese Art des Geschichtenerzählens bedeutet auch, dass die Idee dahinter vielleicht nicht jeden erreicht oder falsch interpretiert wird – ist das etwas, das euch Sorgen macht?
Das beunruhigt uns überhaupt nicht. Man kann das Album genauso genießen, ohne jemals die Texte zu lesen. Für uns steht die Musik an erster Stelle. Wir haben sogar einige Aspekte der Geschichte verändert und verworfen, um das Hörerlebnis so gut wie möglich zu gestalten. Wenn die Fans in die Erzählung eintauchen wollen, ist das nur ein Bonus, den sie hoffentlich auch genießen werden. Wir möchten auch, dass unsere Fans die Texte selbst interpretieren und die Bedeutung finden, die für sie am meisten Sinn ergibt. Wir finden das interessanter und hoffen, dass sie das auch tun.
Hast du das Gefühl, dass das ganze textliche Konzept auch einen Einfluss auf die Musik und das Songwriting hatte?
Ja, es hatte den Einfluss, dass wir höchstwahrscheinlich nie wieder ein solches Konzeptalbum machen wollen. Der Prozess war definitiv interessant, aber auch sehr schwierig und auch mal frustrierend und das fordert seinen Tribut. Beim nächsten Mal wollen wir, dass der Prozess mehr Spaß macht. Vielleicht machen wir ja irgendwann noch einmal ein Konzeptalbum, aber es wird wahrscheinlich lockerer sein, ohne chronologische Vorgaben.
Wird „The Crescent King“ ein wiederkehrender Charakter in der kommenden LIVLØS-Musik sein?
Nein, das wird er nicht. Seine Endlose Majestät hat ihr Ende erreicht, haha!
© by Fuze - Ausgabe #108 Oktober/November 2024 und Dennis Müller
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