LIME CRUSH

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100% Wanker-Free Punk-Rock!

„100% Wanker-Free Punk-Rock“, so beschreibt die Wiener Burlesque-Künstlerin Denice Bourbon die Ende 2013 gegründete Band LIME CRUSH. Nicht ganz fünf Jahre später veröffentlichte das Quartett nach einer eigenen Single und einer Split-Single mit ALTE SAU sein erstes Album, „Sub Divide“. Andi Dvorák – betreibt seit 2005 das Art & Record Label Fettkakao – und Veronika Eberhart im Gespräch über das Album, die Gegenwart und Zukunft von LIME CRUSH.

Dabei war zum Erscheinen des Albums mit seinen zwölf Stücken voller erfrischender D.I.Y./Queer-Punk/Pop-Energie und Gästen wie Calvin Johnson (K Records) oder Adrienne C.N. Berry (Saxophon, hat unter anderem mit/für TED LEO & THE PHARMACISTS gespielt, oder mit den DOWNTOWN BOYS) im Sommer letzten Jahres nicht ganz klar, ob die Band weiter arbeiten wird, oder ob „Sub Divide“ ein postumes Album bleibt. Doch Veronika (Drums, Vocals) und Andi (Bass, Drums, Vocals) machen weiter. Zwar ohne Nicoletta Hernández (auf „Sub Divide“ an Vocals, Bass und Gitarre zu hören), Philipp Lampert (Gitarre, Vocals, außerdem bei BAD WEED) hingegen, seit 2016 in der Band, bleibt LIME CRUSH erhalten. Das furiose Konzert im Wiener Fluc zum 13. Geburtstag von Fettkakao spielte die Band als Quartett mit (Magda) Lena (Gasser) von den befreundeten JUST FRIENDS AND LOVERS, an Gitarre und Bass.

Veronika:
Andi und ich haben ja damals schon länger zusammengearbeitet, weil ich auf seinem Label veröffentlicht hatte, etwa mit der Band PLAIDED. Ich hatte zu dem Zeitpunkt keine Band und Andi wollte eine Band gründen.

Andi: Genau! Ich hatte schon andere Mitspielerinnen eingeladen und Veronika ganz zum Schluss. Im April 2014 haben wir dann unser erstes Konzert gespielt, in der Akademie der Bildenden Künste, mit Calvin Johnson als Gast.

Sowohl live, als auch auf dem Album fällt auf, wie deutlich vernehmbar und überhaupt nicht zerfahren LIME CRUSH trotz der Positionswechsel als Band (und „Sub Divide“ als Album) daher kommen. Dass die dichten Live-Sets der Wiener Band „nur“ eine knappe halbe Stunde dauern, tut der Sache keinen Abbruch, im Gegenteil. So wie die Platte nach wiederholtem Umdrehen schreit, wünscht mensch sich im Konzert tatsächlich Zugabe(n). Nicht unbedingt alltäglich in musiksatten Zeiten inflationären Band- und Konzertaufkommens.

Veronika:
Das war nicht so durchüberlegt am Anfang, es war einfach so, weil alle alles gespielt haben.

Andi: Wenn man von normalen Bandkonstrukten ausgeht – ich wollte das nie personell so genau abgeklärt wissen. Das hatte und hat schon auch mit dem Zugang zum Musikmachen überhaupt zu tun. Für mich schon sehr wichtig – auf welchem Instrument lebt man sich aus, und wie geht das im Gefüge der jeweiligen Bandmitglieder, machen wir das, probieren wir das ... aber dann wurde schon auch klar, es hat sich einfach eingestellt, dass etwa ich viel am Schlagzeug sitze.

Veronika: Ich wollte von Anfang an Schlagzeug spielen und singen, nicht mehr Gitarre oder Bass, das habe ich ausgeschlossen, wegen meinem Rücken. Und für mich war das Gefühl – wer was zu sagen hat, der sollte singen. Es gab schon früh eine Diskussion, wo jemand nichts zu sagen gehabt hat und singen wollte, da war ich dagegen.

Wie LIME CRUSH als Band agieren und ihre kompakten Songs umsetzen, erzeugt für die einzelnen Songs gesteigerte Aufmerksamkeit, ohne dass das Ganze dabei aus dem Blick gerät. Sei es am Album mit seinen zehn Originalen und zwei Coverversionen (von LOVE und den Texanern PORK) oder im Konzert. Fast denkt mensch schon, nur Singles zu hören, der Popappeal von Songs wie „Baby“ oder „Break the spell“ (die Chöre!) wirkt ebenso direkt wie der schräge Charme von Liedern wie „Honk tonk“ (das Sax!) oder „Academic“. LIME CRUSH sind dabei eine dringende und dringliche Band, ohne dass sie dazu je hyperaufgeregte Posen bemühen müssten.

Veronika:
Es gibt einen Song von einem meiner Lieblingsmusiker, von BARR, „The song is the single (And the single sucks)“.

Andi: Ich denke sehr in Singles.

Veronika: Andi sagt immer – no filler, only killer, was immer das auch bedeutet.

Andi: Leute meinen, Alben rausbringen zu müssen, das war oder ist auch so eine Musikindustrie Logik ... ein Album ist das Ding, für mich ist es der Song. Wenn man mehr Songs hat, nur die Songs nehmen, die wirklich knallen. Warum sich mit etwas aufhalten, wofür man nicht so viel Euphorie aufbringt, oder was nichts darstellt? Das ist auch eine Konzentrationsfrage für mich.

Bei aller Verspieltheit und Offenheit von LIME CRUSH und ihrer Musik wirkt „Sub Divide“, aufgenommen im Studio des Wiener Musikers (TANKRIS) und Künstlers Chris Janka mit diesem an den Reglern bei Aufnahme und Mastering, tatsächlich sehr konzentriert. Ohne die Leichtigkeit und den Überschwang eines Debüts vermissen zu lassen.

Andi:
In den letzten Jahren hat das angezogen bei uns, das ist gereifter, stärker, wir arbeiten halt dran. Am Anfang war vieles sehr „loose“, was ich auch sehr gut finde vom Zugang her.

Veronika: Gleichzeitig waren die Leben der Menschen in der Band sehr durchwachsen, das sind ja keine durchgehenden vier Jahre, die wir daran gearbeitet haben an der Band. Es gab längere Pausen.

Andi: Die Pausen waren schon da. Aber wir waren auch auf Tour, und dann machen wir was – dieses „Komprimieren“ hat schon viel bewirkt. Wir wollten im Studio auf jeden Fall die Live-Situation mitnehmen, dass, was wir aus dem Livespielen rausziehen, die Energie.

Veronika: Wir haben auf Band aufgenommen, das heißt, wir haben am Stück aufgenommen, nicht geschnitten. Wenn die Version gut ist, wird sie genommen, wenn sie nicht gut ist, noch einmal von vorne. Wenn du am Ende den letzten Ton versaust ... noch mal! Für mich ist LIME CRUSH die Performance, das Livespielen – ich fand das eh schwierig, wie wir das auf Platte kriegen.

Während der Aufnahmen war wie schon gesagt ungewiss, wie und ob die Band weitermachen würde. Was womöglich zur großen Unmittelbarkeit des Albums beigetragen hat, von Opener „Baby“ bis zum herzzerfetzenden Abschluss mit „I don’t wanna die alone“ (mit Co-Vocals von Calvin Johnson).

Veronika:
Für mich wäre es okay, wenn es weggewesen wäre, aber das Liveperformen mit LIME CRUSH, da will ich nicht, dass das weg ist.

Andi: Genau darum geht’s. Wir sind die zwei, die LIME CRUSH auf jeden Fall weitertreiben. Gleichzeitig geht’s schon um die Charaktere in der Band. Aber auch darum, wer die Arbeit reinsteckt.

Veronika: Das ist auch etwas Wichtiges für mich bei LIME CRUSH, über die Band Leute kennenzulernen. Wir haben Jens Rachut kennengelernt, mit ihm eine 7“ aufgenommen, wir haben mit Ian Svenonius getourt, wir haben mit Calvin aufgenommen und wir haben auch sonst wahnsinnig viele tolle Menschen kennengelernt. Ich bin ja früher viel mehr auf Konzerte gegangen, vor allem schon auch zu „female fronted bands“. Aber egal, wenn da eine Energie rübergekommen ist, wenn da jemand was zu sagen gehabt hat, oder was zu schreien gehabt hat, was mir auch am Herzen liegt, dann war das für mich als Publikum sehr befreiend. Das sagen mir die Leute oft – „Danke, dass du das für uns schreist.“ Wenn ich das erreiche, dass jemand ein Gefühl hat damit ... das will ich eigentlich, in der ganzen Scheiße, in der wir sind. Mein persönliches Leben mag sich beruhigt haben, aber wenn dann bei Einrichtungen zu Gewaltprävention gegen Frauen als Erstes gespart wird, dann möchte ich wieder schreien, „Never“, wie einer der Songs des Albums heißt.

Auch der Song „Pizza bleibt“ versteht es, Politik in Musik zu transportieren, setzt der Absurdität der Räumung der Pizzeria Anarchia in Wien im Sommer 2014 ein klingendes Denk- und Mahnmal. Zwischen 1.400 und 1.700 Polizisten gingen gegen die personell weit überschaubarer aufgestellten Besetzer_innen vor. „One policeman, one slice of pizza, two policemen, one ... “ Was noch ganz ohne superrechte Innenministerin möglich war, wirkt heute wie eine Vorschau auf den herrschenden innenpolitischen Wahnsinn im Land im A. Das LIME CRUSH mit ihrer tollen Musik nicht nur deswegen gerne temporär verlassen.

Andi:
Im Mai spielen wir eine Kurztour mit ESCAPE-ISM, unter anderem in Zagreb, Ljubljana und Bratislava, im Juli spielen wir mit LA SABOTAGE in Ungarn, Debrecen, Eger und Budapest, und im August setzten wir uns in den Flieger nach Russland.