Nachdem mir Cedrick von AT THE DRIVE-IN diese Band mit Nachdruck ans Herz legte, hellte sich meine Miene auf, als ich im Vorschauprogramm des AZ Conni las, dass es die Weirdos von LES SAVY FAV aus New York zu einem ihrer wenigen Gigs auf ihrer ersten Europatour auch nach Dresden verschlagen würde. Abgesehen davon, dass Tim Harrington, seines Zeichens Sänger und im Folgenden Interviewpartner, unter einer schweren Erkältung litt, die mich Tage später auch heimsuchen sollte, war der komplette Abend eine Offenbarung. Eine Offenbarung in Sachen extremer Hingabe, eine Demontage vieler Bands, die sich selbst das Prädikat "Liveerlebnis" verpassen. Die Grenze zwischen Musikern und Publikum verschwamm, die coolsten Typen standen da wie schüchterne Schulkinder, Hardcorekids, die sonst nie Probleme haben, Parolen mitzubrüllen, bekamen nicht mal mehr ein "Yeah Yeah!" raus. Kein Ausweg, alle mussten die komplette Show über sich ergehen lassen, ob sie wollten oder nicht, eine unsichtbare Fessel bannte sie, und denen, die sich der Show nicht gewachsen fühlten, versperrte Tim höchstpersönlich mittels Türzuhalten den Weg. Ich wäre wohl freiwillig nie auf die Idee gekommen zu gehen, vor allem nicht ohne Interview.
Nenn´ doch mal bitte die wichtigsten Eckdaten, die man über euch wissen sollte. Du weißt schon: Wer? Wann? Wo? Warum?
"In der Band sind neben mir selbst, Tim Harrington, noch Seth Jabour, er spielt Gitarre, Syd Butler spielt Bass und Harrison Haynes ist unser Drummer. So sieht die Band seit letztem Winter aus. Davor hatten wir mit Gibb Slife einen zweiten Gitarristen. Wir gingen alle zusammen zur Schule. Wir lernten uns also vor vier, vielleicht fünf, Jahren auf dem College kennen, einer, sagen wir mal, Kunstschule. Wir haben dann des Spasses wegen angefangen Musik zu machen, es gab da keine Intention dahinter. Das haben wir dann auch eine ganze Zeit so gehalten. Als wir unsere erste Platte veröffentlichten, spielten wir schon fast drei Jahre zusammen. Wir brachten also unsere erste Platte mit dem Titel "3/5" raus, ein Jahr später kam dann "The cat and the cobra", die in Europa erst seit kurzem zu haben ist, in den Staaten schon seit letztem Herbst. Da ist sie auch auf unserem eigenem Label erschienen, das wir zusammen mit einer anderen Band namens LIFTER PULLER gegründet haben. Die sind aus Minneapolis und klingen so, als würde Bruce Springsteen rappen und David Bowie hilft beim Texte schreiben. Falls sie mal hier rüber kommen sollten, schau sie dir unbedingt an."
Habt ihr denn ein "Konzept"?
" Die Idee hinter der Band ist es, kein besonders schwerwiegendes Konzept zu haben. Wir versuchen immer unserer Nase zu folgen, immer da lang zu gehen, wo wir auch gehen wollen, noch bevor wir uns ein Ziel schaffen, einen bestimmten Sound, eine bestimmte Politik oder sowas. So kann man eigentlich sagen, je länger wir dabei sind, um so mehr bekommen wir eine Idee davon, worum es bei uns eigentlich geht. Wir schauen irgendwie immer eher zurück als dass wir voraus planen. Naja oder vielleicht lassen wir ja auch andere Leute zurückschauen, wer weiss!?"
Ich nenne dir jetzt mal drei-vier Bands. Könntest du mir mal sagen, was dir zu denen einfällt? Also: VAN PELT, THE LAPSE, AT THE DRIVE-IN und THE MAPE-UP.
"Bei VAN PELT und THE LAPSE war Chris Leo, mit dem ich zur Highschool gegangen bin. Daher kenne ich die ganz gut. Außerdem ging ich zusammen mit Danny Leo, dem jüngeren Bruder von Chris, auf die Kunstschule, ja eigentlich gar auf´s Collage und die Highschool. Deren ganze Famile macht Musik in den Staaten. Harrison, unser Drummer, spielte auf der neuen LAPSE-Platte einige Stücke mit ein, Gibb, unser ehemaliger Gitarrist, tourte als Drummer mit LAPSE im Frühjahr, da gibt´s schon eine Menge Verbindungen.
AT THE DRIVE-IN sind alte Freunde von uns. Auf unserer ersten Tour suchten uns THE MAKE-UP als ihre kleinen Helfer aus, um uns zu helfen, da wir befreundet sind. Wir hatten nichtmal ein Tape oder sowas, nichts eigentlich. In El Paso spielten wir mit AT THE DRIVE-IN zusammen, sie fingen damals gerade an. Sie fingen also gerade an, genauso wie wir es taten, und THE MAKE-UP waren noch nicht so groß wie sie es heute vielleicht sind, wenn man das so sagen kann. Also geschah, was dann immer so geschieht, man plante gemeinsame Touren und Split-Releases, naja aus den meisten Plänen ist bislang nichts geworden. Naja, und THE MAKE-UP sind gute alte Freunde von uns, wie ich schon sagte. Sie halfen uns, als wir damals anfingen.
Na und die Gemeinsamkeit zwischen all diesen Bands und uns ist einfach, dass es, wie ich immer zu sagen pflege, statische Bands sind. Sie beinhalten nicht nur die Musik, sie sind für sich wie ein eigenen Universum. Eine jede dieser Bands, hoffentlich auch wir und all die Bands, die wir sonst so mögen, kann man eigentlich nicht unbedingt einer Gruppe von Bands zuordnen. Sie sind nicht Teil einer Bewegung, sondern versuchen ihre eigene Sprache zu sprechen und haben ihre eigenen Gewohnheiten. Wir betrachten alles, sei es die künstlerische Gestaltung unserer Platten, sei es die Musik, unsere Liveshows oder auch nur die Ausgestaltung unseres Proberaumes, als ein Teil von LES SAVY FAV. Es ist uns wichtig das alles aus einem, unserem, Blickfeld hervorkommt."
Gab es schonmal ein Konzert, auf dem du die ganze Zeit ruhig geblieben bist, oder ist deine Show immer so wild?
"Ich muß eigentlich immer irgendwas machen, ich kann nicht nur still dastehen. Heute war ich eher noch etwas zurückhaltend, weil ich mich nicht gut fühle. Es hängt eigentlich alles auch vom Publikum ab, manche mögen es, aber meistens wissen sie nicht wie ihnen geschieht. Ich mag es, wenn sich die Leute fragen, was jetzt eigentlich abgeht, was der Typ wohl als nächstes anstellt. Ein wichtiger Teil der Musik ist doch, live zu sein und es zu zeigen. Ich will keine Karikatur sein, wie eine dieser Bands, die so extrem auftreten, diese Hardcore-Emo-Bands, so böse und emo. Naja und die wählen ein prägnantes Auftreten und machen das dann groß auf. Auf unseren Shows bieten wir da eher Vielseitigkeit, vergleichbar mit einem abwechselungsreichen Büfett."
Was würdest du dich denn selbst gern fragen?
"Ich würde mich fragen: Bist du erkältet? Und antworten würde ich: Ja, ich bin verdammt erkältet. Nein, ich würde vielleicht fragen: Was ist der Unterschied zwischen der neuen E.P. und den anderen Platten?"
Und was würdest du antworten?
"Nun, sie ist total gelb und es steht "Rome" vorn drauf. Nein, also mal im Ernst, es ist unsere erste Platte mit vier Leuten und nicht, wie alle anderen, mit fünf. "The cat and the cobra" haben wir vor einem Jahr mit Gibb an der Gitarre aufgenommen. Den Sommer über haben wir dann eine kleine Pause gemacht und beschlossen im Herbst für acht Wochen auf US-Tour zu gehen, aber Gibb konnte nicht mitkommen. Er wollte zu Hause bleiben um zu arbeiten und zu malen. Wir wollten aber endlich mal mehr live spielen, da wir eigentlich bis dahin keine Band waren, die viel tourte, meistens eigentlich nur einmal kurz jeden Sommer. Gibb konnte das aber nicht so einfach, und so fanden wir in der Eile John Shmersal von BRAINIAC. Im Moment ist er bei ENON. Kennst du BRAINIAC?"
...Nein...
"Hey! BRAINIAC ! Kauf dir eine BRAINIAC Platte! Sie sind eine unserer Haupteinflüsse."
...mmh, aber bisher kannte ich euch auch kaum!
"Dann werden wir jetzt für dich ein Haupteinfluss sein, hoffe ich zumindest. Wir waren also mit diesem Typen von dieser großartigen Band auf Tour, und zu dieser Zeit, im Herbst, war das ´ne Notlösung. Als wir im Dezember zurückkamen, mussten wir ins Studio, um in vier Wochen die Platte einzuspielen. Normalerweise schrieben wir unsere Songs und testeten sie live bis zu einem Jahr, bevor wir sie dann auch aufnahmen. Wir mussten nur noch ins Studio gehen, aufnehmen, aufnehmen, aufnehmen und fertig. Diesmal schrieben wir die Songs, spielten sie nie vor Publikum und nahmen sie einfach auf , bearbeiteten sie nur noch im Studio nach unserem Geschmack. Es ging alles schneller als je zuvor, und die Songs sind auch anders, irgendwie dynamischer, vielleicht auch gerade deshalb. Es ist also eine dynamischere Aufnahme als all die anderen Platten."
Ihr veröffentlicht jetzt auf Southern Records aus London, die derzeit ´ne Menge Bands signen.
"Southern Records ist nett, Allison arbeitet da, sie ist auch nett. Na, und dass viele Bands zu Southern gehen, kann man in den Staaten nicht sagen. Southern UK ist da wohl eher agressiv im Bezug darauf, sich neue Bands zu angeln. Ich weiss nur, dass THE LAPSE zu Southern U.K. gegangen sind und sich da wohl fühlen. Na und in den Staaten haben wir ja unsere Platte selbst rausgebracht, sie boten uns nur an, sie auch in Europa zu veröffentlichen. Und wir sagten zu, und im selben Zuge einigten wir uns darauf auch noch diese EP zu machen, für sie ist´s eine Art Promo-EP. Ausserdem halfen sie uns sehr dabei diese Tour zu buchen. Wir wollten schon immer mal nach Europa kommen und konnten es uns bisher nie leisten."
Gibt es Unterschiede zwischen dem europäischen und dem amerikanischen Publikum?
"Was die Show und das Publikum angeht, sind die Unterschiede nicht zu groß. Es macht Spass, das erste Mal hier rüber zu kommen, da uns die meisten Leute noch nicht gesehen haben, so dass es ein wenig so ist wie auf unserer ersten US-Tour. Auf dieser ersten US-Tour war es noch lustig, ins Publikum zu gehen, egal ob zahlreich oder nicht. Sie wussten nicht was passieren würde und ich überraschte sie. Aber inzwischen kennt man das da, wir sind eben schon ´ne ganze Zeit dabei. Hier macht es noch Spass, meistens spielen wir vor ´nem gutem Publikum, wo viele Leute nicht wissen, was sie erwarten sollen. Naja, vielleicht nehmen die Leute hier ...mmh, nein, ich denke das ist in den Staaten auch so. Jedermann auf dieser Welt nimmt Musik zu ernst. Aber das ist auch lustig, da jeden Abend, an dem wir spielen, irgendwelche Leute da sind, die den Spass an der Sache etwas verloren haben und sich so cool und relaxt benehmen. Die denken dann, es ist wie beim Emocore und dem ganzen Mosh-Zeug, verstehen nicht worum´s geht und benehmen sich als hätten sie den Längsten. Und dann gibt es da die, die alles zu ernst nehmen, die so tun, als wären sie in einer Bibliothek um Nachforschungen anzustellen. Man muß eigentlich einfach nur die richtige Balance finden, dass es irgendwo zu einer Party wird. In der Punk- oder Indie-Szene zu sein ist was Privates und eigentlich sollten alle Freunde sein, und man sollte Einiges, vor allem Spaß, gemeinsam haben und nicht rumstehen wie die Leute in der U-Bahn."
Magst du Videokameras auf euren Shows?
"Das ist mir eigentlich egal, die interessieren mich nicht."
Ja, aber du hast heute jemanden die Kamera weggenommen...
"Ich nehme oft Kameras weg und mache ein paar Bilder, nur um die Kontrolle über mein Medium zu haben. Wenn uns jemand unbedingt auf Video haben muss, ist es doch das Beste für ihn, wenn wir entscheiden was darauf ist. Assßerdem war der Typ doch ziemlich seltsam, denkst du nicht auch!? Ich habe nur einen Spass gemacht und ihn gefragt, was seine Lieblingsband ist. Er hätte konnt irgendwas sagen, aber er sagte: "Nicht ihr!" Da hab ich ihm gesagt: "Das ist okay! Du bist auch nicht unser Lieblingsfan!" Irgendwie wollte ich ihn nicht filmen lassen, da er uns eigentlich gar nicht mag. Das ist doch ´ne ziemlich negative Einstellung und ich mag eher positives Denken. Ich sehe lieber ein halbvolles als ein halbleeres Glas..."
Okay, vielen Dank für´s Interview und für die tolle Show!
"Klar, bis zum nächsten mal."
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