Nachdem ich LEFT ALONE bei ihrer neuen Platte „Left Alone“ (Ox #83), vorgeworfen hatte, sie hätten zugunsten von Stimmigkeit an Emotion und Power gespart, freute ich mich sehr, dass ich die Gelegenheit haben würde zu sehen, wie es sich denn bei den Jungs live so verhält. Vor dem Auftritt in Düsseldorf hätte eigentlich schon das Interview mit dem Kopf der Band, Elvis Cortez, stattfinden sollen, doch es kam alles anders. Und danach konnte ich mir meine Fragen zum Thema Power eh in die Haare schmieren, denn an Energie hat’s den Jungs bei ihrem Auftritt nicht gefehlt. Umso ausführlicher konnte ich mit Elvis aber dann im Anschluss sprechen.
Elvis, ich habe im Vorfeld versucht, ein bisschen deine Biografie zu recherchieren, aber alles, was man findet, ist entweder aktuell oder es fängt irgendwie mit dir als Roadie bei der Vans Warped Tour an.
Ja, genau, es ist als würde man vorspulen. Aber was zur Hölle passierte in der Zeit dazwischen? Okay, hier kommt’s: Ich verkaufte meine „Star Wars“-Spielzeugsammlung, um unsere erste CD rauszubringen. Ich besaß eine „Street Fighter“-Videospielmaschine, eins von diesen großen Teilen, die hab ich auch verkauft, um noch eine CD rauszubringen. 2000 kam dann eine Split-CD mit einer Band namens SNAP-HER, die viel hier in Europa tourte, und wir haben mehr und mehr Shows gespielt. Und so ging das weiter. Es war eigentlich immer ein kontinuierliches Spielen von Shows und Veröffentlichen von CDs oder 7“s, aber davon redet eigentlich niemand. Die Leute wollen die großen Namen hören, wie die Vans Warped Tour oder Hellcat Records, was auch irgendwie cool ist, aber es ist halt nur ein Teil des Ganzen. Einen Großteil der Zeit hab ich damit verbracht, in einem Lagerhaus zu arbeiten ...
So eine echte Nine-to-five-Geschichte?
Ein echter Nine-to-five-Job! Ich erinnere mich noch, wie ich in der ersten Woche ’99 angefangen hab und immer Sweatshirts trug, um meine Tätowierungen zu verdecken. Hast du eine Vorstellung davon, wie warm es in einem Lagerhaus in L.A. werden kann? Ich hab mich fast zu Tode geschwitzt. Es war echt scheiße, aber die Arbeit ermöglichte es mir, die Band zu finanzieren. Ich war eh immer der Einzige, der Geld in die Band gesteckt hat. Also habe ich gearbeitet, meine Miete gezahlt, Futter für meinen Hund gekauft und den Rest der Kohle für die Band locker gemacht: Neue T-Shirts, neuer Van, was auch immer. Ich fing damals mit dem Job an und dachte: Okay, ich arbeite hier einfach ein bisschen und bezahle meine Miete. Und als ich mich dann irgendwann umgeguckt habe, waren fünf Jahre um, und ich dachte mir nur: Verdammte Scheiße! Das war der Zeitpunkt, an dem ich dann aufgehört hab. Ich hab dreizehn Gründe dafür aufgeschrieben, habe sie an alle in der Firma gemailt und wurde vom Wachschutz nach draußen eskortiert, haha, und das war’s dann. Nicht so wirklich interessant, darum redet wahrscheinlich auch keiner drüber.
Ich muss ehrlich sagen, dass mich aber gerade das interessiert. Die Geschichte ist doch bestimmt nicht unwesentlich dafür, wer du und LEFT ALONE sind.
Ja, schon, für mich sind das die Jahre, die mich geformt haben, besonders, was mich als Geschäftsmann, Musiker und Künstler betrifft. Eben, weil ich so hart gearbeitet habe. Damals spielten wir am Wochenende eine Show in Mexiko, was so ungefähr vier beschissene Stunden mit dem Auto weg ist, und sind dann direkt wieder zurück gefahren. Oder wir spielten in Tijuana und in Mexicali, am Samstag und Sonntag, dann sind wir die ganze Nacht zurückgefahren und um sechs Uhr morgens musste ich wieder zur Arbeit. Da war ich dann einfach nur noch fertig. Am nächsten Wochenende dann das Gleiche. Ich hatte auch einen Plattenladen, meinen Job, eine Freundin, zwei Hunde, meine Merchandise-Firma, ich war Booking-Agent ... Ich hatte sieben oder acht Sachen zur selben Zeit laufen. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, denke ich manchmal: Was zur Hölle hat mit mir nicht gestimmt? Aber ich wusste, wenn ich etwas will, dann muss ich es selber machen, und so ist es immer gewesen und so hat es sich dann auch mit der Band verhalten.
Okay, kommen wir zum aktuellen Album. Gibt es einen Grund, warum es keinen Titel hat?
Mir fiel einfach keiner ein, haha. Nein, eigentlich hätte das Album „Love Sick“ heißen sollen, ich hab’s mir sogar schon tätowieren lassen, oberhalb des linken Schlüsselbeins. Aber dann hab ich meine Meinung geändert, weil es eigentlich auch gar nicht mehr darum ging. Ich schrieb einfach Songs und dabei entstand etwas ganz anderes, und als wir dann aufgenommen haben, ist es wieder etwas anderes geworden. Und danach hab ich mir gedacht: Ohne Titel passt es am besten, auch wegen der neuen Bandmitglieder. Es wäre komisch, wenn wir die Platte, ich weiß nicht, „Blue Wall And Red Lights“ genannt hätten. So macht es mehr Sinn.
Wie zufrieden bist du mit den Songs auf der neuen Platte? Alles super, besser geht’s nicht?
Nein, das zu sagen wäre irgendwie doof. Bei manchen Songs frage ich mich: Wieso hab ich die auf die Platte gepackt? Und bei anderen Songs, die es nicht auf die Platte geschafft haben, denke ich: Wieso hab ich die nicht auf die Platte gepackt? Aber insgesamt würde ich sagen, bin ich mit allem ganz glücklich. Es ist wahrscheinlich unsere stärkste Platte bis jetzt. Von Anfang bis Ende. Es ist eine sehr, sehr zusammenhängende Platte und sie klingt sehr stimmig. „Dead American Radio“ hatte viele verschiedener Einflüsse, und als ich sie dann zusammengepackt hatte, dachte ich: Mist, da ist so viel unterschiedlicher Kram drauf! Bei der Platte jetzt wusste ich, was ich wollte. Wir sind ins Studio, haben uns einen Plan gemacht und losgelegt.
Zwischen „Dead American Radio“ und „Left Alone“ liegen ca. drei Jahre. Ihr seid viel getourt. Aber kaum hast du eine Auszeit, gehst du mit THE UNSEEN auf Tour. Wie kam es dazu?
Früher war auf Tour gehen einfach: Wow! Nach und nach wurde es dann mehr ein Teil von meinem Leben und wenn ich jetzt nach Hause komme, dann denke ich: Wow! Ich glaubte echt, ich könnte eine Auszeit nehmen, aber dann rief Mark an und sagte: „Hey, ich weiß, dass du nicht Bass spielst, aber du spielst Gitarre und da habe ich gedacht, möglicherweise auch Bass, willst du mit THE UNSEEN auf Tour kommen?“ Zuerst hab ich abgelehnt: „Ich kann nicht, ich muss eine neue Platte aufnehmen.“ Aber dann machte es für mich doch irgendwie Sinn. Ich brauchte eine Pause von der Band und dachte: Ich mache das jetzt einfach mal für ein paar Monate, habe Spaß, mache mal was komplett anderes und spiele Bass. Und es hat echt Spaß gemacht. Dann kam ich wieder, wir haben ein paar Shows auf Hawaii gespielt, kamen von da zurück und haben mit der Arbeit am neuen Album begonnen.
Elvis, gibt es etwas, was du schon immer mal in einem Interview loswerden wolltest, aber wozu du noch nie die Gelegenheit hattest?
Also gut ... ich will unbedingt mit diesem einen Mädel touren, dieser Schauspielerin ... Scarlett Johansson! Scarlett Johansson, wenn du mich hören kannst, ich will mit dir touren. Ich denke, wir könnten hübsche Babys machen, haha. Ganz ehrlich, ich bin einfach nur glücklich, dass die Dinge so sind, wie sie sind, und jeden Tag trickse ich das Leben aus! Nicht viele Menschen können das sagen. Ich lebe nach meinen eigenen Regeln und ich bin glücklich, dass ich Musik machen kann und einen Job habe, in dem dir Leute Drinks kaufen und es okay ist, auf der Arbeit zu trinken. Darüber bin ich glücklich. Wenn es heute zu Ende ginge oder 2012, ich würde glücklich sterben!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #69 Dezember 2006/Januar 2007 und Lauri Wessel
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