"Sie sind nachtaktive Jäger. Bis zum nächsten Tag ist dann von der Beute nicht mehr viel zu sehen, da auch die Knochen mit verspeist werden." So lautet die Auskunft von natur-lexikon.de für den, der als Suchbegriff "Hyäne" eintippt. "Die Tüpfelhyäne ist die größte der 3 Hyänenarten und wiegt bis zu 70 kg bei 1,5 m Körperlänge (...) Wenn sie aufgeregt ist, gibt sie sonderbare Schnattergeräusche von sich, daher wird sie auch als 'lachende Hyäne' bezeichnet."
Was John Brannon als Frontmann der LAUGHING HYENAS von sich gab, bezeichnet der All Music Guide als "tortous, throat-shredding vocals". In einer Besprechung des dritten Albums der Band, "Life Of Crime", aufgenommen 1990 unter der Ägide des späteren NIRVANA-Produzenten Butch Vig und bis heute das definitive Vermächtnis der Hyenas für eine unwissende Nachwelt, vermeldete Martin Büsser, heute Poptheoretiker von akademischen Graden, damals Rezensent des Hardcore-Fanzines ZAP: "Ich mag diesen Gesang, diese Grenze kurz vorm Erbrechen ... diese Platte vermittelt Dreck, den Dreck von irgendwelchen verlassenen, staubigen Straßen, tätowierten Menschen und Kneipen, die nach Whiskey und Schweiß stinken."
In einem Interview mit dem kanadischen Fanzine Sold Out ließ Gitarristin Larissa Strickland wissen: "Es gibt ein bestimmtes Level von Berauschtheit, das man irgendwie erreichen muss, und das ist der eine Platz, an dem du vollkommen enthemmt und ohne Furcht bist ... Für mich ist das nur Musik. Ich liebe Musik so sehr. Sie ist so physisch für mich ... Musik ist die einzige physische Kunstform, die es gibt, und für mich ist dieses Gefühl unersetzlich. Ich fühle mich elektrifiziert, wenn ich spiele. Es ist, als würde jemand einen Blitzstrahl durch meinen Körper hindurch in meine Gitarre schießen und ich will einfach in Feedback explodieren."
Was das mit Musik zu tun hat? Mit der Musik der LAUGHING HYENAS? Sagen wir es mal so: Wenn Walt Whitman Mitte des neunzehnten Jahrhunderts in seinen epochemachenden "Grashalmen" noch verkündete: "Ich singe den Leib, den elektrischen", so ließen die LAUGHING HYENAS knapp anderthalb Jahrhunderte später eben diesen Leib in Rückkopplung und Geschrei explodieren.
Das Erstaunliche dabei ist, dass diese Explosion mit experimenteller "Dekonstruktion", wie amerikanische Zeitgenossen von SONIC YOUTH bis PUSSY GALORE sie betrieben, nicht mehr zu tun hatte als mit einer Traditionslinie, die sich zurückverfolgen ließ bis zu Howlin' Wolf, John Lee Hooker und Muddy Waters. "Alle in der Band lieben Blues", bekannte John Brannon im Interview mit Julian Weber. "Wir mögen den Stil, in dem der Blues vorgetragen wird. Wir lieben die Simplizität und Authentizität des Blues." Um wenige Momente später nachzuschieben, die einzige zeitgenössische Band, die ihm etwas bedeute, sei N.W.A. - jene "Niggers With Attitude" um den späteren Multimillionär und Eminem-Entdecker Dr. Dre, die den blindwütigen Hass von chancenlos aufgewachsenen Teenagern in dreckige, asoziale, gewalttätige, das weiße Amerika (und sogar das FBI) in Alarmbereitschaft versetzende Raps gossen zu einer Zeit, als das Bleichgesicht, das sich später Eminem nennen sollte, noch als Marshall Mathers in der einstigen Industriemetropole Detroit mit der trunksüchtigen Mutter im Trailerpark hauste und seine ganz eigenen Erfahrungen mit der Chancenlosigkeit und dem daraus resultierenden Hass machte. Wenn es damals, Mitte/Ende der 1980er Jahre, so etwas wie eine weiße Entsprechung zum entgleisten, schwarzen Gewalt-HipHop von N.W.A. gab, dann war es der dreckige, alkoholisierte Gewalt-Blues der ebenfalls in Detroit beheimateten LAUGHING HYENAS.
Natürlich musste eine Band mit schmutzigem Gitarrensound, entrücktem Gesang, außer Kontrolle geratenem Blutkreislauf und Herkunft Detroit jederzeit damit rechnen, auf die STOOGES und die MC 5 angesprochen zu werden, jene beiden Musikantenvereinigungen, die Ende der 1960er Jahre die Blaupause für "Motor City Rock'n'Roll" geliefert hatten, und natürlich wurden die LAUGHING HYENAS darauf angesprochen. Sie wurden auch auf BIRTHDAY PARTY angesprochen, jene anderen, bereits etwas früher inkarnierten Gewalt-Blues-Adepten um einen gewissen Nick Cave aus dem fernen Australien. Und die Hyenas blieben streng bei der Wahrheit. Sie gestanden die Einflüsse ein. Und hielten sich nicht weiter damit auf.
Von der ersten 6-Song-EP "Merry Go Round" aus dem Jahr 1987 bis zum letzten Album "Hard Times" von 1995 blieben die LAUGHING HYENAS einem früh formulierten Grundsatz treu: "Es gibt kein Limit für das, was wir tun. Was auch immer wir schreiben, schreiben wir zur jeweiligen Zeit, und wir schreiben, was wir wirklich mögen und was uns bewegt. Wir spielen zuerst für uns selbst ... Wenn andere Leute es mögen, dann ist das cool, und wenn nicht, dann ist das auch cool." Mit anderen Worten: Der Sound der LAUGHING HYENAS war immer das Ergebnis eines fragilen, unbalancierten Miteinanders von vier Individuen, die keinen Kompromiss miteinander zu schließen bereit waren, außer dem, dass man die individuellen Frustrationen und Sehnsüchte rückhaltlos in eine alle vier umschließende Zeit- und Raum-Blase aus Musik ballern würde. Ein freier Fall in Musik. Ein schwarzes Loch aus Klang.
Über drei Alben hinweg steigerte sich dieses die Außenwelt konsequent ignorierende Unterfangen zu einem dramatischen Höhepunkt auf "Life Of Crime". Keine Platte, die man auf die überstrapazierte einsame Insel würde mitnehmen wollen. Vielmehr eine Platte, die dazu taugt, in einem Alltag mit tropfenden Wasserhähnen, reißenden Schnürsenkeln, hupenden Autos und Rechnungen, die bezahlt sein wollen, als Rückgrat, als Herzmuskel und als rote Blutkörperchen zu fungieren. Eine Platte für die "staubigen Straßen", von denen Martin Büsser schrieb.
Nach diesem Höhepunkt implodierte die Zeit- und Raum-Blase namens LAUGHING HYENAS. "Es kam an einen Punkt, wo wir als Band nicht mehr touren konnten", sagte John Brannon später. "Es wurde einfach zu gewalttätig und schmutzig, es wurde krank, und früher oder später musste jemand von uns dabei draufgehen. Ernsthaft."
Gemeint sind: Substanzen, die eingesetzt wurden, um jenes "bestimmte Level von Berauschtheit" zu erreichen, das nötig war, um den freien Fall in Musik wieder und wieder vorzunehmen. Aggressionen untereinander, die ebenso rückhaltlos, und wenn es sein musste, auch auf offener Bühne, ausgelebt wurden wie die Musik. Und nicht zuletzt "musikalische Differenzen", wie sie in solchen Fällen gerne angeführt werden, und die bei den LAUGHING HYENAS stets hörbar gewesen waren - als unwahrscheinliche Kombination zweier verschiedener Ansätze, die in der goldenen Mitte als sprühendes Feuerwerk aufeinander trafen.
Die unbalancierte Vierer-Achse der Hyenas war in der ursprünglichen Besetzung geprägt vom Miteinander zweier perfekter Duos, aus deren Zusammenspiel sich jener einzigartige Sound ergab, dem man seine Traditionen und Bezüge zwar immer anhörte, der aber eine Welt für sich bildete, eine dunkle, schimmernde, schmutzige Welt, in die sich zu begeben Lust und Gefahr zugleich versprach und bis heute verspricht. John Brannon hatte in seiner vorherigen Band NEGATIVE APPROACH - zeitgleich mit BLACK FLAG in Los Angeles und MINOR THREAT in Washington D.C. - die Gussform für etwas geschaffen, was bis heute unter dem Begriff "Hardcore" von Jungspunden über den gesamten Globus hinweg sklavisch kopiert wird. Sein aggressives Shouting vertiefte sich in den LAUGHING HYENAS zu einem manischen Geheul aus dem Gedärm, das sich über die flächigen Gitarrensounds von Larissa Strickland breitete und rotglühend damit verschmolz. Strickland war zuvor in der nur lokal wahrgenommenen Band L-SEVEN (nicht die später zu Ruhm gelangten L7 aus Los Angeles) als Sängerin tätig gewesen und spielte bei Gründung der LAUGHING HYENAS erst seit einem halben Jahr Gitarre. Als totale Autodidaktin fand sie einen Zugang zu dem Instrument, den mit herkömmlichen Techniken und Schemata der Rockmusik, wie die zu Riffs gebündelten Akkordfolgen oder kreischende Soli, wenig bis gar nichts verband, und der statt dessen, ebenso wie Brannons Gesang, allein darauf abzielte, das rumorende Gedärm nach außen zu wenden.
Schlagzeuger Jim Kimball hingegen spielte sein Instrument bereits seit der Schulzeit und hatte seine vertrackten rhythmischen Muster in Jazzkapellen geschult. Zusammen mit Larissa Stricklands Bruder Kevin am Bass verstand er es, die ausufernden, immer kurz vor dem Überschwappen brodelnden Soundflächen von Stimme und Gitarre mit repetitiven, aber niemals simplen Grooves zu erden und voranzutreiben. Eine unwahrscheinliche Kombination, deren Verbindungslinie irgendwo im Dunklen verlaufen musste. In Songs wie "Wild heart", "Hitman" oder "Here we go again" ist dieses tönende Geheimnis für die Nachwelt festgehalten. Wenn die taumelnde Gitarre zwischendurch wegzugleiten scheint, nur um kurz darauf wieder den Pulsschlag des Songs zu finden, der von wie gestählte Muskeln schwingenden Bassseiten gehalten wird, dann explodieren Neonsterne am dunklen Himmel dieser in sich geschlossenen Musikwelt.
Nach "Life Of Crime" brach diese Welt auseinander. Das Duo Brannon/Strickland machte mit Todd A. Swalla am Schlagzeug und Kevin Reis beziehungsweise Ron Sakowski am Bass weiter, kleidete seine Vision von einer Musik ohne Netz und doppelten Boden in ein reduziertes, simpleres Gewand und ging dabei leider eines Großteils seiner nervösen Energie verlustig. Die neue Besetzung veröffentlichte noch eine EP sowie ein letztes Album, bevor sich die LAUGHING HYENAS 1996 auflösten. Jim Kimball und Kevin Strickland gründeten mit P.W. Long die Band MULE, die zwei großartige Alben vorlegte, bevor sich P.W. Long seiner Solokarriere widmete. Jim Kimball ersetzte später den Originaldrummer Mac McNeilly auf den letzten Veröffentlichungen der Chicagoer Noise-Legende JESUS LIZARD und spielte mit deren Gitarrist Duane Denison einige Platten mit dunklen Jazz-Instrumentals unter dem Namen DENISON KIMBALL TRIO, oder einfach DK3, ein.
Wer die heutige Musikszenerie nach Überlebenden der LAUGHING HYENAS absucht, der wird bei EASY ACTION fündig, einer dem Sound von Detroit verhafteten Band abseits aktueller Garagerock-Hipness. Am Mikrofon: John Brannon. Überhaupt nicht mehr unter Lebenden weilt indes Larissa Strickland. Sie verstarb 2006 an einer Überdosis, um welche Droge es sich konkret gehandelt hat, darüber gibt es unterschiedliche Berichte.
Sämtliche Platten der LAUGHING HYENAS sind bei Touch & Records erschienen.
Alexander Pfeiffer
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #74 Oktober/November 2007 und