Mit „Blaze“ haben LAGWAGON ihre fünfjährige Studiopause beendet und veröffentlichen endlich ein neues Album. Viele haben sich schon gefragt, ob es überhaupt noch dazu kommen wird. Und da sind die Kalifornier wieder mit einer Platte, die auf jeden Fall zu ihren besten gehört. Nach dem Ende ihrer großen US-Sommertour sprach ich mit Sänger und Mastermind Joey Cape über diese lange Pause, das neue Album und Politik.
Wie fühlt es sich nach fünfjähriger Abstinenz an, sich wieder mit einem neuen Album zurückzumelden?
Es ist ein großartiges Gefühl! Es hat wirklich lange gedauert mit diesem Album. Wir hatten nicht vor, dass es fast fünf Jahre werden, aber zum einen waren wir mit anderen Sachen beschäftigt, und zum anderen dauert es bei uns immer etwas länger, weil wir leicht perfektionistisch veranlagt sind und an einem Song manchmal eine Ewigkeit arbeiten. Insofern müssten es die besten Songs der Welt geworden sein, haha. Es gab kleinere Spannungen zwischen uns, aber das ist normal, wenn man so viel Zeit miteinander verbringt. Also war es auch gut, eine kleine Pause einzulegen, aber es stand nie zur Diskussion uns aufzulösen. Ich freue mich wieder richtig, etwas mit LAGWAGON machen zu können. Ich brauche einfach etwas, an dem ich arbeiten kann. Wir sind älter geworden, aber wir sind wieder da!
Im Sommer seid ihr auf großer US-Tour gewesen und habt erstmals das neue Material live vorgestellt. Hat diese Tour euren Erwartungen entsprochen?
Die Tour war sehr gut. Wir haben in den letzten Jahren ja Konzerte gespielt, es war nicht so, dass wir total abstinent waren und nun zum ersten Mal wieder auf der Bühne standen. Aber es ist einfach ein ganz anderes Gefühl, mit neuen Songs eine Show zu bestreiten. Wir sind stolz auf das neue Material und haben uns richtig gefreut, es endlich mal live spielen zu können. Auch so war die Tour richtig gut. Es ist erstaunlich, wie viele Kids da waren, wenn man bedenkt, wie lange es nichts Neues von uns gegeben hat. Viele Kids wissen nicht, wie sie es finanzieren können, zu Shows zu gehen, sie haben kein Geld, und ihre Eltern sind auch am Ende. Das ist traurig, es hat dazu geführt, dass mancherorts etwas weniger Leute da waren, weil sie es sich nicht leisten konnten.
Gab es dieses Mal bei den Aufnahmen Unterschiede zu früher? Und inwieweit habt ihr unter dem Druck eigener Erwartungen bzw. der der Fans gestanden?
Die Aufnahmen waren eigentlich genauso wie früher, da gab es nichts Besonderes. Wir haben das Album stückweise aufgenommen. Sobald wir einen Song hatten, mit dem wir zufrieden waren, sind wir ins Studio gegangen und haben ihn eingespielt. Dann gab es wieder eine Phase, da hatten wir keine richtige Idee und haben gewartet, bis es neues Material gab, das uns gefallen hat. Ich glaube, wenn es so etwas wie einen Unterschied gibt, dann dass wir diesmal alle zusammen an den Songs gearbeitet haben. Es waren weniger fertige Songs von mir, sondern vielmehr Ideen, mit denen ich zu den Proben kam, und die wir dann gemeinsam fertig gestellt haben. Was den Druck angeht, würde ich sagen, dass wir uns nicht so viele Sorgen gemacht haben. Sicher hatten wir eigene Erwartungen, die auch zu einem gewissen Druck geführt haben – aber den haben wir immer bei neuem Material gehabt. Diese Art von Druck gehört immer dazu, wobei wir uns schon bewusst darüber waren, dass wir nach so einer Pause etwas bieten mussten. Natürlich erwarten die Kids ein richtig gutes Album, und das wollten wir schließlich auch.
Wenn es so etwas wie ein Grundthema auf dem Album gibt, dann ist es „Alter“. Es klingt so, als würdet ihr euch schon Gedanken machen, ob ihr als alte Männer noch tourt.
Wir sind natürlich nicht mehr die Jüngsten. Wir sind noch nicht in der Seniorenliga, eigentlich befinden wir uns in dem Alter, das immer so schön als das Beste bei Männern beschrieben wird. Aber trotzdem machst du dir manchmal einfach Gedanken darüber, dass du nicht mehr 18 bist. Der Text enthält ein paar kleine Wahrheiten, wir haben einige körperliche Beschwerden, aber das ist nun mal ein Zeichen der Zeit. Und man kann manchmal ein Problem damit haben, dass man von Tag zu Tag älter wird. Eigentlich ist der ganze Song nur ein Spaß. Wir passen gar nicht auf uns auf, wir versuchen nicht, uns irgendwie besonders fit zu halten, also können wir uns gar nicht so viele Gedanken übers Älterwerden machen. Es passiert einfach. Wir wollen definitiv nicht wie die ROLLING STONES sein. Die haben zwar in ihrer Jugend vieles bewegt, aber ich könnte mir nicht vorstellen, mit 60 auf der Bühne zu stehen. LAGWAGON wird es geben, solange uns die Musik Spaß macht, aber irgendwann wird man einfach zu alt dafür. Wenn ich als alter Mann auf einer Bühne sein sollte, dann höchstens mit einer Akustikgitarre.
Das Artwork zum Album könnte einem Bildband mit dem Titel ‚Die heile Welt der USA in den 60ern‘ entstammen.
Genau da kommen diese Bilder auch her! Du hast vollkommen Recht, es sind Fotos aus den 50ern und 60ern, die dieses amerikanische Idyll zeigen, an das heute noch so viele Menschen in den USA glauben. Dabei ist von dieser oberflächlich positiven Zeit nicht mehr viel übrig geblieben. Diese Unschuld von damals ist ein für allemal dahin. Und das sollen diese Bilder aussagen. Es geht im Moment so vieles vor sich in den USA, die Stimmung hier ist sehr gespalten, und auf allen Seiten gibt es Leute, die versuchen, einem noch mehr Angst zu machen, um das für ihre Vorhaben auszunutzen. Allen voran unser so genannter Präsident, der es geschickt beherrscht, jede Situation für sich auszunutzen. Alles was er machen muss, ist die Angst der Bevölkerung auszunutzen, um sie gegen die jeweiligen Gegner zu hetzen. Erzähl dem ahnungslosen Amerikaner, dass ihn dieser oder jener hasst und Gefahr von überall droht, von Terroristen oder von brutalen Diktatoren. Und was macht er? Er unterstützt den harten Kurs des Präsidenten, um sich sicherer zu fühlen. Und er fängt an, misstrauisch zu werden, seine Nachbarn, seine Freunde, jeder könnte mit dem Feind zusammenarbeiten. Die Leute wurden wirklich sehr aufgebracht. Und das ist das endgültige Aus für diese Ruhe, die es damals gab und die auf diesen Bildern zu sehen ist.
Ihr wart ja nie bekannt dafür, euch viel mit Politik zu beschäftigen. Aber dieses Mal gibt es mit „Never stops“ den bisher politischsten Songs von euch. Das gesamte Album klingt erwachsener und ein wenig düsterer als früher.
Ja, es fällt einem in der letzten Zeit nicht leicht, sich nicht mit Politik zu befassen. Es geschehen so viele Sachen, die einfach nicht in Ordnung sind. Diese Paranoia in den USA, die im September vor zwei Jahren angefangen hat, und aus der die Leute erst jetzt allmählich aufwachen und sehen, was los ist. Dieser Krieg im Irak, da sterben nur Unschuldige. Das bringt den Politikern in Washington mehr Geld und uns anderen neue Feinde. Zu sagen, George W. Bush wäre ein schlechter Präsident, wäre wohl eine Untertreibung. Er hat die halbe Welt gegen die USA aufgebracht, er ist dabei, das Land zu ruinieren, wegen ihm sterben da draußen Menschen, und wir werden nur angelogen, damit wir das alles weiter unterstützen. Es ist ein trauriger Kreislauf geworden. Ich hoffe, dass es uns bei den nächsten Wahlen gelingt, diesen Kreis zu durchbrechen und Bush loszuwerden.
War es dir wichtig, BAD ASTRONAUT ins Leben zu rufen, um mit LAGWAGON weitermachen zu können?
Ja, definitiv. BAD ASTRONAUT sind etwas ganz anderes. Und noch entscheidender als die Musik ist, dass ich da machen kann, was ich will. Ich kann mich austoben und Songs schreiben, die nie für LAGWAGON in Frage gekommen wären. Es bleibt viel Raum für Experimente und ruhige Sachen, die viele Fans bei LAGWAGON nicht verstanden hätten. BAD ASTRONAUT ist mir immer noch sehr wichtig, und ich werde auch weiterhin Sachen rausbringen. Es ist diese andere Seite an mir, die irgendwann entstanden ist und mit den Jahren immer ausgeprägter wurde, ohne dass ich diese Ideen bei meiner Hauptband verarbeiten konnte. Und da ich für diese ganzen Ideen jetzt ein anderes Ventil gefunden habe, fällt mir auch die Arbeit für LAGWAGON einfacher.
Foto: Achim Friederich
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