KING KHAN

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The King And I

Es ist selten, dass sich Ox-Schreiber mit königlichen Hoheiten zum Interview verabreden. Deshalb war Matilda Gould auch ganz entzückt, als sich nach einem schweißtreibenden Konzert seine Durchlaucht King Khan auf ein Interview einließ. Das war die einmalige Chance über Lemmy, Pornos, den Death Cult, und seine Anarchisten-Vergangenheit zu reden.



Durchlaucht, mit "Three hairs and you‘re mine" seid Ihr 2001 urplötzlich auf der europäischen Trashbühne erschienen. Erzählt doch bitte, was vorher war.


Vor dem Album war ich ein kleiner Junge mit einem Glitzern in den Augen und nannte mich Blacksnake. Ich lebte unter verschiedenen Felsen in Montreal, zufällig die geilste Stadt Nordamerikas. Und dort hatte ich den Traum ein psychedelisches Orchester zu gründen. Und genau das tat ich 1999. Ich war gerade mal 21, das waren noch Zeiten. Anyway, ich wollte eine magische Band zusammenstellen und suchte lang und weit und breit und nah und fern. Ich gab der Band den Namen MY SHRINES, da das Zusammentreffen mit den Jungs etwas Spirituelles hatte. Wie das Bauen eines Altars aus Fleisch, Knochen und Matsch ...

Verzeihung ...?


Ich habe die Jungs sorgfältig auf der ganzen Welt zusammengesucht. Ich wollte eine Erweiterung der Familie, zu der ich gehöre. Egal ob Kukamongas oder Death Cult - diese Seelen sind heilig und der Bund ist dicker als Blut.

Das ist, äh, wirklich interessant! Es gibt ein Gerücht, dass Ihr und BBQ Brüder seid. Was ist dran?

Nein, wir trafen uns als ich 17 war. Er spielte damals Schlagzeug in einer der gewalttätigsten Punkbands Montreals. Wir trafen uns an der Theke und er sagte: "Ich würde gerne für die SPACESHITS singen." So wie heute war er schon damals ein Orchester unter einer Baseballkappe.

Was brachte Euch dazu, 60s-beeinflusste Musik zu spielen?

Was für eine Frage! Dasselbe, was mich auf die Toilette treibt und das Bedürfnis in mir weckt, Spareribs zu essen. Dasselbe Gefühl, das das ganze Leben genauso einfach macht wie ein Tarotspiel: BIOLOGIE! Würde ich in den 60ern leben, hätte ich zu einigen Restaurants keinen Zutritt oder dürfte kein weißes Mädchen küssen. Ich bin froh, im Hier und Heute zu leben, dem JETZT. Es ist eine besondere Zeit, besonders wenn man Musik macht. Einige der besten Bands spielen genau HEUTE. It is the dawn of the Death Cult und wir kommen und essen eure Kühlschränke leer, und deinen kleinen Bruder gleich noch mit! Hahahahaha ... Jetzt mal im Ernst. Die Sechziger waren genauso ein Schwindel wie alles andere. Lies mal Emmett Grogans (1943-1978) Autobiographie "Ringolevio". Er war der Erfinder der Diggers in Haight-Ashbury, ein wahrer Held und Märtyrer. Durch ihn habe ich erfahren, wie es damals wirklich war. Und es hat sich seither nicht viel geändert, im Gegenteil: es ist noch schlimmer geworden. Ich liebe den Sound der 60er und den Spirit des Punks, der ein Aufschrei war gegen die ganze Ungerechtigkeit. Man hämmerte auf dem Boden rum, besoff sich maßlos und machte Liebe mit einem Musikinstrument. Und dann siehst du dieses Mädel mit dem Überbiss und sie sieht total süß aus, dann nimmt sie ihre Brille ab, reibt sich die Augen und dann siehst du, dass sie ein BAD BRAINS-T-Shirt anhat, und you fall in L-U-V!

So ist das also ...

"Soul" ist für mich nicht eine Art von Musik, sondern eine Qualität, die manche Menschen haben. Wenn du Soul hast, dann schenke ich dir meine Liebe und verbringe Zeit mit dir. Wenn nicht, bleib zu Hause und schaue Big Brother und fuck off and die. Es gibt zu viele Menschen, die keinen Soul haben, das wurde ihnen geklaut, als sie noch Kids waren. Alle Kinder sind geborene Genies. Leider haben einige von ihnen Idioten als Eltern, die ihnen sagen, sie sollen ruhig sein, wenn sie fragen, warum der Himmel blau ist.

So, das leitet direkt über zu Voodoo Rhythm. Wie war die Zusammenarbeit mit dem Beatman?

Beatman sold his soul to rock'n'roll und wird immer einer von den wenigen sein, die stolz die Fackeln unserer gemarterten Seelen in das geheiligte Land tragen werden. Er ist der Terminator X des Blues. Public Enemy No.1!

Mit jedem Album hat sich der Sound verändert. Wenn Ihr aufnehmt, habt Ihr da einen bestimmten Sound im Kopf?


Ein Konzept gibt es keins. Die Alben sind eher Momentaufnahmen meines Lebens. Beim ersten Album war ich frisch verheiratet und war gerade zum ersten Mal Vater geworden. Ich wollte Musik fürs Herz machen, etwas das ich immer spielen würde. Ich hatte eine Menge Otis Redding, Wilson Pickett und ROLLING STONES gehört. Beim zweiten Album lebte ich in einer halluzinatorischen Welt, die von dem ganzen Majorlabel-Müll kam. Ich dachte, wir könnten den Curtis Mayfield-Sound nachmachen. Die Songs entstanden im Studio, da die Band in alle Winde verstreut lebte. Ich denke "Mr. Supernatural" ist wie sein Cover: "An illusion of grandeur." Es war spaßig sich, wie ein Rockstar in einem riesigen Studio zu fühlen und dabei fast mein Leben zu ruinieren. Ich traf Lemmy von MOTÖRHEAD. Er war ziemlich an meinem Porno mit Ultra Violet interessiert, den ich von Jay Reatard vor zehn Jahren in Memphis bekam. Das "What Is!?"-Album ist das bisher beste Album, das wir gemacht haben, obwohl wir es ziemlich schnell aufgenommen haben. Das nächste wird noch besser - versprochen. Im Moment höre ich besonders viel SIMPLY SAUCER, GG Allin, BAD BRAINS, und das Ornette Coleman Orchestra.

"Mr Supernatural" und "What is!?" wurden auf Hazelwood veröffentlicht...

Hazelwood waren zwei Jahre hinter mir her. Als ich eine von ihren Bands in einem fetten roten Tourbus zu einem Festival nach Frankreich habe fahren sehen, habe ich unterschrieben. Die Dollarzeichen blitzen in meinen Augen auf. Ich war jung, dumm und heiß, hahahahaha! I live the life I love and I love the life I live. Hazelwood ist ein bodenständiges Label mit einem guten Team, die hart arbeiten und mit denen es Spaß macht zu arbeiten. Über einen von ihnen, Gordon, haben wir ein Lied geschrieben, das auf der neuen King Khan & BBQ Single rauskommt - "Gangbang Gordon".

Schreibt Ihr die Songs alleine?

Es gibt drei Hauptsongschreiber in der Band: der Trompeter Simon Apple Monkey, der Gitarrist Mr. Speedfinger (aka Till Timm) und ich. Meistens haben wir alle irgendwelche Teile im Kopf, die wir dann zusammenfügen, wenn wir uns treffen, was so etwa sechsmal im Jahr ist. Oder wir haben eine Jamsession zu viert oder fünft und bauen was zusammen. Unser Proberaum ist in einer alten Fallschirmfabrik aus der NS-Zeit. There is some cool mojo roaming around in that room. Ich habe eine neue Songwriting-Strategie: mein Drummer John Boy Adonis bestimmt drei Noten und daraus mache ich einen Song. Und dann kommen THE SHRINES dazu und jeder trägt seinen Teil dazu bei.

Du hast den Soundtrack zu "Schwarze Schafe" zusammengestellt. Wie kam es dazu?


Direktor Olli Rihs hat mich kontaktiert und gesagt er wollte "Shivers down my spine" für eine Sexszene! Ich war sofort begeistert, wie alle Inder, die das Wort "Sexszene" hören. Ich musste zu ihm kommen, weil er sagte, dass mein TV-Gerät nicht gut genug für ihn sei. Das hat mich angepisst, weil man nicht einfach so den Fernseher eines Mannes beleidigt. Also, ich habe die Szene angeschaut. Echt klasse, in einem teuren Hotel in Berlin, das Karl Lagerfeld gehört. Dann zeigte er mir die Oma-Szene und ein paar andere "kodak moments" und ich fragte ihn, ob ich den ganzen Soundtrack machen dürfte. Zwei Monate später kam er mit einem Riesen-TV an und entschuldigte sich für die Beleidigung meines alten Gerätes. Das geniale an dem Film ist, dass er ein Underground-Film für den Mainstream ist. Love it or hate it we don't give a fuck, kauft einfach den Soundtrack, goddammit!

Es gibt da mit "Le fils de Jacques Dutronc" einen französischsprachigen Song. Seid Ihr etwa der uneheliche Sohn von Jacques Dutronc?

Wenn ich auf Französisch schreibe, wird es meist politisch. Was wäre, wenn der Sohn von Jacques Dutronc ein farbiger, dürrer Junge in einem französischen Ghetto in Marseilles oder Paris wäre und die Reinkarnation des Teufels ist? Der Text macht sich über die Mittelklasse und deren Rassismus lustig. Jacques Dutronc hat sich in den 60er über alle lustig gemacht. Ich liebe seine Songs, weil sie wirklich "garage punk" sind. Und nicht so was wie THE HIVES. Es ist nicht arrogant, sondern geistreich und nimmt sich selbst nicht so ernst. Ich habe keine Lust auf diese Ego-Bands. Französische Musik hatte einen großen Einfluss auf mich, weil ich in Quebec aufgewachsen bin. Ich habe damals unter dem Pseudonym Blacksnake für ein Anarchistenblatt namens "Demanarchie" geschrieben. Die Jungs haben vor nichts halt gemacht. Die werfen Polizeiautos um und zünden Regierungsgebäude an. Ich bewundere und liebe das. Der Chef des Blattes kam ins Gefängnis, weil er einen Artikel mit dem Titel "How To Start a Riot in Quebec City on St. Jean Baptiste Day" geschrieben hatte. Und genau nach der Anweisung ging es an dem Tag dann ab.

Ihr habt Otis Redding und Curtis Mayfield erwähnt. Was wäre Euer Traumorchester?

Meine Heldenliste wird immer länger. Aber zur Zeit würden THE FALCONS singen, THE SHRINES als Backups; Tim Vulgar von THE HUMAN EYE braun angemalt, damit er wie James Brown aussieht; Sun Ra am Spacebass, Fendrik von DARK THRONE als Manager, Beyonce Knowles als meine Tanzlehrerin und Spiritual Advisor, Richard Pryor als Spaßmacher, THE BLACK LIPS würden nicht spielen, aber Backstage rumhängen. THE SPITS würden eine magische Show abziehen, die immer in einem Kampf zwischen den Brüdern endet und THE GRIS GRIS spielen, wenn wir alle schlafen, damit wir von einer besseren Welt träumen können. DEMON'S CLAWS müssten nach jeder Show aufräumen und die Mikrophone abwischen. Das reicht, jetzt wird's langsam doof ...

Dann hören wir besser mal auf. Und nächstes Mal quatschen wir über Eure Musik.