Wer sich im letzten Jahrzehnt ausgiebig mit der deutschen Hardcore-Szene auseinander gesetzt hat, der wird sich auch sicherlich noch an die Warendorfer Band MAZZOLATA erinnern. Mit stets klaren Ansagen gegen Rechts im Gepäck bespielte das Quintett aus der Pferdestadt regelmäßig die AZs dieses Landes, bis es 2007 schließlich zum Split kam. Seitdem machen vier Fünftel der Band unter dem Namen KEZZA genau da weiter, wo MAZZOLATA aufgehört haben. Energiegeladener Hardcore-Punk mit deutlichen Worten gegen Rassismus, Rechtsoffenheit und Homophobie. Die Band hat also durchaus was zu sagen. Und da vor kurzem auch ihre Debüt-LP erschienen ist, dachte ich mir, es wird mal Zeit für ein kleines Interview. Frontmann Olli und Bassistin Sandra standen mir Rede und Antwort.
Wie kam es damals zum Ende von MAZZOLATA und was hat dazu geführt, mit anderem Bandnamen dann doch noch einmal neu zu starten?
Sandra: Der Trennungsgrund war ein farblich schwer einzuordnender Heizlüfter. Die Frage, ob er dem Gitarristen oder der Band gehörte, konnte bis heute nicht abschließend geklärt werden. Fakt ist: nach jahrelanger Therapie sind wir darüber hinweggekommen und können nun positiv, wenn auch leicht fröstelnd, in die Zukunft blicken. Na ja, Spaß beiseite: Es gab innerhalb der Band MAZZOLATA unterschiedliche Ansichten, wie es mit der Band in Zukunft weitergehen sollte. Persönliche Differenzen zwischen uns und dem alten Gitarristen führten letztendlich zum Split. Auch ein Besuch in der TV-Show„Zwei bei Kallwass“ konnte da leider nichts mehr retten. Der Rest der Band beschloss, auf jeden Fall weiterzumachen. Da unser alter Gitarrist aber einer der Hauptsongwriter von MAZZOLATA war, wollten wir bewusst einen Neuanfang starten mit neuem Namen und komplett neuen Songs. Sozusagen eine Lazarus-Kur. An der musikalischen Ausrichtung änderte sich nicht viel. Auch KEZZA machen weiterhin geradlinigen Hardcore/Punk und der D.I.Y.-Spirit bleibt erhalten. Olé!
Und wieder einmal habt ihr euch einen Bandnamen mit doppeltem „Z“ ausgesucht. Gibt es dafür irgendeine tiefere Bedeutung oder ist das nur ein völlig banaler Zufall?
Olli: Wir stehen auf „Zetts“, ZZ TOP und Bärte. Außerdem gefiel uns das MAZZOLATA-Logo gut, welches Klaus Bergermann, ein guter Freund von uns, entworfen hat. Insbesondere das „ZZ“ in dem Logo war ein echter Hingucker. Ähnliches schwebte uns für KEZZA auch vor. Realisiert haben wir es aber doch nicht so ganz. Lustig war jedenfalls die Namensfindung, da es gar nicht so einfach ist, sich Namen mit „ZZ“ auszudenken, die einigermaßen klingen und einprägsam sind. Aber KEZZA ist als Bandname in Ordnung. Viele Menschen mögen Katzen und Antiklerikales.
Mittlerweile laden sich immer mehr Leute ihre Musik lieber irgendwo illegal im Internet herunter. Euer erstes Album „Songs For The Almost Dead“ habt ihr dennoch auf Vinyl pressen lassen. Müsst ihr diese Entscheidung mittlerweile bereuen oder seid ihr mit den Verkaufszahlen zufrieden? Und wie steht ihr generell zu der ganzen Download-Diskussion?
Sandra: Wir bereuen nichts. Jederzeit wieder. We love vinyl! Mit dieser 12“ haben wir uns einen Traum erfüllt. Eigentlich könnten wir jetzt aufhören. Wir haben alles erreicht, hehe. Mit den Verkaufszahlen können wir zufrieden sein. Insgesamt war die Plattenproduktion eine Erfahrung, die wir nicht mehr missen möchten. Die Kontakte mit den beteiligten D.I.Y.-Labels gehen schon stark in die freundschaftliche Richtung. Auch war es ein gutes Gefühl, etwas komplett Eigenes geschaffen zu haben, die Songs im eigenen Proberaum aufgenommen und in Eigenregie produziert und vertrieben zu haben.
Olli: Was die allgemeine Download-Diskussion angeht: Die große Musikindustrie, insbesondere mit ihren Majorlabels und ihrer Management-Maschinerie hat über Jahre hinweg wie die Made im Speck gelebt und sich mit ihrer Politik letztendlich ihr eigenes Grab geschaufelt. Von den Einnahmen eines einzigen verkauften Tonträgers bleibt nur ein Bruchteil bei dem eigentlichen Künstler hängen. Einzelne Künstler wurden und werden zu Megastars aufgeblasen und gemolken, solange sie zu melken sind, und schlussendlich fallen gelassen wie heiße Kartoffeln. Wenn es also heißt „Downloading kills Majors“, bitteschön. Nichts dagegen. Uns selbst kann das relativ egal sein. Wir fühlen uns in unserer kleinen D.I.Y.-Nische sehr wohl. Diese Thematik haben wir übrigens in „Industry“, einem unserer Songs, schon mal aufgegriffen. Mittlerweile stellen auch viele Bands ihre Musik freiwillig als Download zur Verfügung. Für kleinere Bands kann das auch durchaus eine Chance sein, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Prinzipiell würde es für uns auch kein Problem darstellen, unsere Musik zum Download bereitzustellen. Der Musiker sollte aber im Idealfall sein Einverständnis zum Download geben können. Der wahre Musikfreund schätzt eh den Tonträger zum Anfassen.
Während andere gern um den heißen Brei herum reden, stehen eure Texte für klare Ansagen. Der Hörer wird hier nicht zum Nachdenken angeregt, sondern kriegt eure Botschaften kompromisslos in den Schädel gekloppt. Ist der Holzhammer als Stilmittel effektiver, um Inhalte zu transportieren?
Olli: Hat sich doch in den Achtzigern schon super bewährt, oder? Außerdem ist uns nicht nach Samthandschuhen und Ponyhof. Klare Ansagen werden viel zu wenig gemacht. In Punkten wie zum Beispiel Homophobie, Rassismus oder Rechtsoffenheit gibt es für uns kein Rumgeeier.
Sandra: Aber wir haben ja nicht nur sozialkritische und politische Texte, nein, wir haben auch Humor. Echt. Nicht immer guten, aber immerhin.
Gebt doch bitte mal kurze Statements zu folgenden Songs ab: „Modern victim“.
Olli: Über 90% der Menschen sterben im Beisein von Ärzten. Das sollte uns zu denken geben. Eigentlich geht es um den Fluch der modernen Medizin. Sie eröffnet Möglichkeiten, um menschliches Leid sehr lange hinauszuzögern und medizinischer Ehrgeiz verschleiert oft den Blick auf die Bedürfnisse des Patienten, also Menschen. Insbesondere die Sehnsucht nach einem würdigen Ende des Lebens wird oft zu wenig berücksichtigt. Aber auch das sollte ein wichtiger Teil der Medizin sein. Leiden nehmen und das Unausweichliche akzeptieren können.
„Homophobic shitface“.
Sandra: Der Name ist Programm und sagt alles. Holzhammerklartext. Zu was für einem Geschlecht sich der Mensch hingezogen fühlt, ist irrelevant. Der Mensch definiert sich nicht darüber. Eine solche Denkweise ist kleingeistig.
„The seed“.
Olli: Unser erster Song überhaupt. Stammtisch- und Springer-Presse-Faschismus ist leider alltäglich und wird viel zu oft toleriert und akzeptiert. Es sind nicht nur die Horden hirnloser Nazi-Schläger, die unsere Gesellschaft bedrohen. Es ist vielmehr die Toleranz gegenüber rassistischen oder sexistischen Aussagen. Macht den Mund auf und zeigt, dass ihr so was nicht länger akzeptieren wollt. Das ist die Kernaussage. Wir alle wissen, wohin eine Mentalität des Wegguckens führt.
Olli, Gerüchten zufolge bist du ja mittlerweile auch schon über 40. Auf der Bühne wütest du aber grundsätzlich wie ein junger Gott. Hält die Band dich jung oder bist du von Natur aus einfach eine Sportskanone?
Olli: Sportskanone, Frohnatur, Gesundheitsfanatiker. Weißt du doch.
Sandra: In Planung ist übrigens eine Fitness-DVD mit den speziellen KEZZA-Frontmann-Hardcore-Moves. In zehn Schritten/Songs zum perfekten Body.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #96 Juni/Juli 2011 und Florian Feldmann
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #93 Dezember 2010/Januar 2011 und Ute Borchardt